Volker Engel, Absolvent Animation

„Es herrschte Aufbruchstimmung.“

Volker Engel hat es an den Ort geschafft, von dem viele Filmstudenten träumen: Hollywood. Seit den neunziger Jahren lebt und arbeitet er in Los Angeles, ist als Filmproduzent und als VFX Supervisor tätig. Die Effekte für INPEPENDENCE DAY (1996) bescherten ihm zu Beginn seiner Karriere gar einen Oscar. Den Smoking, in dem er vor die Fernsehkameras zur Dankesrede trat, hatte er sich von Sönke Wortmann ausgeliehen.

Als sich die Academy für Volker Engels VFX-Arbeit entschied, hatte dieser bereits ausgiebige Erfahrungen mit Filmjurys gemacht: Schon als Teenager, mit knapp 16 Jahren, drehte er seinen ersten Trickfilm, der auch prompt bei einem Jugendfilmfestival in Hannover angenommen wurde. DAS WÜSTENRENNEN, ein vierminütiger Stop-Motion-Trickfilm mit Spielzeugautos, war ein Publikumsfavorit. Kurz, knackig und actiongeladen. Unterhaltung eben, genau so ein Film, wie Engel ihn sich selbst gern angeschaut hätte.

Der Film und ganz besonders die Filmtricks ließen den jungen Volker Engel nicht mehr los. Vergeblich stöberte er zu jener Zeit nach Büchern in der örtlichen Bibliothek in Bremerhaven, verzweifelt auf der Suche nach Hintergrundwissen über die Techniken von Effekt-Blockbustern wie KRIEG DER STERNE.

Wenige Jahre später entschied er sich schließlich für ein Studium und informierte sich an den lokalen Kunsthochschulen Hamburg und Bremen auf der Suche nach einer Trickfilmklasse. Viele Kilometer südlich wurde er am Ende fündig: Albrecht Ade unterrichtete Trickfilm an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Hier begann er schließlich sein Studium, nachdem er den direkten Weg ans Set über die Filmhochschule in München bereits für sich ausgeschlossen hatte: „München bot damals zu sehr klassisches Autorenkino, aber ich war bereits auf Visual Effects geeicht. Eigentlich wollte ich gerne das Geschichtenerzählen mit den Effekten kombinieren, aber um 1985 gab es das noch nicht.“

Über seinen guten Freund Oliver Scholl, der zu jener Zeit bereits mit Regisseur Roland Emmerich im Gespräch war, folgte ein Engagement für den Film MOON 44. „Witzigerweise lag die Bushaltestelle, an der ich jeden Morgen stand und auf meinen Bus in Richtung Kunstakademie wartete, direkt bei Emmerichs Büro. Per Telefon haben wir uns spontan verabredet und dann einige Stunden geplaudert“, erzählt Engel.

Albrecht Ade expandierte: In den Jahren 1990/1991 wurden schließlich die Pionierklassen der noch frischen Filmakademie in provisorischen Räumen in einem Industriegebäude unterrichtet. Durch den Diplomabschluss an der Stuttgarter Kunstakademie bot sich für Engel die Gelegenheit, direkt ins Projektstudium Animation einzusteigen: „Es herrschte Aufbruchstimmung, und die brandneue Technik wurde von uns eingeritten.“ Nach der Fertigstellung von RE-CREATION, Engels Kurzfilm, bei dem er Roboter zu Walzermusik einzelbildweise animierte, stellte die Filmakademie den jungen Trickfilmer prompt ein.

Als „Assistent für Animationsfilm“ organisierte Volker Engel drei Jahre lang Gastdozenten, betreute Studenten und kümmerte sich um die Technik des Studienschwerpunkts.

Während dieser Zeit blieben Roland Emmerich und Volker Engel meist per Fax in Kontakt. Schließlich klingelte das Telefon, und kurze Zeit später saß der gebürtige Bremerhavener im Flugzeug in die Staaten: Emmerich bereitete ein Projekt namens INPEPENDENCE DAY vor, und die VFX sollte ein frisches Team aus Deutschland herstellen. Engel schlug Emmerich eine Crew für Trick-Kamera und Computeranimation aus seinem eigenen persönlichen Netzwerk vor – die meisten aus Ludwigsburg. Dazu gehörte auch Volkers ehemaliger Kommilitone Marc Weigert, der gerade in den USA ein Praktikum machte. Er wurde als VFX Projektmanager engagiert.

In den USA war es dann an dem frischen VFX Supervisor, Brücken zu schlagen: „Anders als in Deutschland herrschte in den USA ein stärkeres Expertentum vor. Das Personal war wirklich saugut, aber neigte manchmal zum Tunnelblick“, berichtet er.

Wer mit Volker Engel arbeiten möchte, muss vor allem eins sein: Teamfähig. „Im Trickfilm gibt es Menschen, die Projekte alleine stemmen wollen und müssen, der Spielfilm ist aber extreme Teamarbeit und ein großes Stück weit auch eine Diktaktur: Ganz oben steht nun mal der Regisseur.“ Dass man sich trotzdem mit Vorschlägen einbringen kann, findet Volker selbstverständlich, aber das eigene Ego müsse auch manchmal zurückstecken.

Die Karriere eines Volker Engel ist mit Sicherheit als klarer Sonderfall zu betrachten: „Was mir damals passiert ist, ist damit vergleichbar, sich heute mit einem jungen J.J. Abrams anzufreunden.“ Doch heutzutage gäbe es dafür wesentlich mehr Möglichkeiten, den klassischen Karriereweg zu gehen. Wenn man qualifiziert genug sei, könne man problemlos bei einem der vielen Postproduktionshäuser wie SCANLINE, TRIXTER, LUXX oder MACKEVISION anfangen und dort an Blockbustern arbeiten. Und wer unbedingt nach L.A. möchte, solle sich doch einfach mal bei UNCHARTED TERRITORY - Engels und Weigerts Produktionsfirma - bewerben. „Wir bekommen tatsächlich fast nie Bewerbungen von Filmakademie-Studenten“, meint Engel. Dabei ist einer seiner Praktikanten aus Deutschland erst vor kurzem als Compositor im Filmabspann gelandet.

Hört sich Engel in Hollywood um, so ist das Animationsinstitut der Filmakademie durchaus eine Marke, die man in der Branche kennt. Thomas Haegele habe diese sehr erfolgreich aufgebaut und gepflegt, berichtet er. Ebenso die FMX und die wiederholte Teilnahme von Ludwigsburger Studenten bei den VES Awards fanden Beachtung. Rückblickend schätzt Volker Engel die Freundschaften unter den Akademie-Studierenden und die Erinnerung an Brainstormings über zehn völlig verschiedene Filmideen, von denen am Ende doch nur eine realisiert worden ist. Laut Engel habe man sich stets in jede Vorlesung setzen können, die einen interessierte, und man habe immer die Möglichkeit gehabt, etwas Neues nicht nur aus der Welt der Visuellen Effekte mitzubekommen. Geschaffen wurde ein Nährboden an Ideen und Möglichkeiten, gerade auch durch die vielen Besuche und Erzählungen von internationalen Gastdozenten, die sich die Klinke in die Hand gaben.

Noch heute schwärmt Engel von dem Besuch des Effekt-Spezialisten Derek Meddings, der leider schon 1995 verstarb. Im Restaurant BLAUER ENGEL hatten Volker und die Studierenden alles an Tischen zusammengeschoben, was der Laden hergegeben hatte, und die Filmakademie lauschte Meddings Anekdoten vom Set der JAMES BOND-Filmreihe.

Nach der Eigenproduktion CORONADO, Emmerichs 2012 und WHITE HOUSE DOWN schloss Volker Engel kürzlich die Koproduktion und Effects für INDEPENDENCE DAY 2: WIEDERKEHR ab. Aber auch für eine Wiederkehr an die Filmakademie oder für weitere Vorträge auf der FMX ist er offen. Er unterrichtet seit 2009 regelmäßig an der Hochschule Bremerhaven.

Alumni Profil

Autor: Sebastian Ingenfeld

Foto Volker Engel: © privat