Till Endemann, Absolvent Dokumentarfilm

„Das Team muss mit dir in dieselbe Richtung rudern.“

„Ich stand in meiner Heimatstadt Hamburg im Immatrikulationsbüro, um mich für Kulturwissenschaften einzuschreiben, habe es mir dann aber im letzten Moment anders überlegt – und beschlossen mich zu bewerben.“

Till Endemann war damals 21 Jahre alt und schaffte es gleich beim ersten Versuch an die Filmhochschule. Endemann war eigentlich für Drehbuch angetreten, bemerkte aber bald, dass das Schreiben allein ihn nicht ausfüllte. Aufgrund der Filme, die er bis dahin gedreht hatte, erhielt er die Möglichkeit, zur Regie zu wechseln. Da fast alle für Regie immatrikulierten Studierenden – damals fand die Einteilung in die Bereiche erst nach dem Grundstudium statt – zum Spielfilm wollten, stellte man Till Endemann vor die Wahl: Werbefilm oder Dokumentarfilm. Seine Entscheidung war sofort klar. „Ich bin angetreten, um Geschichten zu erzählen, die Geist und Seele berühren, und ein bisschen, um die Welt zu prägen und zu verändern. Und mit Werbung sorgt man ja, provokant formuliert, eher dafür, dass die Welt sich genau so weiterdreht, wie sie ist. Obwohl das keineswegs die Kunst der Werberegie schmälern soll“, erläutert Till Endemann seine Wahl. Man spürt während des gesamten Interviews, wie wichtig Themen wie Haltung und der Gedanke, etwas mitgestalten zu können, für ihn sind.

„Man kann mit Filmen Menschen erreichen und beeinflussen. Daraus ergibt sich eine gesellschaftliche Verantwortung. Man ist einer derjenigen, die auserkoren wurden, an einer Filmhochschule zu studieren, und man sollte sich dieser Verantwortung – und auch Chance – bewusst sein.“ Till Endemann lächelt über seine leicht salbungsvollen Worte. Auch beim Lachen verliert er nie seine Ernsthaftigkeit.

Diese Sicht auf die Dinge wurde in den zwei Jahren Dokumentarfilmstudium und vor allem durch seine Dozenten noch verstärkt. Zu Endemanns Zeit zählte zu ihnen auch Thomas Schadt, der heutige Direktor der Filmakademie, der damals die Dokumentarfilmabteilung leitete. Bei Volker Koepp und Helga Reidemeister lernte Till dann, dass man seine Protagonisten gar nicht so viel fragen muss, sondern dass man ihnen den Raum lassen kann, das zu erzählen, was sie schon immer erzählen wollten.

Raum zu geben, ist auch eine Sache, die sich Till Endemann von den öffentlich- rechtlichen Sendeanstalten wünschen würde, sobald es darum geht, dem Publikum ein neues Konzept näherzubringen. „Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat durch seine Finanzierungsstruktur die grundsätzliche Möglichkeit und auch kulturelle Pflicht, hier viel mutiger zu agieren, mehr zu wagen. Das muss auch sein, um das junge Publikum nicht gänzlich zu verlieren.“ Laut Endemann kann man dem deutschen Publikum schon etwas abfordern, man muss ihm halt nur die Zeit geben, sich auf die neuen Erzählformen einzulassen.

Till Endemanns Eltern sind beide Schauspieler, er verlebte eine nicht gerade beständige, aber sehr abwechslungsreiche und freigeistige Jugend. So kam es auch, dass er von Kindesbeinen an als Synchronsprecher tätig war und sich dadurch nicht nur das Studium an der Filmakademie finanzierte, sondern ihn diese Erfahrung, als Sprecher selbst einem Synchronregisseur „ausgeliefert“ zu sein, auch lehrte, wie es sich anfühlt, auf der anderen Seite zu stehen.

„Im Idealfall ist das Filmemachen ein gemeinsamer Prozess, der lebendig und inspirierend für alle ist, im Sinne des Produkts. Es ist ein zartes Momentum, in dem Menschen etwas miteinander erschaffen, fragil und wertvoll.“ Gepaart mit den organisatorischen Aufgaben und der Tatsache, dass man als Kopf für ein Team verantwortlich ist. Diese Dinge miteinander in Einklang zu bringen, macht für Till Endemann den Reiz des Regieführens aus. Und auch die Kunst.

Konkurrenzdenken hingegen ist etwas, mit dem er schon damals nicht viel anfangen konnte. Auch wenn unter Studierenden Rangeleien um das höchste Ansehen verständlich sind, so fand Till Endemann sie doch immer schade, gerade in so einem geschützten Rahmen wie dem einer Filmhochschule. „ Ich dachte, innerhalb eines solch kleinen Studienkreises hat man doch eine andere, eine direktere Verantwortung füreinander, gerade wenn der Leistungsdruck hoch ist.“

Der Übergang von der Filmakademie in die „richtige“ Welt ging sich für Endemann, der seitdem hauptsächlich Spielfilme inszeniert, gut aus – u.a. FLUG IN DIE NACHT, DAS UNGLÜCK VON ÜBERLINGEN, DAS LÄCHELN DER TIEFSEEFISCHE und UNTER ANKLAGE: DER FALL HARRY WÖRZ. Zuletzt lief in der ARD sein 180-Minuten-Thriller DAS PROGRAMM.

„Es ist Aufgabe des Regisseurs, die Richtung vorzugeben. Gleichzeitig aber sollte man jedes Teammitglied als mündigen Menschen in den kreativen Prozess mit einbeziehen, offen für Austausch sein. Das ist elementar wichtig, aber eben auch eine Frage der Grundhaltung“, beendet Till Endemann lächelnd unser Interview.

Alumni-Profil

Autorin: Katja Ginnow