Stéphanie Strecker (geb. Brenner), Absolventin Szenenbild

Kinder oder Karriere? Beides.

Acht Gestalter steht auf dem Schild neben der Eingangstür in Stuttgart West, nur einen Katzensprung vom Feuersee entfernt. „Eigentlich sind wir mittlerweile sogar zu zehnt“, erklärt Stéphanie die Bürogemeinschaft, in der sie Tür an Tür mit Grafik- und Webdesignern, Architekten und einem Kameramann arbeitet. Stéphanies Atelier wirkt etwas wie aus der Zeit gefallen: ein massiver Schreibtisch, ein alter Vitrinenschrank mit Büchern, eine Pinnwand mit vergilbten Notizzetteln und ein Karton mit alten Tapetenrollen. Auf ihrem Arbeitstisch stapeln sich Papierbögen und Kopien historischer Schriften. Stéphanie tüftelt gerade an Spezialrequisiten - alte Schriftstücke, die sie für eine Geschichtsdokumentation herstellen soll. Zwischen den aufwändigen Projekten, die sie als Szenenbildnerin umsetzt, sind ihr solche kleinen Auftragsarbeiten, bei denen sie ihre handwerkliche Leidenschaft ausleben kann, eine willkommene Abwechslung. Ob historische Doku-Serie, Kino-Spielfilm, TV-Krimi oder Märchenfilm – jede Art von Film hat ihren eigenen Charme, jedes Projekt seine Vor- und Nachteile, findet Stéphanie. „Ob Arthaus-Kino oder Fernsehserie, je nachdem, was du machst, ist der Aufwand natürlich unterschiedlich.

Gebaut und gebastelt, gemalt und gezeichnet habe sie schon immer gern, sagt Stéphanie: „Ich komme aus einer Schreinerfamilie, bin also quasi in der Werkstatt aufgewachsen. Wenn wir in den Urlaub gefahren sind, hatte ich immer meinen Zeichenblock dabei und habe Skizzen gemacht.“ Als Abiturientin bewirbt sich Stéphanie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und wird, zu ihrer eigenen Überraschung, angenommen. Nach dem Grundstudium wechselt sie in die Fachklasse für Bildhauerei: „Ich habe relativ schnell gemerkt, dass mir das räumliche Arbeiten mehr liegt als das Arbeiten auf dem Papier.“ Sie studiert auf Lehramt, macht 1998 ihr Examen in Kunstgeschichte und zwei Jahre später ihr Staatsexamen in Bildhauerei. Ihre Abschlussarbeit ist eine Rauminstallation, für die sie abstrakte Stadtpläne auf den Boden malt und darauf kleine Spielzeug-Fernseher aus Plastik montiert. Die Fernseher sind mit selbstgemachten Dias bestückt, die nächtliche Einblicke in Wohnungen zeigen. „Für die Dias bin ich abends durch die Straßen gelaufen und habe Fenster fotografiert, bei denen eine Anmutung von Leben zu sehen war: ein zugezogener Vorhang, eine Lampe, vielleicht stand da auch jemand.“

Nach ihrem Abschluss an der Kunstakademie entscheidet Stéphanie sich gegen den Lehrberuf, arbeitet in einer Stuttgarter Agentur und ist dort an der Konzeption und Umsetzung von Ausstellungen beteiligt. Es macht Stéphanie Spaß, Inhalte in Räumen zu vermitteln, allerdings fühlt sie sich gestalterisch eingeengt und beschließt, den Job an den Nagel zu hängen und stattdessen Szenografie zu studieren. „Das Studium an der Filmakademie empfand ich als so etwas Handfestes, etwas Solides, weil du dort das machst, was du später als Beruf machst – im Gegensatz zu der Ausbildung an einer Kunsthochschule, bei der man so ein bisschen im Elfenbeinturm sitzt und nicht weiß, wie es danach weitergeht.“

Nach ihrem Diplom an der Filmakademie 2004 assistiert sie bei zwei Projekten einem ihrer ehemaligen Szenenbild-Dozenten und wird daraufhin prompt als verantwortliche Szenenbildnerin für eine Debütfilm-Produktion des SWR angefragt: DAS LEBEN DER PHILOSOPHEN. „Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, hat mich der Produktionsleiter gefragt, wie es mir damit ginge. ‚Alles super‘, habe ich gesagt, obwohl wahnsinnig viele Motive vorgesehen waren und ich mir nicht sicher war, ob und wie ich das hinkriege.“ Stéphanies Sorgen sind unberechtigt – 2006 erhält sie für ihr erstes, freies Projekt als Szenenbildnerin den Deutschen Nachwuchspreis des SFK-Verbands für Bestes Szenenbild. „Danach hat es sich immer ergeben, dass ich etwas Spannendes zu tun hatte.“

Kinder oder Karriere? Stéphanie hat sich für beides entschieden. Wie viele andere Berufe der Filmbranche setzt der Beruf des Szenenbildners oft zeitliche und örtliche Flexibilität voraus: „Man ist wie ein Vagabund, ein Wanderzirkus, immer unterwegs.“ Dass ihr Beruf eigentlich nicht besonders familienfreundlich ist, findet sie schade. Ob und welche Projekte sie zusagt, habe sich durch die eigene Familie eben verändert: „Früher habe ich Projekte gemacht, egal wo. Je weiter weg, desto besser. Heute versuche ich in und um Stuttgart zu arbeiten, weil meine Kinder mich hier einfach brauchen. Allerdings ist es auch so, dass es in Stuttgart relativ wenige Szenenbildner – wir sind vielleicht so eine Handvoll – aber mehr als genügend Anfragen gibt. Ein Projekt pro Jahr kann ich woanders machen, das muss mich aber auch wirklich umhauen.“ Weil ihr Mann, wie sie, als Freiberufler arbeitet, können sich die beiden in puncto Kinderbetreuung abwechseln: „Man muss sich absprechen und zusammenarbeiten, anders funktioniert es nicht.“

Den Spagat zwischen Familie und Beruf zu meistern, ist Stéphanie ein Bedürfnis. In ihrer Arbeit gelingt es ihr zudem, ihre verschiedenen Talente miteinander zu verknüpfen: „Früher hatte ich immer das Gefühl, ich bin eine professionelle Dilettantin. Ich kann alles, aber nichts davon perfekt: Ich kann sehr gut Zeichnen, aber nicht perfekt. Ich kenne mich in Kunstgeschichte ziemlich gut aus, weiß aber auch nicht alles. Wenn man über´s Schreinern redet, weiß ich, wie etwas funktioniert, aber ich bin kein Schreiner. In meinem Beruf kann ich das alles ziemlich gut zusammenbringen.“

Alumni-Profil

Autorin: Uta Schindler