Stefan Retzbach, Absolvent Produktion

„Ich mag es, wenn Dinge kaputt gehen.“

Stefan Retzbach ist gerade aus Shanghai zurückgekommen – das Essen war „ekelig“, aber dafür ist der Filmmarkt umso vielversprechender. „Vergleichbar mit den 90ern in Deutschland, ist China ein aufstrebender Markt mit enormen finanziellen Möglichkeiten und auf dem Weg, der größte Markt der Welt zu werden“, erzählt der Wuppertaler.

Seit 2002 ist Retzbach Produzent bei Action Concept, einer der führenden unabhängigen Filmproduktionsfirmen Deutschlands, vor allem bekannt durch ALARM FÜR COBRA 11 und DER CLOWN. „Über einen bekannten RTL-Redakteur bin ich zu der Firma gekommen. DER CLOWN war nicht mein Ding, und ich war froh, für COBRA arbeiten zu dürfen“, was er seitdem bis 2013 auch getan hat.

Eigentlich absolvierte Stefan Retzbach in Düsseldorf eine Ausbildung zum Werbekaufmann und wollte in der Werbung bleiben - fasziniert davon, was er so alles in einen Kostenvoranschlag schreiben könne und dass eine Reise in die Südsee für eine neue Bacardi-Werbung zum Alltag gehöre. Die Bewerbungsgespräche nach der Ausbildung liefen allerdings nicht so gut, worauf er begann, als Grafiker zu arbeiten, während sein Bruder Thomas an der Filmakademie Regie studierte. Als er 1996 ebenfalls angenommen wurde, war seine ursprüngliche Idee, VFX Supervisor zu werden, weil „geil, Hollywood wartet auf einen.“ Auch das ein Irrtum, den er schnell einsah und der ihn schließlich zu seiner Profession brachte: Die Produktion ist sein Spielfeld, auf dem er sich austoben kann. „Als Produzent machst du plötzlich alles.“

Stefan Retzbach ist nicht nur Produzent, sondern erfüllt darüber hinaus auch regelmäßig die Funktion des Showrunners und Writing-Producers bei seinen Formaten. An manchen Folgen arbeitete er zusammen mit seinem Bruder. Ein besonderes Merkmal dabei war immer wieder die Entwicklung der Stunts, denn für das Action-Genre existiert einfach nicht genügend externes Knowhow am deutschen Markt. „Ich wurde schließlich von STAR WARS geprägt. Ich mag es, wenn Dinge kaputt gehen.“

Regelmäßig hat er in der Abteilung Serien Producing an der Filmakademie Seminare gehalten. Dort vermittelte er seinen Studierenden, was neben der Dramaturgie und den Produktionsfaktoren noch wichtig ist, um einen guten Job zu machen. „Der Kontakt zu Redakteuren ist wie eine Ehe, alles beruht auf einem Vertrauensverhältnis“ – und die wichtigste Voraussetzung zum Aufbau von Vertrauen ist es, sein Handwerk zu beherrschen. Dazu zählen neben den praktischen Fertigkeiten aber auch psychologische Aspekte. Es braucht die Fähigkeit, einen Konsens zu finden, wenn beispielsweise Konflikte zwischen Kreativen gelöst werden müssen. Genauso braucht es das Fingerspitzengefühl, „an der richtigen Stelle auch mal den Mund zu halten.“ Es geht eben nicht darum, Recht zu haben, sondern darum, gemeinsam den bestmöglichen Film zu drehen.

Stefan Retzbach sagt selbst von sich, er sei ein kommerzieller Produzent und stößt damit eine weitere Debatte an. Vor allem in Deutschland sei es üblich, Kunst und Kommerz gegeneinander auszuspielen, während beides in anderen Ländern miteinander einhergehe. Der deutsche Markt sei ohnehin schwierig, es gebe zu wenig Programmslots für die Anzahl an Produktionsfirmen. Deshalb auch der Blick über den Tellerrand hinaus – 1,4 Milliarden Chinesen lieben Popcorn und Action. Die Referenzen seiner Firma sind optimal. Insgesamt acht Mal gewann Action Concept seit 2003 den Taurus World Stunt Award in der Kategorie „Beste Action in einem ausländischen Film“.

Wie die Zukunft des Fernsehens aussieht, kann zwar nicht vorausgesagt werden, Retzbach glaubt aber an eine Parallelexistenz von Streaming-Diensten und Linear-Fernsehen. So gebe es die heranwachsende Generation, die fast nur noch Englisch schaut und mit der Primetime 20:15 Uhr nicht mehr sozialisiert ist. Dann gebe es das zahlungskräftigere Klientel mit einem oft höheren Bildungsgrad, die sich Serien über Video on Demand von Anfang bis zum Ende anschaut. Außerdem gebe es noch bestehende Rituale wie „Sonntags ist TATORT-Tag.“ „Der deutsche Zuschauer ist sehr konservativ und somit haben Macher und Nutzer oft Angst vor Neuem.“

Stefan Retzbach zeichnet sich durch seinen lockeren Umgang mit Menschen und Gruppengefügen aus. Zwar hat er als Produzent mehr im Hintergrund als direkt am Set zu tun, dennoch ist er immer mit dabei, zeigt sich und baut Beziehungen zu den Kreativen auf. „Wenn du bei Regen und Kälte mit draußen stehst, dann respektieren dich die Leute anders.“

Nun ist es an der Zeit, sich neuen Stoffen und den Herausforderungen der heimischen Medienlandschaft zu stellen. So hat Stefan Retzbach 2015 das erste Mal für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gearbeitet und einen Krimi in Athen produziert. 2016 stehen zusätzlich China und die Weltmärkte auf der Agenda ganz oben – denn das Action-Genre kennt keine kulturellen Barrieren oder gesellschaftlichen Grenzen. Es funktioniert überall auf der Welt und bietet somit enormes Wachstumspotenzial.

Stefan Retzbach hat sein Genre gefunden. Er liebt die Action - im Film ebenso wie in seiner beruflichen Tätigkeit als Produzent.

Alumni-Profil

Autorin: Ann-Katrin Boberg