Silvana Santamaria, Absolventin Regie/Dokumentarfilm

Niemals aufgeben

Dokumentarfilm hat Silvana Santamaria zunächst überhaupt nicht interessiert. Sie war auf einer Schauspielschule und wollte anschließend szenische Regie studieren. Das änderte sich, als sie als Gasthörerin an einem Filmakademie-Seminar teilnahm. „Ich erinnere mich, dass ich an diesem Tag zum ersten Mal bewusst einen künstlerischen Dokumentarfilm gesehen habe. Es waren außer mir gerade mal fünf Studenten und drei Dozenten anwesend, die wild miteinander diskutierten. Die ganze Stimmung hat mir sofort gefallen. Es wurde neben der Form auch viel über Inhalte diskutiert; es ging um soziale Themen, aber auch um Politik und Kunst, das fand ich spannend, auch als Input für das szenische Arbeiten.“ Silvana Santamaria blickt auf den Anfang einer aufregenden Zeit zurück.

Über acht Filme sind während ihres Studiums an der Filmakademie entstanden, fünf davon in Koproduktion mit Sendern und Förderanstalten. Auf dem Papier hat sie ihr Diplom in Regie/Dokumentarfilm gemacht, aber man gewinnt den Eindruck, als habe sie aus den sechs Jahren Studium weitaus mehr herausgeholt.
„Ich wollte am liebsten alles mitnehmen. Meine Tage waren von morgens bis nachts gefüllt.“ Neben ihren erfolgreichen Dokumentarfilmen STATUS GEDULDET (Europäischer Civis Medien Preis 2008) und NIRGENDWO.KOSOVO (Max Ophüls Preis-Gewinner 2010) führte sie Regie in vielen szenischen Kurzfilmen, wie z.B. dem viel beachteten IHR BRIEF ZUR HOCHZEIT mit Corinna Harfouch.

Silvana lernte während ihrer Studienzeit mit Kamera und Montage umzugehen, auch aus der Erkenntnis heraus, dass es sich lohnt, als Filmemacherin unabhängig zu bleiben. „Es ist toll, dass man während der Studienzeit ganz viel ausprobieren und seine künstlerischen Fähigkeiten weiterentwickeln kann. Aber es muss auch klar sein, dass man später vielleicht zwei, drei andere Standbeine braucht.“ Das Ziel blieb für sie aber immer, selbst Regie zu führen.

Um das als ernst zu nehmende Zukunftsperspektive anzugehen, überlegten Silvana Santamaria, Catalina Flórez, Inga Bremer und Ayla Gottschlich bereits während ihres Studiums 2008, eine Produktionsfirma zu gründen. Nach ihrem Abschluss 2010 konzentrierte Silvana sich aber zunächst auf ihre eigenen, laufenden Projekte. Die gemeinsame Idee wartete vier Jahre lang geduldig wie ein Saatkorn und brachte 2012 in Berlin die Film- und Werbeproduktionsfirma Soilfilms ans Licht.

„Wir waren damals ein bisschen blauäugig. Wir fragten uns schlicht: Mit welchen Menschen möchte ich meinen Alltag verbringen. Wir waren seit dem ersten Jahr an der ‚Aka’ gut befreundet, hatten denselben Wunsch, politische, soziale und gesellschaftliche Themen in den Vordergrund zu stellen, und vor allem vertrauten wir auf unsere gemeinsame Stärke als Filmemacherinnen.“ Aber wer übernimmt die Aufgaben in der gemeinsamen Produktionsfirma, wenn sich vier ausgebildete Regisseurinnen zusammentun? Von Verwaltung über Büroarbeit und Networking war nun von den Gründerinnen weit mehr als nur ihre Regie-Erfahrung gefragt. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass alle unterschiedliche Begabungen hatten und jede von ihnen etwas anderes in die Firma einbringen konnte. „Ich hatte Interesse, mich um Kalkulationen und Finanzierungspläne zu kümmern.
Jemand anderes wollte sich lieber um die Verwaltung oder die Büroarbeit kümmern.
Zu Sendern und Vertrieben hatten wir zum Teil sowieso unterschiedliche Kontakte. Das hat sich ganz gut ergänzt, ohne dass wir das bei der Gründung so genau wussten.“

Catalina und Silvana übernahmen zunächst die produzentischen Aufgaben, um dann abends oder am Wochenende an ihren eigenen Filmprojekten zu arbeiten. „Wir wussten theoretisch, wie man etwas produzieren kann, aber wir hatten das in der Praxis noch nie gemacht. Plötzlich fühlte man sich wieder wie im Studium. Ich habe jeden Tag etwas Neues gelernt. Es war viel Learning by Doing.“
Aus heutiger Sicht hätte sie gerne mehr Produktionsthemen in ihrem Studium mitgenommen: „Es ist gut zu wissen, wie ich mein Budget zu verwalten habe, welche Förderkonstellationen möglich sind und was für eine Verantwortung ich als Regisseur übernehme. Genauso anders herum. Als Produzent muss man verstehen, welche Prozesse der Regisseur durchmacht.“

Seit 2013 produzieren sie mit Arte, ZDF und BR ihre ersten Langfilmproduktionen.
Doch schon zu Beginn bauten die Vier zu ihrer Filmproduktion als weiteren Angebotszweig eine Werbe- und Serviceproduktion auf, die sich an Animationsstudios, internationale Filmproduktionsfirmen und Werbeagenturen richtet. „Wir waren von Anfang an offen und flexibel. Wir waren bereit, uns in neue Bereiche einzuarbeiten. Sonst hätte unsere Firma niemals funktioniert.“ Die gut budgetierten Werbe- und Serviceaufträge sichern nicht nur das Einkommen der mittlerweile fünfköpfigen Firma, sondern auch die Finanzierung eigener Projekte. „Man hat mit der Firma ein Zuhause gefunden und ist trotzdem viel unterwegs. Die Firma gibt mir eine gewisse Sicherheit und Freiraum.“ 

Die Vernetzung mit anderen Filmschaffenden war nach dem Studium das allerwichtigste. „Durch das Netzwerk haben wir die meisten Jobs bekommen, weil wir weiterhin mit unseren Kommilitonen von damals zusammen arbeiten, zum Beispiel mit unseren Freunden von Polynoid/Woodblock, die unsere Arbeit von Anfang an unterstützten. Solche Verbindungen bauen sich nur während des Studiums auf. Hier lernt man am besten die anderen Studenten kennen. Man kann ein Vertrauensverhältnis aufbauen und die Arbeitsweise des anderen schätzen lernen.“ Silvana blieb auch nach ihrer Studienzeit mit der Filmakademie eng verbunden. So arbeitete sie von 2014-2016 als Producerin und Produktionsleiterin für David Rufs Diplom-Langspielfilmprojekt LAND OF LIGHT, wofür das ganze Team wochenlang an der türkisch-syrischen Grenze drehte. „Die Dreharbeiten waren mit Sicherheit eine meiner intensivsten Dreherfahrungen.“

Aktuell arbeitet Silvana mit Soilfilms an ihrem ersten Langspielfilm als Regisseurin, wofür sie bereits einen Sender und einen Verleih überzeugen konnte. Dennoch bleibt es ein langer Weg bis zum fertigen Film. Alles entwickelt sich langsamer, wenn man an mehreren Fronten kämpft, wie es Silvana tut. „Du musst viele Absagen, viele ‚Neins’ hinnehmen. Mit Misserfolg umgehen lernen. Aber egal, was für Widerstände kommen, du musst weiter an dich glauben.“ Erfahrungsgemäß kommt man dann an sein Ziel, es sei denn, man gibt vorher auf. Aber Aufgeben war noch nie Silvanas Stil.

Alumni-Profil

Autorin: Caroline Reucker