Roman Vital, Absolvent Montage/Schnitt

Die Angst des Filmemachers vor dem Zuschauer

„Auch wenn der physische Akt des Filmemachens, der Dreh, ein lebendiger und bevölkerter ist, so ist Film doch eher was Feines, Geheimes, das davor erst in einem ruhigen Moment in einem Kopf entstehen muss“, sagt er an diesem Spätsommerabend oberhalb des Gewusels der Menschenmassen am Zürcher Hauptbahnhof. Sagt der Schnitt-Alumnus der Filmakademie Baden-Württemberg. Sagt der Filmemacher Roman Vital. „Und dieses Geheime dann mit jemandem zu teilen, kann beängstigend sein.“

Diesem Gefühl ist Roman während seines Studiums an der Filmakademie immer wieder begegnet, in den unterschiedlichsten Formen. Er beschreibt die Zeit als ungemein „lehrreich.“ Er habe viele handwerkliche Fertigkeiten erlernt, aber auch Filmtheorie und Filmsprache näher betrachten können. „Zuerst war es aber ein kleiner Schock, als ich an die Aka kam“, erzählt Roman rückblickend. Seine ersten Berührungen mit dem Medium Film waren zuvor „klassisch“, Super 8-Filme mit Freunden gedreht. Dann, nach einem Kommunikationswissenschafts- und

Journalistikstudium in Fribourg und ein paar Filmarbeiten später, habe er sich ins Blaue hinein in Wien und Ludwigsburg beworben. Vielleicht hätte er lieber nach Wien gewollt, aber schon lag die Einladung aus dem Schwäbischen im Briefkästle. 2000 begann er dann sein Studium. „Ich habe in Stuttgart-Möhringen gewohnt und habe oft den Koller bekommen und mit dem Gedanken gespielt aufzuhören. Das Problem war, dass ich als Bergbube plötzlich in einem Hochhaus aus Beton fernab der Filmakademie leben musste, bis ich in Ludwigsburg ein Zimmer fand; dass die Sprache und die Kultur viel fremder waren, als ich mir das vorgestellt hatte. Der Weg dorthin war mühsam, da wir Tage und Nächte lang am Filmen waren...“ Aufgehört hat er glücklicherweise nicht und fand unter anderen in Raimund Barthelmes und Clara Fabry zwei Dozenten, die ihn nachhaltig beeindruckten und beeinflussten. „In mir wuchs der Wunsch, die Filmsprache verstehen zu wollen, zu beherrschen. Auch die rein visuelle Seite durch die Kameraarbeit.“ Seine Ausbildung beendete er schließlich in den Bereichen Montage/Schnitt sowie Dokumentarfilm.

Seinen Weg angesichts erfolgreicher Kommilitonen, die nach Berlin eingeladen werden und öffentlich gefeiert werden, zu finden, war nicht immer leicht. Der innere Druck wuchs anfangs stetig. „Die erste Präsentation war dann ein ‚defining moment’. Ich lernte, dass ich einfach auf mich schauen muss. Das Eigene finden, denn jeder hat seine eigenen Themen und Motive.“ Ohnehin wurde Roman bewusst, wie wichtig Feedback dafür ist. Wenn einer bloß „ist interessant“ sagte, begann er nachzuhaken, wollte die kleinsten Moleküle verstehen.

Die Projektarbeit brachte dabei natürlich am meisten Erfahrung und Wissen. Besonders sein Diplomfilm BARRIO PABLO ESCOBAR, der seine produktionstechnischen Schwierigkeiten hatte, wurde zum spannenden Moment. Er sah sich 80 Stunden Filmmaterial gegenüber und musste intensiv die Geschichte darin suchen, die Erzählung bauen. Vor Ort war auf einmal alles anders gewesen als geplant.

So entstanden im Schnittraum viele ruhige Momente des Feinen und Geheimen. Der Schnittraum ist doch auch die Schnittstelle zum Zuschauer. Roman fühlte sich als Übersetzer, Dolmetscher. Und fragte sich immer wieder: „Ist das gut? Versteht der Zuschauer, was der Film zeigen will?“

Heute sieht Roman diese Ängste als wichtigen Motor. Denn mit der intensiven Arbeit kommt normalerweise sowieso irgendwann der Erfolg, äußere Bestätigung braucht jeder einmal. Romans Kurz- und Langfilme wurden mittlerweile auf mehreren Festivals gezeigt und ausgezeichnet. Und als 2013 sein Kinodebüt LIFE IN PARADISE – ILLEGALE IN DER NACHBARSCHAFT Premiere feierte, war dies ein ganz besonderer Augenblick für ihn. Man solle keine Berührungsängste haben und „einfach machen.“

In ihm selbst verspürte er während des Studiums nach und nach den Drang, selber etwas aufzubauen, Produzent zu sein. So gründete er nach dem Diplom bald mit einem Freund zusammen die Produktionsfirma Klubkran, beheimatet in Zürich. Hier lässt er Auftragsarbeiten entstehen und versucht so ebenfalls klassisch, Herzensprojekte quer zu finanzieren. Etwa das Porträt über den schnellsten Jodler der Welt im Kampf gegen einen russischen Kampfjet, oder Dokumentarfilme, die Land und Leute rund um seine Heimat Europa aus einer anderen Perspektive betrachten.

Parallel arbeitete Roman freischaffend als Editor für Fernseh- und Kinoproduktionen, wie HELLO GOODBYE oder den 2010 als „Bester Schweizer Fernsehfilm“ prämierte HUNKELER – UND DER FALL LIVIUS von Stefan Jäger, seinem ehemaligen Mentor an der Filmakademie. Außerdem führte er Regie bei zwei beliebten Doku-Reihen des Schweizer Fernsehens. „Es geht“, schmunzelt Roman auf die Frage, ob man als Filmemacher in Zürich, einer der teuersten Metropolen der Welt, überleben kann.

Die Angst des Filmemachers vor dem Zuschauer scheint also doch nicht ganz ungesund zu sein, zumindest hat Roman einen gesunden Umgang mit ihr. Sie treibt ihn an, macht ihn empfindsam.

„Es ist kein einfaches Berufsfeld. Da hilft es einfach, privat gesettled und entspannt zu sein.“ Eine Erkenntnis, die man nach vier Jahren Filmakademie immer wieder hört und die wichtig ist zu betonen. Eine Erkenntnis, die nicht früh genug kommen kann. Wer während der Filmakademie viele Festivalauftritte hat und Preise gewinnt, ist nicht unbedingt draußen ein Star. Und: Es ist nicht das Wichtigste, ein Star zu sein. Lieber einen Film über einen Highspeed-Jodler machen.

Alumni-Profil

Autor: Marc Vogel

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