Ralf Wienrich, Absolvent Filmmusik
„Geschichte, Bilder und Musik gehen zusammen auf.“
Seine Liebe zur Musik entdeckte Ralf Wienrich beim Klavierspiel, das er mit fünfzehn Jahren begann. „ Das hat mir einen richtigen Impuls gegeben. Ich wusste plötzlich, dass ich auch später etwas mit Musik machen möchte.“ Also nahm er zunächst Klavier- und Orgelunterricht und entdeckte dabei schon bald die Vielfalt an Möglichkeiten, die die Musik bot. „Ich wollte spielen, komponieren, improvisieren.“
In Weimar studierte Wienrich Klavier und Komposition und las kurz vor seinem Abschluss dort an einem Studentenbrett eine Anzeige für den Studiengang Filmmusik der Filmakademie Baden-Württemberg. „Das klang für mich nach etwas völlig Neuem. Ich hatte zwar schon viele Melodien nachgespielt und aufgeschrieben – aber bis dahin hatte ich noch nie konkret geplant, Komponist für Filmmusik zu werden. Diese Art der Komposition hat mich jedoch sehr interessiert.“
Als frisch eingeschriebener Filmmusikstudent der Filmakademie erlebte Wienrich das Studium und das Campusleben als sehr lebendig. „Die Atmosphäre dort war wirklich erfrischend. Es gab viel ‚Work in Progress’, und es herrschte nicht so eine eingefahrene Stimmung wie an vielen anderen Hochschulen. Das Konzept der ‚Aka’, dass alle Filmgewerke unter einem Dach sind, von Regie über Produktion, Drehbuch etc., hat sich auch im Rückblick als sehr positiv herausgestellt. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dort in den richtigen Händen zu sein.“
Vor allem die praktischen Aspekte des Studiums, die Projekte und Kontakte, seien ihm für seinen Berufsweg sehr hilfreich gewesen. „Sowohl die Rolle, die man sich während des Studiums dort erarbeitet, als auch die geknüpften Kontakte zu Kommilitonen, die inzwischen etablierte Filmemacher sind, haben mir unheimlich viel gebracht.“
Dank seiner Filmprojekte konnte Ralf Wienrich schon während seines Studiums viele Erfahrungen in der Komposition und Produktion von Filmmusik sammeln. „Meine Zeit an der Filmakademie hat mir wahnsinnig viel gebracht. Ich habe dort rund vierzig kurze bis mittellange Filme vertont, somit hatte ich gleich nach dem Studium schon eine große Menge an Material für mein Showreel.“ Auch die Aufnahmen mit dem Filmorchester Babelsberg, die ihm als Student ermöglicht wurden, stellten einen Kontakt her, der bis heute erhalten geblieben ist. „Bei den Einspielungen in Babelsberg habe ich enorm viel gelernt und nehme bis heute dort hin und wieder Filmmusik auf.“
Gerüstet mit viel Handwerkszeug, gesammelten Erfahrungen und den Kontakten zur Filmbranche, startete Wienrich ins Berufsleben. „Der Berufseinstieg lief bei mir absolut ‚smooth’, obwohl ich einfach ins kalte Wasser gesprungen bin. Als ich mein Diplom 1998 machte, gab es gerade diesen riesigen Boom in der Medienwelt. Es entstanden viele neue Filmfirmen, der Markt war total offen für Neues, und es gab Budget ohne Ende. Das ist kein Vergleich zu heute. Inzwischen werden von den Medienhochschulen so viele Absolventen auf den Markt geworfen, dass die Konkurrenz nun viel höher ist.“ Wienrich selbst erhielt direkt nach seinem Diplom die Möglichkeit, die Musik für ein Independent Movie aus Los Angeles zu komponieren, und kurz darauf wurde er für einen ProSieben-Film angefragt. „Das war natürlich ein super Einstieg.“
Heute lebt und arbeitet Ralf Wienrich hauptsächlich in Leipzig. „In unserem Job ist es ja ziemlich egal, wo man lebt. Bei manchen Projekten kommuniziert man nur noch über Mails und Datenaustausch“, erzählt er, „und in Leipzig fühle ich mich sehr wohl. “Hauptsächlich komponiert Wienrich für Kino und Fernsehen, hin und wieder nimmt er auch an kleineren konzertanten Projekten teil. So hat er zum Beispiel schon mehrfach Werke für das Universitätsorchester Thüringen unter der Leitung von Sebastian Krahnert geschrieben. „In den letzten Jahren habe ich überwiegend fürs Fernsehen komponiert, oft dann auch mit Orchester.“ Als freiberuflicher Komponist sei es für ihn sehr wichtig, sich seine Zeit ganz genau einzuteilen. „Ich habe beispielsweise feste Zeiten, zu denen ich nur komponieren kann, das ist von 8:30 Uhr bis 14:30 Uhr. Danach kann ich dann noch Musik editieren und abmischen, aber nicht mehr komponieren“, lacht er. „Das hat sich mit der Zeit so entwickelt. Ich war nie ein Nachtarbeiter, höchstens gezwungenermaßen, als ich noch nicht so fit im Zeitmanagement war.“
Ein Projekt, an das Ralf Wienrich besonders gerne zurückdenkt, ist der ARD-Fernsehfilm LEBEN WÄRE SCHÖN (Regie: Kai Wessel, 2003). Auch hierfür hat er die Musik mit dem Filmorchester Babelsberg aufgenommen. „Da ist die Musik genau so, wie es der Film braucht, auch mit leicht impressionistischen Anklängen. Der Film funktioniert einfach super: Geschichte, Bilder und Musik – alles geht zusammen auf.“ Inzwischen komponiert Wienrich auch gern im Team. „Anfangs wollte ich viel alleine arbeiten, man nimmt sich zu Beginn oftmals viel zu wichtig. Mittlerweile kooperiere ich sehr gerne mit Kollegen, das ist unheimlich bereichernd. Häufig habe ich schon mit meinem Komponistenkollegen Eckart Gadow zusammengearbeitet. Er hat ein Jahr nach mir an der Filmakademie begonnen, und wir sind ein gutes Team.“
Kann ein Filmmusikkomponist, der zahlreiche Filme für Kino und Fernsehen vertont hat, überhaupt noch Filme zur Entspannung sehen? „Auf jeden Fall“, sagt Wienrich. „Ich schaue sie auch aus Neugier. Während meines letzten Aufenthalts in Los Angeles hatte ich die tolle Möglichkeit, in zwei Monaten rund vierzig Filme im Kino zu sehen. Wenn es ein guter Film ist, blendet man die Musik automatisch aus. Wenn es ein schlechter Film ist, achte ich ganz bewusst auf die Musik, dann wird es nicht so langweilig“, lacht er.
Autorin: Meike Katrin Stein
Copyright Foto: Kirsten Nijhof