Philipp Kadelbach, Absolvent Werbefilm

„Es ist die größte Genugtuung, wenn ein Film im Schnitt zu einem spricht.“

„Film ist mein Leben, ich liebe den gesamten Prozess und möchte jeden Film bis zum Ende begleiten“ - was durch zeitliche Überschneidungen verschiedener Produktionen mitunter schwierig ist. Philipp Kadelbach tut es trotzdem. Derzeit ist er in London und befindet sich in der Postproduktion der neuen BBC-Miniserie SS:GB, die im kommenden Jahr ausgestrahlt wird.

Der in Frankfurt am Main Geborene wusste schon früh, dass Film „sein“ Medium ist, für das er arbeiten möchte. Als Kind musste er sich das Zimmer mit seinen zwei jüngeren Brüdern teilen und ging gezwungenermaßen früh ins Bett. Eine unausgesprochene Abmachung war aber, dass er, sobald seine Geschwister schliefen, wieder aufstehen und mit seinem Vater zusammen Filme schauen durfte. So war es vor allem sein Vater, der selbst nie die Chance zum Filme machen hatte, der Kadelbach dazu brachte, eine enorme Liebe zum Film zu entwickeln. „Lief der Fernseher, so lief auch mein Vater. Er hat mir immer Hintergrundinformationen zu den Filmen gegeben und mir aus der Filmgeschichte erzählt.“

Zunächst war es im Besonderen die Werbung, die ihn viele Jahre als Regisseur beschäftigte. Nach dem Abitur ging Kadelbach in die Vereinigten Staaten, arbeitete bei der Fernsehstation WQED in Pittsburgh und besuchte nebenbei die „Filmmaker’s School“. Zurück in Deutschland, arbeitete er 1995 für die Werbeproduktionsfirma Neue Sentimental Film als Werbefilm-Editor. „Ich begann zu der Zeit, als der Umschwung von analog zu digital stattfand und habe mich immer mehr in die Materie hineingearbeitet.“ Letztendlich hat ihn die Firma losgeschickt, sich auch als Werberegisseur zu betätigen.

Parallel zu seiner Tätigkeit in Frankfurt ging er seinem ursprünglichen Wunsch nach und bewarb sich in Ludwigsburg an der Filmakademie. Sein Bewerbungsfilm eine Provokation: Eine Geschichte über einen Bewerber, der einen Bewerbungsfilm zeigt, während die Jury ihn und seinen Film hinter seinem Rücken auseinandernimmt. Professor Ade überreichte Kadelbach die DVD und sagte: „Es ist genauso, wie sie es dargestellt haben“, und damit war er aufgenommen.  

Kadelbach arbeitete von nun an die Hälfte der Woche als Werberegisseur und verbrachte die andere Hälfte als Filmstudent. Damit war er nie der typische Filmakademie-Student. Er erledigte die Pflichtveranstaltungen, verbrachte darüber hinaus aber keine Zeit in Ludwigsburg. „Ich habe meine Zeit an der Filmakademie leider nicht ausgeschöpft. Ich halte sehr viel von der Institution, die einem die Möglichkeit gibt, sich frei auszuprobieren, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen und dabei sich selbst zu finden“, so der 41-Jährige. Geprägt hat ihn dennoch der Unterricht bei Volker Schlegel - Werbefilm-Produzent und auf seinem Gebiet „ein absoluter Vollprofi“, der die Ideen der Studierenden auseinandernahm und somit produktiven Druck ausübte.

Trotzdem war sein Zweitjahresfilm PLATONISCHE LIEBE vielmehr ein Gag – zwar räumte der Film internationale Preise ab und lief auf der Berlinale, aber letztendlich „hatte ich nichts zu erzählen, ich war einfach noch zu jung und zu unerfahren.“ Sein längerfristiges Ziel war immer, Spielfilme zu inszenieren, doch dafür wollte er selbst erst mal so weit sein und entschied sich somit für die Werberegie im Projektstudium.

Mittels der zahlreichen Werbedrehs erlernte Kadelbach das filmische Handwerk, wie Technik und Ästhetik zusammenkommen. „Irgendwann hatte ich das Gefühl, mich nicht mehr weiter zu entwickeln und versuchte das Konzept des Werberegisseurs, wie es zu dem damaligen Zeitpunkt auf dem Markt bestand, zu verändern. Ich wollte unterschiedliche kreative Interessen zusammenbringen, um einen längeren und intensiveren Austausch über die jeweiligen Projekte zu stärken.“ So arbeitete er vor allem nach Abschluss der Filmakademie mit dem Bildgestalter Thomas Dirnhofer unter dem Pseudonym „Begbie“ zusammen und realisierte an die 300 Werbefilmproduktionen.

Letztlich war es der mit ihm befreundete Produzent Sascha Schwingel, mittlerweile Degeto-Redaktionsleiter im Fiction-Bereich, der Kadelbach die Inszenierung seiner ersten Fernsehproduktion UNSCHULDIG (2007/08) ermöglichte. „Ich hatte keine Ahnung von Dramaturgie, emotionalen Bögen und Rhythmus. Ich empfand die Zeit als eine extrem lehrreiche Reise.“ Auch der folgende zweiteilige Umweltkrimi DAS GEHEIMNIS DER WALE (2010) versteht Kadelbach als Lernerfahrung. „Der Dreh war Wahnsinn, 70 Tage Kapstadt – und noch während des Drehs gab es kein festes Drehbuch.“ Aber sein Handwerk schien zu überzeugen. Zusammen mit Sascha Schwingel drehte Kadelbach dann den Katastrophen-Zweiteiler HINDENBURG (2011) und konnte von seinen Erfahrungen aus den vorherigen Produktionen profitieren. Großer Wermutstropfen des Projekts: Kadelbach drehte den Stoff, der einen Teil deutscher Geschichte darstellt, in englischer Sprache, nur um den kompletten Film in der Postproduktion wieder auf Deutsch zurück zu synchronisieren. Ein wichtiger Geldgeber und amerikanischer Koproduzent bestand darauf. Und das, „obwohl die Amerikaner nach dem Dreh sowieso den gesamten Film mit eigenen Sprechern nachsynchronisieren“, erzählt Kadelbach lachend. Immerhin erhielt der Film den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Bester Fernsehfilm / Bester Mehrteiler.“

Nico Hofmann, Geschäftsführer der UFA, erkannte damals die ansteigende Lernkurve von Kadelbach und wollte ihn für den ZDF-Dreiteiler UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER (2013) als Regisseur. „Die Zusammenarbeit war einfach gut, wir hatten ein lange entwickeltes Drehbuch, gute Figuren, und auch ich habe fühlbar bessere Arbeit geleistet.“ Der Film wurde in über 100 Länder verkauft und gewann eine Vielzahl an Preisen. Auszeichnungen sind aber nicht das, was Philipp Kadelbach antreibt. „Es ist die größte Genugtuung, wenn ein Film im Schnitt zu einem spricht, wenn man merkt, es nimmt Form an.“ Es sind emotionale Entwicklungen, die ihn interessieren, wofür sich Serien sehr gut eignen. Vor allem von Nico Hofmann bekam er im Schnitt oft hilfreiches Feedback. Hofmanns Gespür bei der ersten Schnittsichtung liefert Kadelbach wertvolle Hinweise für die Entstehung und Weiterentwicklung eines Filmes. „Nichts ist wichtiger beim Schnitt als das Gespür des ‚ersten’ Sehens.“

Kadelbachs Leben ist vier Jahre im Voraus verplant. Die einzige Chance, damit zurechtzukommen: „Man muss sich entspannen und die Dinge auf sich zukommen lassen. Ein Film kostet mich in der Regel mindestens ein Jahr meines Lebens. Bei soviel Zeit sollte es schon ein Film mit einer Geschichte sein, die zu mir spricht, mich berührt und bei der es nicht allein auf den Prozess des Filmemachens ankommt. Geschichten definieren und rechtfertigen eine filmische Übersetzung.“ Diese Gelassenheit ist das Ergebnis seiner langjährigen Arbeit.

Wo er als junger Filmemacher das Gefühl hatte, selbst nicht aus persönlichen Geschichten und Erfahrungen schöpfen zu können, hat er sich mittels Ruhe, Bodenständigkeit und dem Vertrauen in sein ureigenes, intuitives Gefühl seine heutige Position als Regisseur erarbeitet - eine Wirkungsgeschichte, an der er stetig gewachsen ist und immer noch wächst. 

Alumni-Profil

Autorin: Ann-Katrin Boberg