PASCAL SCHMIT, ABSOLVENT BILDGESTALTUNG/KAMERA (2005)

Die süßen Stücke des Kuchens richtig platzieren”

Den Kern eines Films zu durchdringen, macht für Pascal Schmit gute Kameraarbeit aus. Er probiert gerne Neues aus und hat von Musikvideos über Werbe- und Spielfilme schon allerlei Themen mit der Kamera ausgelotet.

Während am Potsdamer Platz das Schaulaufen um die Berlinale seinen Höhepunkt findet, sitzt Pascal Schmit in einem Café in Berlin Mitte und blickt bei einem schnellen Mittagessen auf die Anfänge seiner Karriere zurück. Pascal machte 2005 sein Diplom an der Filmakademie und lebt heute in der Hauptstadt. Spielfilme wie der mit zwei „Lolas“ ausgezeichnete Kinofilm ZEIT DER KANNIBALEN und Werbespots für namhafte Unternehmen tragen seine Handschrift als Bildgestalter ebenso wie zahlreiche Musikvideos. Die Berlinale konnte er dieses Jahr nur am Rande verfolgen, erzählt er, denn zuhause findet gerade ein viel spannenderes Projekt statt: Sein zweites Kind kam vor wenigen Wochen zur Welt. Für das Familienleben hat er in seinem Kalender etwas Platz geschaffen.

Die Arbeit als Bildgestalter ist für Pascal Geschichtenerzählen. Menschen in fremde Welten zu katapultieren, Freuden, aber auch Ängsten Gestalt zu verleihen, begeistert ihn seit jeher. Die „Magie des Kinos, Menschen alles um sie herum vergessen zu lassen“ treibt ihn, den Sohn einer deutschen Mutter und eines französischen Vaters, an.

Beim Herumknipsen mit der ersten Kamera fängt er als Jugendlicher Feuer für die Fotografie. „Ich habe so viel geknipst, wie das Taschengeld zuließ – Abzüge waren damals teuer“, sagt er und lacht. Der erste Kinobesuch ist für ihn ein einschneidendes Erlebnis: DIE UNENDLICHE GESCHICHTE weckt seine Faszination zur Leinwand. Mit der Super 8-Kamera seines Vaters zu experimentieren, wird seine neue Lieblingsbeschäftigung, die Dunkelkammer sein neuer Lieblingsort. Hier entwickelt er Fotos und entdeckt die Physik hinter den schönen Bildern.

Er bewirbt sich „recht blauäugig“ an der Filmakademie und wird erstmal abgelehnt. Ein paar Kameraassistenzen und Beleuchter-Jobs später versucht er sein Glück erneut – und darf antreten. In fünf Jahren Studium und vielen unterschiedlichen Filmprojekten lernt er dann alle Facetten des Filmemachens kennen. Das heißt vor allem: Drehen, drehen, drehen. „Die Zeit an der Aka war magisch. Alle brannten für dasselbe Feuer, dieselbe Euphorie – das Filmemachen“, erinnert er sich. Die gute Zusammenarbeit an der Filmakademie setzt Pascal bis heute fort – er arbeitet oft mit anderen Alumni der Ludwigsburger Filmschmiede zusammen.

Als Mentorin nennt Pascal im Rückblick Kameradozentin Yolanta Dylewska, die „immer die richtigen Umschreibungen“ für ihre Botschaften gefunden habe. Das Kuchen-Gleichnis zum Beispiel. Pascal erinnert sich: "Wisst ihr, Film ist wie eine Torte – sie muss was hergeben von außen, aber es ist wichtig, die süßen Stückchen innen drin gut zu platzieren." Dieser Satz und ihr „reizender polnischer Akzent“ haben sich in sein Gedächtnis gebrannt.

Dass an der Filmakademie alles möglich ist und über Grenzen hinweg gearbeitet wird, empfand Pascal als großen Vorteil. Auch heute finden sich ganz unterschiedliche Projekte in seinem Portfolio, viele davon bringen ihn ins Ausland. „Ich komme jedes Mal mit einer neuen Idee, neuen Einblicken und Einsichten zurück“, erzählt er. Mit dem Stuttgarter Kult-Sänger Max Herre schlenderte er durch Pariser Gassen, für Werbespots von Automobilherstellern inszeniert er Sehnsuchtsorte wie Kapstadt.

Der Dreh des Kinofilms ZEIT DER KANNIBALEN mit Regie-Alumnus Johannes Naber war für Pascal eine besondere Erfahrung. Das Projekt lief in der Vorbereitung nicht ganz wie geplant und hat den beiden einige Lektionen mitgegeben – immer flexibel zu bleiben und pragmatische Lösungen zu finden, etwa. „Eine erhoffte Förderung klappte nicht, und kurzzeitig war unklar, ob der Film überhaupt zustande kommt. Wir mussten also Geld sparen. Für unsere Hotelzimmer-Studiosets waren aufwändige Projektionen für die Darstellung der Hintergründe geplant. “ Das Filmteam steckt die Köpfe zusammen und wird erfinderisch: Statt aufwändiger Projektionstechnik machen sie eine graue Kartonwelt zur Filmkulisse. „Manchmal kam es uns vor wie eine Übung im Studienfach Filmgestaltung an der Akademie. Es war toll, diese surreale Kulisse anzuordnen, verschieden zu beleuchten und sie in den Film zu integrieren. Wir waren wahnsinnig gespannt, ob unser Plan von der „grauen Außenwelt“ als Metapher aufgehen würde.“ Das tat er – und der Film begeisterte nicht nur Zuschauer, sondern auch Kritiker und Jurys.

Für ein Genre wollte und will Pascal sich nicht entscheiden – ist es doch gerade die Abwechslung in Tempo und Thema, die ihn motiviert. Egal, ob Dokumentarfilm oder Kinofilm: “Mir ist wichtig, dass mich die Idee fesselt”, sagt Pascal. Schließlich muss er als Bildgestalter hinter dem Thema stehen, das er einfängt. Nach einigen kleineren Projekten hat er 2016 die Bildgestaltung für die filmische Neuinterpretation des Märchens DAS KALTE HERZ von Wilhelm Hauff (ebenfalls unter der Regie von Johannes Naber) übernommen, die erfolgreich in deutschen Kinos lief.

Neben den vielen Aufträgen nimmt Pascal sich Zeit für Herzensprojekte: So unterstützt er ehrenamtlich ein Crowdfunding-Projekt, das Turnschuhe unter fairen Produktionsbedingungen herstellt. Mit Regie-Alumnus Christian Fischer setzt er die Treter in einem Werbespot in Szene – ohne Honorar. Denn neben dem Reisen und den vielen Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden, ist es das Gemeinschaftsgefühl beim Film, das Pascal die Liebe zu seinem Beruf bei jedem Projekt aufs Neue entdecken lässt.

ALUMNI-PROFIL

Autorin: Ana-Marija Bilandzija

Foto: Pascal Schmit