Neele Leana Vollmar, Absolventin Szenischer Film

Auf der Suche nach den Absurditäten des Lebens

„Ich bin ein Landei,“ sagt Neele Leana Vollmar von sich. Und das, obwohl die junge Regisseurin mitten in München Schwabing wohnt. Während sie ihren Job am besten in der Metropole ausüben kann, zieht es sie in ihrer freien Zeit auf das Land hinaus. „Die Gegend dort ist ein magischer Ort und gibt mir unheimlich viel Kraft.“ Die Energie und Begeisterung, die Vollmar ausstrahlt, wenn sie über ihren Berufsalltag erzählt, sprechen für sich. „Regie ist der tollste Beruf auf der ganzen Welt. Man darf immer etwas Neues lernen, reist an viele Orte und bleibt flexibel im Denken. Zusammen mit dem Team kann man Ideen spinnen.“

Die Faszination des Mediums Film packte Vollmar in frühester Kindheit: „Meine Mutter guckte gerne Ingmar-Bergman-Filme. Von ihr habe ich meine Begeisterung für Filme.“ Erste „Kaffee-Koch-Praktika“ beim Film gaben ihr schon als Schülerin Einblicke in das Filmgeschäft und formten den Wunsch, dort selbst tätig zu werden. „Nach dem Abi war für mich klar, dass ich beim Film arbeiten, einen Job hinter der Kamera haben wollte.“ Es folgten Praktika als Aufnahmeleiterin bei Serienproduktionen in Hamburg. „Von Spülmaschine bedienen bis hin zur Drehorganisation war da alles dabei. In Hamburg habe ich dann auch drei Monate in der Kamerawerkstatt gearbeitet. Das war sehr spannend, aber ich wusste hinterher, dass ich auch unbedingt dramaturgisch mit Schauspielern arbeiten wollte. Daher war klar, dass ich mich für Regie bewerben möchte.“ Als bei einem Projekt, an dem sie mitwirkte, plötzlich die Regieassistenz ausfiel und Vollmar kurzfristig einspringen durfte, festigte sich dieser Wunsch noch weiter: „Das war für mich ein Sprung ins kalte Wasser. Es folgten intensive und extrem lehrreiche Produktionen, von deren Erfahrungen ich noch heute profitiere.“

An ihre Studienzeit an der Filmakademie erinnert sich Vollmar sehr gerne zurück, nicht zuletzt an die Dozenten Tom Toelle und Michaela Rosen, die sie während ihres Studiums begleitet haben: „Ihnen habe ich am meisten zu verdanken, sie haben mich geprägt. Sie haben mir gezeigt, was es heißt, einen Film zu inszenieren und vor allem die Psychologie eines Schauspielers zu verstehen. Tom Toelle erzählte zudem immer gern, dass er lieber von Brot und Wasser lebe, als ein Filmprojekt anzunehmen, hinter dem er nicht zu 100% stehe. Und das gilt für mich bis heute. Ich muss für ein Projekt brennen.“ Auch die Gemeinschaft aller Studierenden an der Filmakademie untereinander erlebte Vollmar als sehr stark und bereichernd. „Mir wird es immer warm ums Herz, wenn ich andere Filmstudenten oder Alumni aus Ludwigsburg treffe.“

Zum positiven und zugleich produktiven Klima an der Filmakademie trage auch der Standort Ludwigsburg Entscheidendes bei, meint Vollmar. „Man hört ja öfter mal die Frage: Warum muss die Filmakademie gerade in Ludwigsburg sein und nicht beispielsweise in Berlin oder München? Dabei ist das gerade das Tolle daran: Das Studium an der Filmakademie ähnelt einem Internatsleben und die Leute, die man dort trifft, sind genauso euphorisch und leidenschaftlich wie man selbst. Die Verbindungen und Kontakte, die man dort aufbaut, sind die wichtigsten überhaupt. In Berlin oder München gehen alle nach dem Unterricht verschiedene Wege, in Ludwigsburg trifft man sich auf dem Hof und macht gemeinsam Musik.“

Für ihren Diplomfilm erhielt Vollmar eine Sondergenehmigung: Sie durfte ihn als Langfilm drehen, dafür wurde er aber nicht von der Filmakademie finanziert, sondern komplett vom ZDF. Der Film mit dem Titel URLAUB VOM LEBEN (2005) wurde auch nicht in Ludwigsburg, sondern in Bremen gedreht und öffnete ihr direkt den Weg ins Filmgeschäft. „Es hat nach dem Studium auch viel mit Glück zu tun, ob man die große Welle kriegt, die einen ins Berufsleben trägt.“

Seitdem dreht sie szenische Filme und Werbefilme, meist abwechselnd. „Das unterschiedliche Arbeitstempo, das sich aus der Kombination dieser beiden Genres ergibt, mag ich sehr gerne. Während du in der Werbung diese extreme Energie haben musst und zwei Wochen lang quasi Vollterror herrscht, hast du im szenischen Film die Zeit, in Ruhe einen Stoff zu entwickeln.“ Einer ihrer bekanntesten Spielfilme ist MARIA, IHM SCHMECKT’S NICHT (2009). Auch eine eigene Filmproduktionsfirma – Royal Pony Film – wird von ihr mitbetrieben. Mit ihr hat sie ziemlich bald nach ihrem Abschluss an der Filmakademie einen Langfilm selbst produziert. „Heute arbeitet Royal Pony Film allerdings nicht mehr autark, sondern immer in Zusammenarbeit mit anderen.“ Die Suche nach einem geeigneten Filmstoff bereitet Vollmar viel Freude. „Drehbücher schreibe ich selbst bisher keine, aber ich suche gerne die Themen für die Filme. Dafür beobachte und ‚belausche’ ich die Welt um mich herum. Die Absurditäten des Lebens sind meine größte Inspiration.“

Bis zum Frühjahr 2016 arbeitet Neele Leana Vollmar an dem Kinderfilm RICO, OSKAR UND DER DIEBSTAHLSTEIN, der im Mai 2016 in die Kinos kommen soll. Bereits den ersten Teil dieser Trilogie – RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN – hat Vollmar inszeniert und dafür den Bayerischen Filmpreis und auch den Deutschen Filmpreis bekommen. „Es ist etwas ganz Besonderes, einen Kinderfilm zu machen“, so Vollmar. „Man hat am Set jeden Tag nur fünf Stunden Zeit, um mit den Kindern zu drehen. Also muss man versuchen, in diesem kleinen Zeitfenster seinen Plan umzusetzen, was jedoch fast nie funktioniert, denn genau dann, wenn gerade noch die Sonne am Horizont zu sehen ist, kann man sicher sein, dass die Kinder sich streiten und nicht als Team vor die Kamera treten. Es bleibt also immer spannend und überraschend, was aber auch das Tolle daran ist.“ Auch der Gesamtatmosphäre einer Filmproduktion tun Kinder gut, so Vollmar. „Kinder sind direkt und authentisch, freuen sich und zeigen einem aber auch, dass ein Film nicht das Allerwichtigste auf der Welt ist. Einen Filmdreh sollte man eher als gemeinsame Reise bezeichnen.“

Fürs Frühjahr 2016 und die Zeit danach sind schon einige weitere Projekte geplant – jedoch keine Kinderfilme! „Ich darf noch nicht viel verraten, aber es wird unter anderem eine Romanverfilmung über eine alte Liebe und eine Tragikomödie, die sich um Verlust dreht, geben.“

Das Studium an der Filmakademie kann Vollmar jedem, der im Filmgeschäft tätig sein möchte, empfehlen: „Es ist gut, dass man dort einen festen Zeitplan und dadurch dann auch einen gewissen Druck hat – man muss EINFACH MACHEN, und das ist total wichtig für den Berufsalltag. In Ludwigsburg habe ich gelernt, dass man aktiv werden muss.“ Daher rät Vollmar auch allen Studenten der Filmakademie: „Seid mutig, baut Kontakte auf, geht auf Menschen zu und vor allem: Macht einfach!“

Alumni-Profil

Autorin: Meike Katrin Stein