Matthias Schmidt, Absolvent Drehbuch
„Wir haben eine tiefe kulturelle Skepsis gegenüber dem Fernsehen.“
Matthias Schmidt, Alumnus der Drehbuchabteilung in Spielfilm und Serie, über den Stand der Serie in Deutschland, seine Zeit an der Filmakademie und was sich getan hat, seit er Ludwigsburg verließ.
Matthias Schmidt zögert nicht lange, angesprochen auf den Entwicklungsstand der sogenannten Qualitätsserie im deutschen Fernsehen, denn er weiß um das Problem, das Serienfreunde hierzulande allmählich verzweifeln lässt. Die Deutschen lieben sie, die Qualitätsserie, wie Erfolge von BREAKING BAD“ oder BORGEN beweisen, aber weshalb wird diese nicht auch von den nationalen TV-Sendern produziert, sondern lediglich importiert? „Wir haben eine tiefe kulturelle Skepsis gegenüber dem Fernsehen“. In Deutschland, dem Land der Dichter und Denker, werde die Serie seit Jahrzehnten als weniger "anspruchsvoll" betrachtet. Ein Phänomen, das dazu geführt habe, dass es im Bereich Serie bei den Redaktionen und Produktionen häufig an Mut, sowie bei den Autoren und Regisseuren an Übung fehle, wenn es darum geht, echte erzählerische Wagnisse einzugehen. Zwar habe man erkannt, dass sich was ändern muss, auch tue sich in letzter Zeit ja einiges in Deutschland, jedoch lasse sich ein über Jahrzehnte gewachsenes System nicht von heute auf morgen umstellen. Denn jene, die etwas wagen wollen, werden noch zu wenig be- und entlohnt. „Damit DaVinci die Kirche vollmalen konnte, musste ihn auch ein reicher Italiener bezahlen.“ Die Nachwuchsförderung sieht Matthias Schmidt deshalb als zwingendes Mittel, um im internationalen Wettbewerb aufzuholen. „Dass es in Deutschland auch mal flache Shows und viele Dokusoaps gibt, stört mich nicht. Die gibt es überall. Aber, dass es die Qualitätsserien NICHT gibt, das ist das Problem.“ Als selbsternannter „Serien-Freak“ liegt Matthias Schmidt die Entwicklung der Serie in Deutschland selbst am Herzen. Dies war auch der Grund, weshalb er sich noch während seines szenischen Drehbuchstudiums an der Filmakademie parallel zu einer zusätzlichen Ausbildung in der Serienabteilung als Writer-Producer entschied. Das Resultat: zwei Abschlüsse in den Jahren 2009 und 2010. Diesen ungewöhnlichen Werdegang hat er, wie er selbst sagt, der Flexibilität der Filmakademie zu verdanken, die ihm sogar das Privileg einräumte in einem Jahr parallel in der Produktionsabteilung zu studieren. „Die Filmakademie hat mich ausprobieren lassen, und wenn ich Fehler machte, durfte ich nochmal was anderes machen.“ Besondere Unterstützung habe er von Professor Joachim Kosack, Leiter der Abteilung Serien Producing, erfahren; von ihm habe er während seines gesamten Studiums am meisten gelernt, wie er sagt.
Dass er zum Film wollte, das wusste Matthias schon als kleiner Junge; sein geisteswissenschaftliches Erststudium diente eher der Beruhigung seiner Eltern als der Erfüllung seines Traums. Nachdem er es sogar in die Endrunde der renommierten Hochschule für Schauspielkunst in Berlin, der „Ernst-Busch,“ geschafft hatte, führte ihn sein Weg schließlich an die Filmakademie Baden-Württemberg in die Abteilung Drehbuch. Denn er entdeckte schließlich, dass sich das Schreiben eher als künstlerisches Ventil für ihn eignete.
Das Leben in Ludwigsburg empfand Matthias zunächst als „großartig“, da er durch seine Heimatstadt Delmenhorst an das Kleinstadtleben gewöhnt war. Während seines Erststudiums hatte er in Berlin gelebt und konnte, wie er zugibt, mit der Weite der Stadt noch nicht richtig umgehen. Ludwigsburg hatte dagegen die ideale Größe, um sich auf das Studium zu konzentrieren: „Die perfekte Insel der glückseligen Filmstudenten“, sagt er nicht ohne Augenzwinkern. Er bereut es nicht seine 5 ½ Jahre Studienzeit ausschließlich in Ludwigsburg verbracht zu haben, auch wenn das Engegefühl am Schluss nicht ausblieb, weshalb Matthias nach seinem Abschluss bewusst nochmal das Wagnis Berlin einging, wo er zur Zeit noch lebt und arbeitet.
Gerade in Ludwigsburg sei es wesentlich sich während des Studiums seine Freiräume zu schaffen, da man zum Großteil zwangsläufig nur mit Filmschaffenden verkehre und dadurch „phasenweise nur noch im Film lebe“. Dadurch empfand er auch das Konkurrenzgefühl an der Akademie als relativ hoch, gerade weil ständige Vergleiche mit den Kommilitonen nicht ausblieben. Im Rückblick sieht der Alumnus dies jedoch als wertvolle Erfahrung, um mit der späteren Konkurrenzdynamik umgehen zu können, auch wenn es dann auf dem „freien Markt wider Erwarten doch entspannter zugeht.“
Der Einstieg in die Branche gelang Matthias Schmidt gänzlich fließend, auch wenn er weiß: „Heftig kann es immer wieder werden, aber man sollte keine Angst haben.“ Der Pilotfilm seines Serien-Diploms ALLE JAHRE WIEDER wurde vom NDR gekauft und feierte, um fünf Minuten auf 30 Minuten Sendezeit aufgestockt, an Heiligabend 2010 auf den deutschen Fernsehbildschirmen Premiere und wurde in den folgenden Jahren wiederholt. Das ungewöhnliche Konzept um die Familie Sommer und ihre skurrilen Dispute unter dem Weihnachtsbaum begeisterten jedoch so sehr, dass – dank einer Kooperation von Studio Hamburg, NDR, BR und der nordmedia Filmförderung – drei neue Folgen entstanden, die an Weihnachten 2013 ausgestrahlt wurden. Das erste Mal in der deutschen Fernsehgeschichte, dass ein Studentenfilm von einem Sender gekauft und auch fortgesetzt wurde. Matthias Schmidt fungierte hier allerdings nicht nur als Headautor (neben Gregor Eisenbeiß – ebenfalls Alumnus der Filmakademie) und als Co-Producer, sondern auch als Regisseur. Denn irgendwann reichte ihm das Schreiben allein nicht mehr, wie er zugibt. Dabei ist er bis heute geblieben. Im Augenblick bereitet er sich als Regisseur auf die Inszenierung seines Spielfilmdebüts vor, sowie auf die Realisierung einer Mini-Serie, die davon erzählt, wie eine unkonventionelle Familie aus der Pfalz versucht, adäquat mit der Apokalypse umzugehen. Als Autor widmet er sich außerdem nach wie vor der Weiterentwicklung der Serie im deutschen Fernsehen. „Ich hoffe sehr, dass sich in Deutschland in der Serie was tut, und wenn ich dazu beitragen kann, würde ich mich sehr glücklich schätzen.“
Autorin: Janett Lederer