Matthias Pacht, Absolvent Drehbuch
„Filmemachen ist doch wohl das Schwerste, was es gibt auf der Welt!“
Matthias Pacht ist ein unglaublich netter und bescheidener Mensch, mit dem man gern bei einer Tasse Kaffee über Gott und die Welt plaudert. Er war auch der erste Dozent, den ich im Unterricht hatte, als ich vor zwei Jahren an die Filmakademie kam. Seit zehn Jahren unterrichtet er neben seiner Tätigkeit als Autor im ersten Jahr ein Quartal lang Drehbuch. Als er selbst Student war, fand er den Ausspruch der Dozenten, dass sie von den Studierenden so viel lernen würden, etwas anbiedernd, mittlerweile versteht er jedoch, was sie damit meinten. Man erkennt sich nicht nur selbst wieder und lernt, wo man damals im Gegensatz zu heute stand. Man lernt auch, wie viel man gelernt hat. Nun ist es ja so, sagt Matthias Pacht lachend, dass das Leben als Drehbuchautor nicht leichter wird, nur weil man es ein paar Jahre gemacht hat, aber er merkt beim Unterrichten, dass er Studierenden etwas vermitteln kann. Und man ist am Puls der Zeit, erfährt, was sie bewegt und interessiert. Dabei, erzählt er, hat er das Gefühl, dass die Studierenden von heute schon Existenzängste haben und wissen wollen, wie man Geld verdient. Zu seiner Zeit ging es mehr darum, möglichst lange nicht zu arbeiten „Später, später, später!“ Dagegen herrsche heute das Gefühl vor: „Oh Gott, ich bin 24 und immer noch in der Ausbildung.“
Als Matthias Pacht 1997 an die Filmakademie kam, hatte er bereits 10 Jahre in Hamburg Musik gemacht, von der er teilweise sogar leben konnte. Schließlich erkannte er dann aber, dass ihn die Musik nicht befriedigen würde, und so bewarb er sich an der Filmakademie. Mit seinen 27 Jahren war er einer der Ältesten, aber das war nicht unbedingt falsch fürs Schreiben. Er hatte zu dem Zeitpunkt schon einige Erfolge und auch Niederlagen hinter sich und wusste dadurch mit seinen eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten umzugehen. „Wenn man ganz jung ist, ist es schwer, und es ist eh schon brutal schwer, Drehbücher zu schreiben.“
Das und das Gefühl, alles auf eine Karte gesetzt zu haben, führten dazu, dass er das Drehbuchschreiben sehr konzentriert und ehrgeizig verfolgte und bereits im vierten Studienjahr seinen ersten Drehbuchauftrag bekam. In den drei Jahren davor hatte Matthias Pacht sich sein Leben finanziert, indem er Texte für den Moderator einer Schlagersendung schrieb und mit einem Nebenjob bei Porsche. Deren zentrales Ersatzteillager befand sich nämlich in Ludwigsburg. „Ich empfehle jedem, der einen Job sucht: macht das,“ erzählt er lachend, „ist saugut bezahlt.“
Dadurch, dass er und Kommilitone Sven Taddicken, deren gemeinsamer Drittjahresfilm SCHÄFCHEN ZÄHLEN für den Studenten-Oscar nominiert wurde, mit ihrem Diplomstoff das Interesse des SWR wecken konnten, drehten sie gemeinsam nach dem dritten Jahr MEIN BRUDER, DER VAMPIR, allerdings außerhalb der Filmakademie, da 90-Minüter als Diplomfilme damals noch nicht erlaubt waren.
Seitdem lebt Matthias Pacht vom Drehbuchschreiben. Irgendwie hat bei ihm der nahtlose Übergang sehr gut funktioniert. „Ich hab Glück gehabt. Man braucht Glück, leider.“ Mit Sven Taddicken hat er auch später wieder gearbeitet (ZWÖLF METER OHNE KOPF). Überhaupt sind viele Kontakte aus der Akademiezeit bis heute erhalten geblieben, u.a. zu Christian Rohde und Alex Buresch, mit dem zusammen Matthias immer wieder schreibt. Zurzeit arbeiten die beiden an einer Adaption von Horvaths „Jugend ohne Gott“, allerdings nicht „schon wieder mit Schülern mit ausrasierten Frisuren und Hakenkreuzen.“ Sie erzählen es vielmehr als Sci-Fi-Variante.
Matthias Pacht ist der Filmakademie gegenüber dankbar. Auf die Frage, wo er heute ohne diese Erfahrung wäre, erwidert er lachend „Am Arsch“. Er wird ernst und erzählt, dass eine wichtige Sache, die man während des Studiums lernen müsse, nicht zu viel nach links und rechts zu gucken, nur weil einer von den Kommilitonen einen erfolgreichen Film gemacht hat, und darüber versäumt, an dem zu arbeiten, was einem selbst entspricht. Die Zeit an der Akademie ist sowieso kurz genug, um eine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln, da sollte man seine Kraft ganz darauf konzentrieren.
Der Schreibtisch ist Matthias Pachts Welt – im Gegensatz zum Setleben. Grinsend erinnert er sich, wie er 14 Stunden vor der Regie 1-Abgabe seinen Schnitt versehentlich gelöscht hat. Er schätzt das strukturelle und konzeptionelle Arbeiten, das er auch zu seinen Stärken zählt. Er mag das Prinzip des Überarbeitens, dritte, vierte, fünfte Fassungen zu schreiben, weil er glaubt, dass die Bücher dadurch besser werden. „Ein dickes Brett zu bohren, das muss einem Spaß machen!“, weil der Prozess des Drehbuchschreibens manchmal Jahre dauern kann. Ein weiterer Vorteil an der Arbeit ist natürlich auch, dass man in den heutigen Zeiten dank Skype überall arbeiten kann, auch wenn das für ihn selbst, der mit seiner Familie in Berlin lebt, nicht in Frage kommt.
Bei aller Wichtigkeit eines gut strukturierten Drehbuches liegt die Kunst laut Pacht darin, dass diese Konstruktion, obwohl gegenwärtig, nicht zu spüren ist. Dass es sich spannend liest, weil der Leser ständig zwischen Hoffen und Fürchten pendelt. Dass die Emotionalität nicht in der Geschichte, sondern im Zuschauer selbst liegt. Und dass es Subtext gibt, nicht nur auf der Dialogebene, vielmehr in der ganzen Geschichte.
Zum Ende unseres Gesprächs kommen wir noch auf das Thema „Deutscher Film“ zu sprechen. „Wobei die Frage ist, was das eigentlich bedeutet“, meint er. Man müsse da eher über die Struktur der deutschen Filmproduktionen reden. In Amerika mag die Innovationskraft dank des höheren unternehmerischen Risikos teilweise größer sein, aber man müsse natürlich bedenken, dass wir hier auch nur die Spitzen des gesamten Produktionsvolumens zu sehen bekämen. Und auch wenn das deutsche Fernsehen gelegentlich etwas sehr quotenabhängig scheint, so sei es doch weit vorne in der Welt. Auch die Kurzfilme, die für den Studenten-Oscar nominiert werden, zeigten, dass es eine große Erfolgsquote des deutschen Films gebe. Man könne also nicht sagen, dass es am Nachwuchs liege. Solange die Freiheiten da seien, entstünden immer Filme, die international bestehen könnten. Aber danach verschwänden diese Filmemacher zu oft. Gerade auch nach dem Debütfilm. Die Phase zwischen diesem und dem zweiten Film sei eigentlich die schwierigste.
„Auf jeden Fall“, beschließt Matthias Pacht in ernstem Tonfall und dennoch mit einem Lächeln, „muss der Mut von euch Studierenden kommen, ihr habt die Freiheit!“
Autorin: Katja Ginnow
Copyright Foto: Kai Ehlers