Maik Bialk, Absolvent Dokumentarfilm (2009)

„Ich bin hier, weil ich wirksam sein möchte.“

Wozu braucht man noch einen Fernsehsender? „Wir befinden uns in einer Zeit, in der alte Gewissheiten fallen. Ich beschäftige mich viel damit, wie die Zukunft des Filmemachens aussehen könnte. Ich frage mich, wie werden wir in zwanzig Jahren Filme machen? Braucht es überhaupt noch Filme? Dieses Modell der klassischen Produktion wird sich in vielen Punkten verändern.“ Maik Bialk ist seit 2011 Redaktionsleiter bei HIER UND HEUTE im WDR in Düsseldorf. Er erlebt den Umbruch der Fernsehlandschaft und des gesamten Marktes zurzeit hautnah mit. Auch in seiner Redaktion sind die Veränderungen enorm. Viele Programme werden nun ausschließlich online angeboten. Die Zukunft sieht Bialk zunehmend in transmedialen Webprojekten. Grund sind technische Veränderungen und neue gesellschaftliche Bedürfnisse, an die sich die Fernsehwelt anpassen muss. Gewisse Strukturen werden diesen Prozess nicht überleben, da ist sich Bialk sicher.

Doch dieser Umbruch ist kein Grund zur Sorge. Maik Bialk findet ihn spannend.

Denn genauer betrachtet sind es paradiesische Zeiten. Da ist was zu holen, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Es ist die Zeit der Pioniere, weil man sich nicht mehr mit der Methodik der Vergangenheit behelfen kann. „Man muss neue Wege beschreiten, loslassen können, sich in das Ungewisse reinstürzen und einfach machen.“ Genau hier befindet sich Bialk. „Wie kann man diesen Prozess gestalten? Wo kriegt man Verbündete her?“ Das sind die zentralen Fragen, die ihn interessieren.

Bialk macht es Spaß, mit seinem Team etwas aufzubauen und auszuprobieren. „Meine Aufgaben ist es, mit Leuten gute Projekte zu machen und für die Gesellschaft hoffentlich interessante Dinge zu erzählen. Ich bin hier, weil ich wirksam sein möchte.“ Auch wenn nicht jeder Dokumentarfilme sehen will.

„Die Frage ist am Ende, wie die Gesellschaft über sich selbst berichten möchte. Welche Mittel und welchen Raum ist sie bereit, dafür zu Verfügung zu stellen, und wie offen ist sie, mit unangenehmen Dingen konfrontiert zu werden, was in der Regel der Dokumentarfilm tut.“ Die Menschen in Deutschland sind auf der ökonomischen Gewinnerseite und haben es sich darin bequem gemacht. Man setzt sich nicht mehr mit den vielen kontroversen politischen Fragen der heutigen Zeit auseinander. Die Herausforderung sieht Bialk darin, die Gesellschaft etwas zu schütteln, zu irritieren, damit auch andere Blicke auf die Wirklichkeit Raum bekommen.

„Ich bin ein sehr politischer Mensch. Ich habe angefangen, Fernsehjournalismus zu machen, weil ich dachte, es sei eine Form, politisch Einfluss zu nehmen. Ich

habe dann schnell gemerkt, dass das im Journalismus nicht ohne weiteres geht und dass es auch nicht seine Funktion ist. Aber als filmisches Grundmotiv gilt es für mich nach wie vor. Es ist unsere Aufgabe, die Welt von Menschen zu verbessern - bei mir ist das Mittel zufälligerweise der Film geworden.“

Maik Bialk arbeitete bereits vor seinem Studium als freier Autor beim WDR in Köln. Doch etwas fehlte. Bialk hatte den Wunsch, länger zu erzählen. „Ich erreichte da einen Punkt, an dem ich selber nicht mehr weiter kam und merkte, dass in dem Werkzeugkasten, den ich mit mir herum schleppte, zu wenige Werkzeuge drin waren.“ Ein Seminar bei Helga Reidemeister, einer leidenschaftlichen Dokumentarfilmerin und langjährigen Dozentin an der Filmakademie, festigte Bialks Entschluss. Er bewarb sich für den Fachbereich Dokumentarfilm an der Filmakademie. Das technische Wissen brachte er von seiner Arbeit als Autor mit, aber auf dem Campus lernte er, seine Haltung zu zeigen. „Auf einmal explodierte etwas in mir. Da habe ich die Liebe zum Film gelernt.“

Es war für ihn ein langer, aber auch wichtiger Prozess herauszufinden, was er wirklich erzählen will. „Ich dachte, ich muss beobachten, ich will dieses und jenes machen, ich stelle mich strategisch ganz schlau auf – und dann konnte ich mit dem Material im Schnitt einfach nichts anfangen.“ Für seinen Film GYSI UND ICH saß Bialk monatelang im Schneideraum. Ohne Ergebnis. Sein damaliger Dozent Thomas Schadt empfahl Bialk, zum Ausgangspunkt des Films zurückzukehren.

„Er hat mich nach Hause geschickt mit der Aufgabe: ‚Schreibe am Wochenende auf, warum du diesen Film machen musst. Ich möchte keine Relativierung, kein Sicherheitsnetz. Ich möchte es so pur und ungefiltert wie möglich haben. Lieber übersteigert als nach allen Richtungen abgesichert.’“ Bialk schrieb den Text und schaffte es so, den Film in kürzester Zeit fertigzustellen. „Das war ein Schlüsselerlebnis. Dass ich mich getraut habe zu ergründen, was mich wirklich umtreibt.“ Die eigene filmische Motivation ernst zu nehmen und auch zu zeigen. Das war für Bialk absolut prägend in den ganzen fünf Jahren an der Filmakademie. „Du kannst an der Akademie hervorragend Handwerk lernen. Es bringt dir aber nichts, wenn du nicht bereit bist, etwas mit dir selbst machen zu lassen.“

„Filmemachen ist für mich, Wirklichkeit auf andere Art und Weise zu erfahren. Für mich selbst zu erfahren und anderen eine neue Sichtweise anzubieten.“ Ein Film soll Menschen erreichen und bei Ihnen eine Veränderung von Wirklichkeitsbetrachtung auslösen. Wenn auch nur minimal. Dass man nach dem Film unter einem ganz bestimmten Aspekt anders auf die Welt blickt. Das ist das Ziel, das Bialk anstrebt. Das filmische Handwerk dient dazu, möglichst wirkungsvoll von dieser Realität zu erzählen.

Und von Wirklichkeit berichten kann grundsätzlich jeder Mensch. „Ich hege eine große Grundskepsis, was die Unterscheidung von professionellem Autor und nicht professionellem Erzähler betrifft. Das halte ich für künstlich.“ Man braucht natürlich sehr wohl Menschen, die mit Bildern umgehen können. Die Sinnzusammenhänge schaffen. Ohne das bleibt es eine bloße Bilderflut. „Das Entscheidende an der Filmakademie ist aber nicht, gute Filme zu machen, sondern dass man seine Persönlichkeit entwickelt. Das ist ausschlaggebend dafür, ob man auch später Filme machen wird.“

Seine eigene Zukunft sieht er pragmatisch: „Ich bin kein Mensch, der angekommen ist. Ich bin einer, der sucht und guckt, ob was geht oder nicht geht. So nehme ich Leben wahr. Wenn was geht, dann freue ich mich, und wenn was nicht geht, dann nervt es mich.“ So einfach ist das.

Alumni-Profil

Autorin: Caroline Reucker

Foto Maik Bialk: © WDR / Simin Kianmehr