LIVE-SCHALTUNG NACH SCHOTTLAND ZU ... ANNA J. FOERSTER
Interview und Podcast
ANNA FOERSTER IM DOUBLE FEATURE
Wie gewohnt stellen wir euch am ersten Donnerstag im Monat mit ANNA FOERSTER (1. Jahrgang Bildgestaltung/Kamera, heute als Regisseurin in Hollywood tätig, u.a. für die Serie OUTLANDER und den jüngsten Film der UNDERWORLD-Reihe) eine Ehemalige der Filmakademie Baden-Württemberg im Interview vor.
Zusätzlich zum Gespräch in Textform gibt es diesmal aber noch einen ausführlichen Podcast von unserem Kamera-Absolventen FELIX MEINHARDT, der u.a. in den USA verschiedene Filmschaffende besucht hat, darunter einige Alumni der Filmakademie.
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Interview
Liebe Anna, wie und wann hast du deine Begeisterung fürs Filmemachen entdeckt?
Das ist eine lustige Geschichte. Als Kind habe ich mich eher für Archäologie interessiert. Mit dem Medium Film kam ich zum ersten Mal richtig in Kontakt, als ich 15 oder 16 Jahre alt war: Im Garten meiner Eltern – quasi also in „meinem“ Garten, in dem ich aufgewachsen war – drehte ein Student der HFF München einen Film. Das war für mich alles total spannend. Hauptsächlich faszinierten mich die Arbeit an der Kamera, die Ausleuchtung, die Kamera-Movements und all das. Der Kamermann war nett und hat mir alles erklärt, was ich wissen wollte. Von da an war für mich klar, dass ich auf jeden Fall selbst Kamerafrau werden wollte. Meine Begeisterung reichte so weit, dass ich bereit war, sofort die Schule abzubrechen, um eine Kameraausbildung zu machen, aber meine Eltern überredeten mich dazu, doch noch das Abitur zu machen. Gleichzeitig wollten sie jedoch meinem Traum nicht im Wege stehen und waren bereit, mir Entschuldigungen für die Schule zu schreiben, wann immer ich unterwegs sein wollte, um für Filmprojekte im Bereich Kamera zu arbeiten und dazuzulernen. Daher war ich in meinen letzten Schuljahren kaum im Unterricht und habe das Abitur nur mit Ach und Krach geschafft. Einmal haben wir in der Schule einen Kurzfilm angeschaut und da tauchte plötzlich mein Name im Abspann auf. (lacht) Das war ein witziger Moment, denn offiziell hatte ich den Unterricht ja immer nur wegen Krankheit versäumt.
Wie bist du an der Filmakademie gelandet?
Nach der Schule habe ich zunächst im Filmhaus München ein Praktikum gemacht und viel als Kamera-Assistenz gearbeitet. Ich wollte eigentlich nie auf eine Filmschule gehen. Damals gab es nur die großen Filmschulen in München und Berlin und beide boten kein Kamera-Studium an. Als die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg 1991 gegründet wurde, war das plötzlich eine ganz neue Perspektive, jetzt Kamera studieren zu können. Ich ließ mich von diesem Hype mitreißen und bewarb mich sofort. Somit gehörte ich zum ersten Jahrgang und war voller Eifer, mehr über Kamera und Bildgestaltung lernen zu können.
Welche Erinnerungen hast du an deine Zeit an der Filmakademie?
Es fühlte sich alles sehr aufregend an, alles war neu, frisch und manchmal vielleicht noch nicht so durchorganisiert wie heute. Ich war ganz auf den Studienbereich Kamera fixiert. Manche haben mir damals geraten „Lass mal lieber das mit der Kamera und wechsle doch zu Regie und Drehbuch“, aber ich war da völlig im Tunnel und wollte nur Kamerafrau werden. Rückblickend hätte ich an der Filmakademie viel mehr lernen können, wenn ich auch ein bisschen offener für andere Bereiche gewesen wäre. Neben meinem Studium habe ich schon viel gejobbt, vor allem Miniature Shots für Commercials und Co. gemacht. Ein Semester lang habe ich auch pausiert, um eine Motorradtour zu machen. Als ich wieder zurück an die Aka kam, erhielten wir im Team plötzlich das Angebot von Roland Emmerich, für die Arbeit an seinem Film INDEPENDENCE DAY (1996) in die USA zu gehen. Das stand zwar alles noch auf wackeligen Füßen, aber er sagte damals zu uns „jetzt kommt mal rüber“. Ich wollte das total gerne machen, ging zu Prof. Ade und erzählte ihm von dem Plan, schließlich war ich noch mitten im Studium. Er meinte damals zu mir: „Frau Foerster, Sie glauben doch nicht wirklich, dass die dort auf Sie warten. Wenn Sie jetzt gehen, brauchen Sie eigentlich gar nicht wiederzukommen.“ Er hatte Recht. Ich bin in die USA gegangen, direkt dort geblieben und habe mein Studium an der Filmakademie nie abgeschlossen. Es hat sich einfach so ergeben.
Du hast viele Jahre als erfolgreiche Kamerafrau in den USA gearbeitet, jetzt bist du hauptsächlich Regisseurin. Was ist passiert, dass du plötzlich doch in die Regie gewechselt hast?
Mit der Kamera zu arbeiten machte mir immer schon Spaß und das tut es bis heute. Als ich zu Roland Emmerich in die USA ging, arbeitete ich dort im Kamera-Department hauptsächlich an Visual Effects. Es gibt eine Grundregel in den USA: Man wird immer nur für das „gehired“, was man schon gemacht hat. Da ich dort mit VFX-Jobs begonnen hatte, wurde ich auch immer nur für solche angefragt und habe in jedem Projekt weniger mit der Kamera direkt zu tun gehabt. Blue-Screen, Miniature und Co. – das ist Stückchenarbeit. Da ist mir klargeworden, dass ich mit meiner Arbeit vor allem Geschichten erzählen möchte, einen Spielfilm machen möchte und zwar als First Unit Director of Photography (Kameramann/frau). Also habe ich mich in Richtung First Unit Kamera umorientiert und mich um solche Aufträge bemüht. Das war eine ziemlich schwierige Zeit: Kleine Filme bekam ich nicht, weil es hieß, ich hätte ja schon in viel größeren Produktionen mitgearbeitet. Und größere Filme bekam ich nicht, da ich so gut wie keine Spielfilm-Kamera-Erfahrung vorweisen konnte. Über ein anderes Projekt kam ich dann zum ersten Mal mit der Arbeit in der Second Unit in Kontakt, war DP der Second Unit. Das wiederum rief wieder Roland Emmerich auf den Plan, der für seinen Film ebenfalls eine Second Unit DP suchte. Da wir bereits gut zusammengearbeitet hatten, übertrug er mir dann auch gleichzeitig die Second Unit der Regie. Eine Zeit lang habe ich also beides gleichzeitig gemacht. Als wir dann beim Dreh zu 10.000 BC wahnsinnig viele Wetterprobleme hatten, hatte ich in der Second Unit auf einmal unheimlich viel mit den Schauspielern in zentralen Szenen zu tun. Da wurde mir plötzlich klar, dass ich gar nicht gelernt hatte, wie man mit Schauspielern richtig kommuniziert. Daraufhin habe ich viele Workshops zum Thema Directing, Acting etc. absolviert und durfte Regisseure bei ihrer Arbeit begleiten. Dann kamen die ersten Anfragen für Fernsehregie und damit war ich in dieser „Fernseh-Schiene“ drin und werde seitdem immer wieder für Fernsehregie angefragt.
Welches deiner Projekte als Regisseurin bedeutet dir besonders viel?
Die Regie einiger Episoden der Serie OUTLANDER. Wir haben sie in Schottland gedreht und das war eine super intensive und spannende Aufgabe. Einfach cool! Es ist nicht leicht und man muss sich schon in jedem Projekt durchbeißen. Aber da habe ich gemerkt: Das hier ist das Richtige, es fordert mich heraus.
Der Film UNDERWORLD: BLOOD WARS (2016) war dein erster Kinofilm als Regisseurin. Hast du damit die Kinolandschaft für dich erschlossen?
Die Arbeit an UNDERWORLD war eine sehr spezielle Erfahrung und ich habe sehr viel daraus gelernt. Zuerst einmal kam die Anfrage völlig überraschend und aus heiterem Himmel. Nach dem Angebot der Produzenten sah ich mir den vierten Teil von UNDERWORLD an und mir wurde klar: „Nein, damit will ich nichts zu tun haben.“ Da es dann aber vonseiten der Produktion hieß, es solle diesmal etwas völlig Neues entstehen, sagte ich dennoch zu – und lernte in den folgenden Monaten viel über „Studio Politics“. Deinen eigenen Film machen kannst du in dieser Zusammensetzung auch als Regisseurin nicht, das merkte ich. Wegen Schauspielern und Diesem und Jenem wurde das Drehbuch immer wieder umgeschrieben und völlig verändert, es war sogar noch nicht mal am ersten Drehtag fertig! Wenn das Studio alleine entscheidet, wann das Drehbuch umgeschrieben wird und du als Regisseurin es dann einfach umsetzen sollst, ohne schon eine fertige Fassung in der Hand zu haben, geht das einfach nicht. Das, so habe ich mir vorgenommen, darf mir nicht nochmal passieren. Jetzt arbeite ich an mehreren Projekten, die mir wirklich am Herzen liegen und an denen ich zum Teil selbst mitschreibe. Ich drehe fürs Fernsehen, für die Werbung und auch im Kinobereich bin ich noch mit dabei.
Ist deine Entscheidung für die Regie und gegen Kamera endgültig?
Nein, definitiv nicht. Zurzeit mache ich Regie, aber das kann sich auch wieder ändern. In der Filmbranche kann man das Wort „endgültig“ gleich mal vergessen, denn die Technik und das Storytelling entwickeln sich so rapide, dass ich keine Ahnung habe, was in den nächsten Jahren sein wird. Die Arbeit als Chefkamerafrau an Roland Emmerichs ANONYMUS (2011), für den ich den Deutschen Filmpreis erhielt, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Zurzeit aber fordert Regie mich am meisten heraus und füllt mich aus, daher bleibe ich vorerst dabei.
Was rätst du jungen Filmschaffenden?
Wichtig ist es, immer offen zu bleiben für das, was kommt. Man sollte wissen, was man im konkreten Moment machen will, aber dennoch flexibel bleiben für das, was sich ergibt. Eine Richtung und ein Ziel zu haben, sich aber nicht auf den Weg dahin festzulegen, ist enorm wichtig.
Du sagst, dass du mit deiner Arbeit Geschichten erzählen möchtest. Was inspiriert dich zu neuen Ideen?
Meine Themen finde ich überall in der Welt. Ich reise sehr viel und interessiere mich immer für die Kollision verschiedener Kulturen, den klassischen „Fish-out-of-water-Effekt“. Wenn zwei Kulturen, zwei extreme Denkansätze oder Charaktere aufeinanderprallen, entsteht Spannung. Es geht immer um extreme Leute in extremen Situationen. Ob das dann ein Science-Fiction-Film oder ein Western ist, spielt keine Rolle.
Das Interview führte Meike Katrin Stein
06.07.2017