Lea Schönfelder, Absolventin Interaktive Medien
Warum ein Game plötzlich politische Bedeutung bekommt
Ob Multiplayer, free to play oder ein strategischer Hintergrund – all dies sind Merkmale, die in den Games vorkommen können, die Lea Schönfelder designt. Seit 2014 arbeitet die Akademie-Absolventin für das Game-Unternehmen Flaregames in Karlsruhe, im Prototypen-Team: „Wir entwickeln ganz viele Ideen für Spiele und bauen Prototypen davon, um zu sehen, was funktionieren könnte.“ Diese Schnittstelle zwischen künstlerischer Freiheit und Industriebetrieb findet Schönfelder besonders bereichernd. „Computerspiele sind oft noch nicht komplett ausgereift, und es gibt sehr viele inhaltlose Spiele. Dabei hat man da so viele Möglichkeiten, inhaltlich zu arbeiten. Und das völlig anders als mit Bildern, Malerei oder im Film.“
Ihren Weg zur Gamedesignerin hat Schönfelder aber nicht von Anfang an geplant. „Als ich klein war, wollte ich Lehrer werden, weil meine Eltern beide Lehrer waren. Ein paar Jahre später wollte ich es genau aus diesem Grund nicht mehr werden.“ Mit dem Computer hatte sie in ihrer Jugend noch nicht viel zu tun, sondern kaufte sich ihren ersten eigenen Rechner erst nach ihrem Auszug aus dem Elternhaus. „Zunächst studierte ich Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel. Dort konnte ich erstmals in die Trickfilmklasse reinschnuppern, und dann kam eines zum anderen. In die interaktiven Medien bin ich über Illustration und Trickfilm eher reingerutscht“, erinnert sie sich. Während ihres Studiums in Kassel erfuhr Schönfelder schon bald von der Filmakademie und dem Studienschwerpunkt Interaktive Medien. „Andreas Hykade war damals in Kassel Professor für Trickfilm und hat meine Computerspiele begleitet. Auf seine Empfehlung hin habe ich mich nach meinem Studienabschluss an der Filmakademie beworben.“
Das Einleben in Ludwigsburg fiel Schönfelder zunächst nicht leicht. „Von meinem Studium in Kassel war ich vorgeprägt, arbeitete vorher immer naturalistisch und war nie die große Technikerin. Somit konnte ich mich an der Filmakademie zunächst nicht so richtig einfinden. Manchmal fühlte ich mich zu sehr an die Hand genommen. Gleichzeitig wurde viel von uns verlangt, und es blieb oft wenig Zeit für die eigene kreative Freiheit. Nach einem Jahr dort kamen mir plötzlich so große Zweifel, dass ich nicht mehr in der Lage war, produktiv zu sein.“ Doch Schönfelder ließ sich nicht unterkriegen, suchte das Gespräch mit den Dozenten Thomas Haegele und Inga von Staden und erhielt von ihnen den Rat, ein Auslandssemester zu machen. „Mir wurde die Möglichkeit gegeben, für ein Semester an die UCLA in den USA zu wechseln und dort im Game Lab zu arbeiten. Das war zu diesem Zeitpunkt genau das Richtige für mich, und ich konnte dort auch schon den Grundstein für mein Diplomprojekt PERFECT WOMAN legen.“ 2014 schloss Schönfelder an der Filmakademie mit dem Diplom ab – im selben Jahr noch bekam sie das Jobangebot von Flaregames.
Lea Schönfelder hat sich nie gescheut, ernsthafte, mitunter auch politische Inhalte in ihre Games einzubringen. So designte sie schon während ihres Studiums in Kassel das russische Spiel ULITSA DIMITROVA (2008). „Mein Bruder betreute im Zivildienst in St. Petersburg Straßenkinder, und ich habe ihn dort besucht. Ein Junge kam eines Tages einfach nicht wieder, und es hieß, es sei nicht unüblich, dass Kinder erfrieren würden.“ Schockiert von diesem Erlebnis, verarbeitete Schönfelder diese Thematik. „Das war meine Inspiration für ULITSA DIMITROVA, in dem man als Spielende(r) durch die Straßen läuft und sich durch Diebstahl und den Handel mit Zigaretten das Überleben sichern muss.“ Das Spiel sorgte für große Furore und zog so weite Kreise, dass sogar die russische Duma es als „russenfeindliches Spiel“ diskutierte und über ein Verbot beriet. Ein Erfolg für Schönfelder: „Für uns war es eine Ehre, dass dieses kleine Spiel so eine politische Reichweite hatte. Interessanterweise hatten wir die meisten Downloads aus den USA und eben auch aus Russland. Aus den USA kam überwiegend positives Feedback, aus Russland negatives.“
Hat Lea Schönfelder im Team bei Flaregames nun ihren Traumberuf gefunden? „Traumberuf ist ein schwieriges Wort. Während des Studiums habe ich viel unabhängig und kreativ gearbeitet, jetzt bin ich im Industriebetrieb tätig, und das macht mir sehr viel Freude. Ich könnte mir aber schon vorstellen, in ein paar Jahren wieder mehr in die künstlerische Richtung zu gehen.“
Der Spagat zwischen Industriebetrieb und kreativer Freiheit stellt für Lea Schönfelder eine optimale Kombination dar. Ähnlich ordnet sie im Rückblick auch ihren Werdegang ein: „In Kassel hatte ich die Möglichkeit, eine eigene künstlerische Handschrift zu entwickeln. Und in Ludwigsburg lernte ich dann den produktionstechnischen Ablauf und die Perspektiven des Jobs kennen. Das hat sich super ergänzt.“
Um den Kopf frei zu kriegen, geht sie gerne spazieren und ist zudem begeisterte Köchin. „Wenn ich zuhause bin, zeichne ich auch sehr gerne, aber das geht ja wieder in Richtung Arbeitswelt“, lacht sie. Das Künstlerische ist aus ihrem Leben, egal ob Job oder Freizeit, eben einfach nicht mehr wegzudenken.
Autorin: Meike Katrin Stein