Justin Izumi, Absolvent Motion Design (2008)
"Gute Ideen entstehen nie aus einem Zwang heraus, man muss etwas fühlen."
Sängerin Namika ließ er auf einem Moped durch Marokko düsen, mit Max Herre bezwang er Englands stürmische See und mit Nachwuchsstar Elif flog er zum Elefantenreiten nach Sri Lanka: Justin Izumi (ehemals Kruse) lässt in seinem Job kein Abenteuer aus. Bei mehreren Dutzend Musikvideos und Werbespots hat er bereits Regie geführt.
Dass er mal im Kosmos der schönen, bunten Bilder arbeiten würde, war Justin früh klar: "Ich bin ein 80ies/90ies-Kid. MTV hat mich stark geprägt – diese abwechslungsreiche Welt, die sich da aufgetan hat, nahm mich komplett ein." Vollends für den Film begeistern konnte ihn der Film KIDS. "So ein entblößendes, ehrliches und abschreckendes Abbild der Realität habe ich vorher im Kino noch nie gesehen", erinnert er sich. "Ein positives Trauma."
Justin kauft sich eine Hi8-Kamera, dreht erste Videos mit Freunden und unterlegt sie mit seiner Lieblingsmusik. "Das hört sich sehr bilderbuchmäßig an, ich weiß, aber so war es."
Der Sprung ins Fernsehgeschäft gelingt Justin früh: 1999, gleich nach dem Abitur, geht er zu RTL Nord, um ein Praktikum zu machen. Und steht keine vier Wochen später vor einer wichtigen Entscheidung: Sein Vorgesetzter hat gekündigt und will ihn zu seinem Nachfolger küren. Justin zögert keine Sekunde – und wird nach kurzer Zeit Abteilungsleiter im Bereich Multimedia Producing. Seine Karriere bei dem Privatsender führt ihn zu RTL Creation, wo er Motion Graphics für TV-Trailer produziert. Justin ist mitten im Berufsleben, verdient Geld mit dem, was ihm Spaß macht. Und doch fehlt ihm etwas: "Ich hatte das Gefühl, noch studieren zu müssen. Ich habe mich nach Austausch mit Gleichgesinnten und Input von erfahrenen Kollegen gesehnt." Nach fünf Jahren RTL fasst Justin den Entschluss, studieren zu gehen.
Ein klassisches Grafikdesign- oder Kunststudium kam nicht in Frage – Justin wollte unbedingt im Bereich des Bewegtbilds bleiben. Außerdem wollte er keine vier, fünf Jahre an der Uni verbringen, sondern sein praktisches Wissen in einem sinnvollen Rahmen durch Theorie aufpolieren. Im Projektstudienschwerpunkt Film und TV Design (heute: Motion Design) fand er schließlich alles, was er suchte: Film, Grafik und Quereinstieg. 2005 tritt er das Studium an. In zweieinhalb Jahren setzt er sich theoretisch mit seiner Leidenschaft auseinander und bringt mit Kommilitonen der unterschiedlichsten Abteilungen Projekte ins Rollen.
Am stärksten behält Justin die Zusammenarbeit mit seinen Kommilitonen im Gedächtnis – das vermisse er schon, sagt er. "Die Dozenten und die Leiter des Studienschwerpunkts haben ein sehr gutes Gespür dafür, unterschiedliche Personen zusammenzuführen, die sich gegenseitig bereichern können." Die Filmakademie erwies sich für ihn als Volltreffer.
Ein Schlüsselmoment seiner Zeit an der Filmakademie war für Justin der Musikvideo-Workshop. Hier bekommt er sie zu spüren - die kreative Kraft, die ein Team entfachen kann, das aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen besteht. Justin fängt Feuer. Dass Musikvideos schon bald seinen Alltag bestimmen sollten, wusste er damals noch nicht. 2008, im Diplomjahr, bewirbt Justin sich bei MTV und erhält noch vor seiner Diplomprüfung im März 2008 die Zusage. Ein Jugendtraum geht in Erfüllung.
Es folgen knapp vier intensive Jahre, in denen Justin vor allem das On-Air-Design von MTV und Viva sowie deren Werbekampagnen betreut. Zahlreiche Arbeiten erhalten Preise des Art Directors Club und Promax Awards. Er gestaltet das Umfeld der Musikvideolandschaft mit, knüpft wichtige Kontakte und findet seinen persönlichen Stil. "All das hat mir den Einstieg in die Musikindustrie erst ermöglicht", sagt er im Rückblick auf seine MTV-Zeit.
Über Fernsehtrailer beim Privatsender RTL, ein Studium an der Filmakademie und die Art Direktion bei MTV hatte er ihn gefunden, seinen Platz im Kosmos der bunten Bilder. "Diese kleinen Umwege waren sehr wichtig, um mir Wissen anzueignen und mir ein konzeptionelles und visuelles Gespür zu erarbeiten."
Heute inszeniert Justin als selbständiger Regisseur Musikvideos und Werbefilme. Dass er jahrelang in einer Festanstellung gearbeitet hat, kommt ihm in Zeiten der Drehvorbereitung zugute: "Ich bin ein sehr aufgeräumter Mensch. Mir fällt es nicht schwer, strukturiert und konsequent meine Liste an Aufgaben abzuarbeiten."
In Konzeptphasen hingegen geht Justin die Dinge entspannter an. Verlässt das Büro, um Inspiration zu tanken, oder widmet sich Sport und anderen Hobbys, um mit neuen Gedanken zur Arbeit zurückzukehren. "In dieser Phase tut es mir nicht gut, an den Schreibtisch gefesselt zu sein", weiß er.
Bei der Auswahl von Projekten setzt Justin auf sein Bauchgefühl. Ob ein Künstler bekannt ist oder nicht, sei ihm herzlich egal. "Das Ergebnis kann einfach nur schlecht werden, wenn man sich dazu zwingen muss, etwas zu fühlen", erklärt er, "gute Ideen entstehen nie aus einem Zwang heraus." Auch bei seinen Werbefilmen geht Justin keine Kompromisse ein: "Das Konzept muss mich einfach überzeugen." Projekte, die ihn nicht berühren, lehnt er lieber ab. "Leider bekomme ich momentan noch zu wenige Angebote, bei denen ich das Gefühl habe, etwas Besonderes machen zu können." In der Vergangenheit hat er unter anderem für BMW, die ZEIT oder Nike Filme realisiert.
2015 war ein erfolgreiches Jahr für Justin: 13 Musikvideos und mehrere Auszeichnungen gehen auf sein Konto. Sein Portfolio liest sich wie ein Who-is-Who der deutschen Musikbranche. Die Musikvideos bleiben Justins Leidenschaft, sein Ziel ist allerdings, diese nur noch als Herzensprojekte zu begreifen und mehr Werbefilme zu drehen.
Die Ideen gehen Justin nicht so schnell aus: Kaum hat er ein Musikvideo für die Band TÜSN fertiggestellt, feilt er an Konzepten für zwei weitere Musikvideos und plant einen Dreh in Südamerika – dort sucht er im März das nächste Abenteuer.
Autorin: Ana-Marija Bilandzija