JASMIN SROUJI, Absolventin Interaktive Medien

„Und da waren wir nun. Fünf Nerds und ich.“

„Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, was ich zwischen all den Nerds zu suchen hatte“, war Jasmin Sroujis erster Eindruck an der Filmakademie. Sie ist Teil des dritten Jahrgangs überhaupt, der 2009 Interaktive Medien zu studieren begann - und sie ist die erste Frau.

Kurz vor knapp kam sie zu Studienbeginn nach Stuttgart, hatte sie doch zuvor zwei Jahre in den palästinensischen Autonomiegebieten bei der Non-Government Organisation PYALARA (Palestinian Youth Association for Leadership and Right Activation) gearbeitet. Zusammen mit Kindern und Jugendlichen, aber auch Sozialarbeitern, Filmemachern und Produzenten wirkte sie an der Herstellung von Zeitungen, Fernsehsendungen und Filmen mit. Interessant war für sie dabei vor allem die transmediale Arbeitsweise, die es Jugendlichen erlaubt, sich auf den verschiedensten Kanälen mit ihren Themen auseinanderzusetzen.

Transmedial war auch die Bewerbung der gebürtigen Palästinenserin. Das Konzept der Jugendarbeit von PYALARA weckte das Interesse von Inga von Staden, Leiterin des Studienschwerpunkts Interaktive Medien (kurz IM) an der Filmakademie. So lud sie die Chefin der Organisation zur Fachmesse FMX nach Stuttgart ein, einen Vortrag über Transmedia in Palästina zu halten. Mit auf die Reise kam Jasmin Srouji, bot es sich doch an, danach die Eltern in Freiburg zu besuchen.

Ein VIP-Rundgang durch die Filmakademie vermittelte Jasmin einen bleibenden Eindruck. „Ich fand es sofort einladend und spannend zugleich.“ Das tiefere Interesse spürte auch Inga von Staden, und so bot sie ihr ein erstes Bewerbungsgespräch am kommenden Tag auf der FMX an. Leider wurde Jasmin am besagten Tag von ihren WG-Mitbewohnern zuhause eingeschlossen, die sie als Gast schlicht vergessen hatten.

Das Gespräch führte ihre Chefin für sie. „Noch heute weiß ich nicht, was genau die beiden über mich gesprochen haben.“ Das Fazit war jedenfalls, innerhalb von drei Tagen die gesamte IM-Bewerbung anzufertigen. Zurück in Palästina, wurde das Bewerbungsgespräch - als erstes überhaupt - via Skype geführt. Auch die schriftliche Prüfung hat Jasmin transmedial absolviert. Pünktlich um 9 Uhr kam die E-Mail mit den Prüfungsaufgaben, die sie zeitgleich mit den Bewerbern vor Ort in Ludwigsburg bearbeitete. Sie schwamm im Toten Meer, als ihr Bruder, der mit dem Vater in Deutschland telefonierte, ihr die Zulassung zum Studium an der Filmakademie zubrüllte. Ein schöner Moment, der dadurch noch schöner wurde.

„Und da waren wir nun. Fünf Nerds und ich.“ Dankbar war sie zu der Zeit für den intensiven Kontakt zu Prof. von Staden. „Inga ist sehr präsent und hat für ihre Studierenden immer ein offenes Ohr.“ In Einzelgesprächen bot sich Srouji der Raum, ihre erste Hilflosigkeit anzusprechen und einen Plan zu erstellen. „Lerne ihre Sprache“, empfahl ihr von Staden zunächst und meinte damit: Befasse dich mit ihren Themen, ihren Ideen und ihren Skills. Schnell hat sie sich in ihre Rolle der Transmedia/ Games Producerin eingefunden und sich dabei selbst kennengelernt. „Ich verstehe mich als Impulsgeberin im Austausch mit den Conceptern und versuche gemeinsam mit ihnen, an den Kern der Idee zu kommen, um diese umzusetzen.“ Sie klinkt sich in den richtigen Momenten in die kreative Arbeit ein, weiß aber auch, wann es an der Zeit ist, wieder rauszugehen.

Vor allem mit Joshua Beyer hat Jasmin zusammengearbeitet und ihr Diplom gemacht. Gemeinsam haben sie das Online-Filmfestival „Cinema Out of Your Backpack“ entwickelt, ausgeschrieben und die Preisverleihung im Kino Caligari organisiert. Die Aufgabe der Filmemacher war es, eine dreiminütige Szene aus einer fiktiven oder dokumentarischen Filmidee einzusenden, wobei das Filmequipment in einen Rucksack passen musste. Die Zielsetzung: sich auf das Erzählen von Geschichten zu konzentrieren, erfinderisch mit der neuen Technologie umzugehen und statt einer teuren RED-, eine einfache DSLR-Kamera einzusetzen. Das Konzept überzeugte und begeisterte internationale Filmemacher wie auch Zuschauer.

Die Energie aufzubringen, Projekte von der Pike auf zu entwickeln und auch zu vollenden, hat sie bereits in ihrem ersten Studium an der Uni Bayreuth erlernt, wo sie ihren Bachelor in Theater- und Medienwissenschaften absolvierte. „Ich habe viel bei Campus TV gelernt und gearbeitet. Wie setze ich richtig Licht, wie muss der Bildausschnitt beim Interview aussehen, wie formuliert man interessante Fragen, und vor allem: Wie produziert man eine monatliche Fernsehsendung?“ Sie hat organisatorisches Talent bewiesen und fand ihren Weg, vor allem aber ihre Herausforderung - an der Filmakademie.

Nach ihrem Abschuss 2012 musste sich Jasmin sortieren und Energie tanken, um neue Projekte anzugehen. „Als Selbständige habe ich bei Projekten ehemaliger Kommilitonen mitgearbeitet, bis Inga auf mich zukam.“ Gemeinsam mit Saskia Kress von Filmtank, einer Produktionsfirma für Dokumentationen und crossmediale Inhalte, plante von Staden die Initiative „Tinkertank“ zu gründen und fragte Srouji als Projektleiterin an. Seither entwickelt und gestaltet sie die Initiative weiter. In Workshops und Sommercamps werden Kinder und Jugendliche im kreativen Umgang mit Technik, Materialien und Medien unterstützt. An ihrer Seite sind erfahrene Mentoren aus der Kreativbranche, die gemeinsam mit ihnen einfache Lösungen für komplexe Fragen finden. Aus den Inhalten entstehen wiederum Medien, wie z.B. ein Buch, eine App oder ein Film.

Das Konzept wächst, und so schließt sich für Jasmin Srouji der Kreis. Über ihre Entwicklungsgeschichte ist sie sich treu geblieben. Sie will nach wie vor Spaß an den Prozessen haben, liebt die Arbeit mit Kindern genauso wie den kreativen Austausch mit Kollegen.

Alumni-Profil

Autorin: Ann-Katrin Boberg
Interview: Laura Busch
Foto Jasmin Srouji: © Katja Pfister