Interview mit Viola Baier, Animationsabsolventin 2013
Viola Baier, Animationsabsolventin 2013
https://www.linkedin.com/in/violabaier
Viola Baier hat 2006-20013 an der Filmakademie Animation studiert. Die 29-jährige hat nach ihrem Diplom als 3D-Character-Animator bei der Animationsfirma Illumination Mac Guff in Paris gearbeitet, einer Unterfirma von Universal.
Ihr Diplomprojekt „Wedding Cake“ dreht sich um zwei Marzipanfiguren auf der Spitze einer Hochzeitstorte. Die Figuren erwachen zum Leben und versuchen, sich das perfekte Eheleben auf der Torte aufzubauen. Das klappt nicht immer reibungslos.
Den Trailer zum Film gibt’s hier zu sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=_b6m78_two0
Bis heute war der Film auf über hundert internationalen Filmfestivals im Programm und hat bisher 15 Preise mit nach Hause gebracht, darunter den Annie Award für den besten Studentenfilm.
Was ist die wichtigste Lektion, die du aus Ludwigsburg mitgenommen hast?
Nicht aufgeben, auch wenn‘s noch so aussichtslos aussieht. Am Ende wird immer jeder Film fertig. Oh, und immer alles 2x backuppen.
Siehst du einen Druck unter den Studenten, Preise für ihre Filme zu gewinnen – und wenn ja, wie denkst du darüber?
Ich denke schon, dass ein gewisser Druck besteht, der aber nicht von Seiten der Aka kommt, sondern nur von sich selbst. Ich sehe das etwas ambivalent. Auf der einen Seite finde ich es gut, dass man dazu angespornt wird, das Beste aus dem Film zu rauszuholen, das möglich ist. Allerdings halte ich es für gefährlich, einen Film zu machen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, möglichst viele Preise einzuheimsen und nach diesem Credo zu produzieren. Später, draußen in der kommerziellen Filmwelt, wird leider zwar oft so produziert (meistens wird der Film über den gesamten Prozess auf das Zielpublikum, Einschaltquote, Kino Einspielergebnisse etc. zugeschneidert), aber genau so sollte man im Studium meiner Meinung nach noch nicht denken. Die Zeit im Studium an der Filmakademie sollte dazu genutzt werden die Geschichten, die in einem stecken zu erzählen, zu experimentieren und sich kreativ auszutoben. Dadurch entsteht Originalität.
Wen würdest du als dein Vorbild bezeichnen, und warum?
Mein Vorbild als Kind war immer Andreas Deja. Ich habe mit 6 Jahren in einer Sonderausgabe des Mickey Maus Hefts einen Bericht über ihn gelesen, wie er, genau wie ich, als Kind so von Disneys „Dschungelbuch“-Film fasziniert war, wie ich zu dieser Zeit von „Arielle, die kleine Meerjungfrau“. Er hat dann als Kind einen Brief an die Disney Studios geschrieben, und gefragt, was er machen muss, um Animator zu werden. Disney hat ihm geantwortet, dass er an einer klassischen Kunsthochschule studieren gehen sollte, was er auch tat. Am Ende ist er tatsächlich bei Walt Disney gelandet und war Lead Animator für viele unvergessliche Charaktere wie Dschafar in „Aladdin“ oder Scar in „Der König der Löwen“.
Weil diese Geschichte mich so sehr an meinen frühen Kindheitstraum erinnert hat, und er es geschafft hat, seinen Traum in die Realität umzusetzen, ist er immer mein Vorbild geblieben.
Jetzt in der Realität angekommen – wie würdest du die Filmakademie verbessern?
Ich würde nichts Grundlegendes ändern wollen, das Konzept der Aka ist optimal. Wenn man mal was anderes sehen möchte, bietet die Filmakademie sogar einen Austausch an verschiedene andere renommierte Filmschulen an. Ich habe an einem solchen Austausch teilgenommen, und bin ein Jahr lang nach Paris in Frankreich an die GOBELINS Animationsschule gegangen. Dort war der Unterricht sehr viel spezialisierter. Dadurch, dass der Unterricht an der Filmakademie so breit gefächert ist, und man in viele andere Bereiche mal reinschnuppern kann, hat mir persönlich ein bisschen mehr Fokus auf die Charakter Animation gefehlt. Das Tolle ist aber, dass man als Student jederzeit mit der Studienleitung reden kann und Wünsche und Vorschläge für Dozenten und Unterricht angeben kann.
Woran hast du als letztes gearbeitet?
Das Projekt, an dem ich mitgearbeitet habe, heißt "Minions", ein Spinn-off zu den "Ich - einfach unverbesserlich" Filmen, und kommt im Sommer 2015 weltweit in die Kinos. Auch in Zukunft werde ich den Projekten international hinterherreisen. Das ist in unserer Branche leider/zum Glück so üblich.
Wie siehst du die momentane Situation am Arbeitsmarkt für Animatoren?
Die Branche wird immer internationaler, die Studios eröffnen Zweigstellen in Ländern, in denen sie große steuerliche Vorteile haben, oder in denen sie billigere Arbeitskräfte anstellen können. Zusätzlich unterbieten sich die Firmen regelmäßig für die Kosten, um die Gigs an Land zu ziehen. Das heißt für die Artists, dass es üblich ist, unbezahlte Überstunden und Wochenendarbeit zu leisten und generell unterbezahlt zu werden. Wenn ein Projekt fertig ist, ist eine Übernahme in der selben Firma nicht gewährleistet, und das dadurch resultierende Nomadenleben, dass viele von uns führen, ist zwar aufregend und spannend wenn man jung ist, aber wenn man irgendwann Familie und Kinder haben möchte, wird das ganze problematisch. Zudem gibt es keine Gewerkschaft, die sich für die Rechte der Artists einsetzt, und dadurch, dass die Branche so international ist, gestaltet sich die Einführung einer Gewerkschaft auch mehr als schwierig.
Die Entwicklung in den letzten Jahren mit den Firmen, die bankrott gehen und den immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen ist wirklich beängstigend. Die generelle Atmosphäre in der Branche ist sehr angespannt, die Artists sind wütend. Ich persönlich glaube, dass es irgendwann in der Zukunft, zu einer Situation kommen wird, die das Fass zum Überlaufen bringt, und die Einführung von klaren Richtlinien unausweichlich ist.
Was wäre dein Traumprojekt?
Mein Traumprojekt wäre an einem Animationsspielfilm mitzuarbeiten, mit so authentischen Figuren und mit so viel Herz, dass er bei den Zuschauern einen ähnlichen Eindruck hinterlässt, wie die Disney Klassiker damals bei mir.
Und wofür würdest du dich niemals verkaufen?
Propaganda für Sachen für die ich nicht einstehe, und für einige Formate des deutschen Nachmittags-Privatfernsehens.
Standort Ludwigsburg – Vorteil oder Nachteil?
Vorteil: Wunderschöne Stadt, klein und beschaulich, man wird nicht viel abgelenkt und kann sich voll aufs Studium konzentrieren. Aber das könnte auch für manche ein Nachtteil für den Standort bedeuten, genau wie das schwäbische Kleinbürgertum mit ihrer Kehrwoche. Mich selbst hat das allerdings nie gestört. Und wenn man mehr Großstadt Feeling erleben will, ist Stuttgart gleich nebenan.
Was glaubst du, wie hätte dein Weg ohne die Filmakademie ausgesehen?
Ich wäre ganz sicher auch Animator geworden. Vielleicht wäre der Weg nicht so direkt gewesen wie mit der Filmakademie, aber ich weiß, dass ich auf Umwegen und mit Schlangenlinien meinen Kindheitstraum trotzdem verwirklicht hätte.
Das Interview führte Peter Wedig (Student Fernsehjournalismus/4. Jahr)