Interview mit Regisseur Sven Taddicken (Diplom 2003)

Wann haben Sie an der Filmakademie studiert?

1996-2002

Wie kamen Sie gerade auf Ludwigsburg?

Ludwigsburg war ehrlich gesagt die einzige Filmhochschule, die mich in meinem ersten Bewerbungsjahr direkt genommen hat. Und ich wollte loslegen – egal wo.

Was war dann Ihr erstes Projekt als Student an der Filmakademie?

„Whodunit!?“. Eine 7min lange Filmgestaltung - und die tragische Liebesgeschichte zwischen dem „verrückten Tim“ und der „nackten Frau ohne Kopf“ - verwoben in einem absurden Krimiplot.

Wer waren Ihre Dozenten? (Hauptdozent)

Die wichtigsten waren wohl: Jochen Kuhn (Filmgestaltung), Christian Wagner (Regie2), Nico Hofmann und Lutz Konermann (szenischer Film).

Was haben Sie von ihr bzw. ihm gelernt?

Jochen Kuhn: Wenn Du eine Sau rauszulassen hast, solltest Du das tun. Christian Wagner: Schauspielführung, Nico Hofmann: Dass ich ruhig an mich glauben kann.

Die Filmakademie feierte im Sommer 2016 ihr 25-jähriges Bestehen. Wenn Sie heute zurückblicken, was schätzen Sie an dem Studium der Ludwigsburger Hochschule am meisten?

Dass ich viele Mitstreiter gefunden habe mit denen ich damals, oder auch heute zusammen arbeite. Und ich wüsste nicht, wo ich sie sonst hätte finden sollen.

Welche Vorbilder haben Sie?

Inspiriert haben mich vor allem Kubrick, die Muppet Show und Nicolas Roeg, der mit all seinen Höhen und Tiefen einer meiner „Lieblingsregisseure“ ist. Und ich werde nie vergessen, wie ich mit 13 „Fessle mich!“ von Almodovar im Fernsehen gesehen hab. Wie man sieht, lege ich mit meinen Vorbildern ungerne fest. Aber ich mag Vorbilder. Sie geben Dir das Gefühl, nicht allein zu sein.

Welche Arbeit hat Sie künstlerisch am meisten herausgefordert?

Kommt noch.

Was haben Sie zuletzt gemacht?

Ich habe in Kenia ein Spielfilmprojekt als Regie-Mentor betreut, und in den letzten Jahren ganze drei Drehbücher geschrieben - von denen ich zwei in den nächsten Jahren hoffentlich verfilme. Tatsächlich war das seit Ludwigsburg meine wildeste und herausforderndste Zeit.

Seit Ihrem Diplom an der Filmakademie haben Sie TV- und Kinofilme gedreht. Welches Format ist reizvoller?

Wenn das Drehbuch stimmt, macht die Arbeit an beidem Spaß. Aber mir gefällt die Verantwortung, die man bei einem Kinofilm hat. Der Film muss mehr sein, als einfach nur gut. Er muss etwas Besonderes und/oder Persönliches sein, damit er sein Publikum ins Kino lockt.

Worin liegt der Unterschied?

Qualitativ sehe ich kaum Unterschiede. Es gibt viele Fernsehfilme, die ich für bessere Filme halte als viele Kinofilme. Auch bei der Arbeit am Set habe ich wenig Lust nach Unterschieden zu suchen. Filme sollen ehrlich, glaubhaft und spannend sein... das trifft für beide Auswertungsformen zu. Der Unterscheid liegt viel mehr in der Rezeption – bzw. dem Commitment der Zuschauer. Einen Kinofilm muss ich wirklich sehen „wollen“, auch wenn ich ihn nur als VOD auf meinen Laptop runterlade. Fernsehfilme haben in unserer Kultur irgendwie einen sichereren Platz. Wie die gute alte Tageszeitung.

Sie sind innerhalb kürzester Zeit für ihre Filme mehrfach prämiert worden. Spüren Sie dadurch eine gewisse Erwartungshaltung?

Ja und nein. Vor allem erwarte ich viel von mir selbst. Aber ich habe häufig genau dann Erfolg gehabt, wenn ich etwas Neues probiert habe. Z.B. „Emmas Glück“ oder auch meine Regie3 „Schäfchen zählen“ (an die ich mich gut erinnern kann) gehören im Nachhinein ganz selbstverständlich zu meiner Filmographie. Aber in beiden Fällen habe ich für meine Verhältnisse viel Neuland betreten.

Spornt Sie Erfolg an?

Ja. Erfolg bringt Bestätigung. Und Bestätigung macht Dich gelassen. Das ist ganz einfach. Natürlich bringt mich fundierte Kritik auch weiter. Aber 1. bekommt man davon in unserer mitteleuropäischen Kultur mehr als genug, und 2. bin ich grundsätzlich sehr selbstkritisch und ein eher suchender Mensch – auch wenn ich das inzwischen am Set zu verbergen, bzw. zu nutzen weiß.

Es gibt Regisseure, die haben bereits vor Drehbeginn ihren Film vor Augen. Andere lassen sich bewusst von ihren Schauspielern inspirieren. Welcher Typ sind Sie?

Ersteres. Ich finde schon, dass vor allem die Schauspieler einen Film tragen. Aber es reicht nicht, sie einfach zu beobachten und abzufilmen. Ein guter Film hat neben dem Plot und seiner Darstellung auch eine Haltung. Und die macht sich vor allem in seiner Form bemerkbar. Und auf die arbeite ich natürlich ganz bewusst hin.

Wie wählen Sie die Schauspieler aus?

Bauchgefühl. Es ist dabei im Grunde auch wichtiger, dass ich mich für den Menschen an sich interessiere, als dass er genau aufs Rollenprofil passt.

Was hat Sie an der Filmakademie für Ihr Profil als Regisseur am meisten geprägt?

Schwer zu sagen, was einen wirklich prägt. Das ist einfach so viel. Aber ich bin vor allem dankbar für die vielen Kurzfilme die ich in Ludwigsburg drehen und zeigen konnte, um meinen Stil weiter auszureizen.

Gab es an der Filmakademie Kommilitonen mit denen Sie besonders gerne zusammen gearbeitet haben und hat sich diese Zusammenarbeit auch nach dem Studium fortgesetzt?

Klar, einige: Daniela Knapp (Kamera), Matthias Pacht (Buch), Steffen Kahles (Musik), Manuel und Alexander Bickenbach (Produktion), Michael Pröhl (Buch), – nicht zu vergessen die vielen Wegbestreiter von damals und heute: Wolfgang Kerber, Antje Krutz, Sven Bohse und viele andere.

Denken Sie, dass sich rund um LB ein Medienstandort etabliert hat? Wenn nein – welche Voraussetzungen müssten geschaffen werden?

Ja und nein. Ich sehe viele Firmen, vor allem im Animationsbereich, die sich durchaus halten und von dem Standort profitieren. Im Grunde scheint mir die Filmlandschaft im Südwesten „vorhanden“ und nicht wackeliger als woanders. Man muss ja auch nicht gleich ein neues München oder zweites Berlin erwarten.

Welches Erlebnis gehört zu ihren schönsten und schrecklichsten Erinnerungen an der Filmakademie?

Schönstes: Im ersten Jahr Regieassistent für einen Diplomfilm sein. Schrecklichstes: Im ersten Jahr Regieassistent für einen Diplomfilm sein. Das war „Tunnel“ von Martin Libich, 1997. Ich bin damals total ins kalte Wasser gesprungen und habe wohl einen der schlechtesten Jobs meines Lebens gemacht. Aber es war eine verdammt lehrreiche Zeit bei einem wirklich beeindruckenden Projekt, wofür ich immer noch dankbar bin. Auch wenn mir meine damalige Unerfahrenheit als 1st AD immer noch leid tut.