Gudrun Weiler, Absolventin Regie/Dokumentarfilm

"Ich brauch's einfach bunt: viele Menschen, viele Sachen. Abwechslung hält mich auf Trab."

Gudrun Weiler macht Dokumentarfilme. Und setzt dabei jedes Klischee außer Kraft: Sie steht zu ihrer Vorliebe für kurze Formate, macht von Produktion über Kamera und Schnitt alles selbst und arbeitet bevorzugt auf Auftrag.

Die Frage, wie man Beruf und Familie unter einen Hut bringen kann, stellen sich viele Selbständige. Eine schönere Lösung als Gudrun Weiler dürften nur wenige finden: Zum Interview lädt sie in ihr Haus in Kornwestheim, das außen mit einem wild-romantischen Garten und innen mit lichtdurchfluteten Räumen punktet. Für die Dokumentarfilmregisseurin ist es Wohnort, Büro, Studio und Oase zugleich. Gudrun hält ihre acht Monate alte Tochter Karlotta im Arm und erzählt, wie die Entscheidung, für ein Filmstudium nach Ludwigsburg zu kommen, ihr Leben geprägt hat.

Aufgewachsen in einem kleinen österreichischen Dorf bei Lienz, entdeckt Gudrun früh ihre Leidenschaft für die Kunst. Mit 15, einem Alter, in dem andere mit Pubertät und Schule ausgelastet sind, lebt Gudrun ihre Tagträume aus: Sie liest viel, geht ins Theater und in die Oper. „Meine Freunde hat das wenig interessiert", Gudrun lächelt milde, „da habe ich gemerkt, dass ich irgendwie anders ticke." Die logische Konsequenz: ein Schauspielstudium. Gudrun spielt am Landestheater in Innsbruck, tritt drei Jahre lang nach dem Studium auf der Bühne auf. Doch sie sehnt sich nach neuen Abenteuern, will noch unmittelbarer kreativ werden. Bei einem Besuch in Prag, wo ihr Onkel seinerzeit lebte, erzählt ihr eine Bekannte von der dortigen Filmhochschule. Gudrun ist Feuer und Flamme, lernt Tschechisch und nimmt an einem Jahresprogramm der renommierten Filmhochschule teil. Nach einem Jahr streckt Gudrun wieder ihre Fühler aus und erfährt – diesmal kommt der Tipp von einem Kamerastudenten aus Tschechien – von der Filmakademie.

Gudrun bewirbt sich für den Studienschwerpunkt Dokumentarfilm und beginnt 2000 ihr Studium in Ludwigsburg. Dass sie damit einen Glücksgriff macht, wird Gudrun erst später bewusst: „Ich kannte die Filmakademie vorher nicht und habe mich nur dort beworben. Ich hatte keine Vorstellung davon, dass so viele Anwärter auf einen Studienplatz kommen." In ihren fünf Jahren an der Filmakademie taucht Gudrun voll ins Filmemachen ein: Im zweiten Jahr des Grundstudiums belegt sie das Fach Bildgestaltung/Kamera, weil sie „einfach machen, statt nur schreiben" wollte. Sie schnuppert in die Abteilung Montage/Schnitt, lässt sich von der damaligen Professorin Clara Fabry die Grundlagen erklären, besucht Vorlesungen aus ganz unterschiedlichen Studienrichtungen. „Ich habe immer quer studiert", sagt Gudrun, "das fand ich so toll an der Filmakademie. Die Dozenten haben immer ein offenes Ohr, helfen bei Fragen weiter und man kann sich kreativ austoben."

Bevor sie das sichere Netz der Filmakademie verlässt, besucht Gudrun einen Kurs für Existenzgründung, in dem Diplomanden wie sie darauf vorbereitet werden sollen, was sie nach der Filmakademie erwartet. „Für mich stand fest, dass ich mich gleich nach dem Studium selbständig machen würde. Das Seminar hat dabei sehr geholfen, ich bin ganz zuversichtlich an die Sache herangegangen. Und habe nebenbei in dem Kursleiter meinen künftigen Steuerberater gefunden", erzählt sie.

Einen genauen Plan aufzustellen, hat sich für Gudrun nicht nur bei der Firmengründung bewährt: „Ich plane meine Aufträge ganz genau durch, sonst wäre das als Alleinunternehmerin mit Kind auch gar nicht machbar." Diese so gar nicht dem Klischee des verträumten Dokumentarfilmregisseurs entsprechende Aufgeräumtheit zahlt sich für Gudrun aus: „Ich kann gut von dem Job leben, habe tolle Auftraggeber und genieße trotzdem künstlerische Freiheit", sagt sie und strahlt.

So hat sie zum Beispiel eine Krankenschwester porträtiert, das Making-of für den Kinderfilm SAMS IM GLÜCK gedreht oder den österreichischen Künstler Hans Salcher zu seinen neuen Werken befragt. Die meisten von Gudruns Projekten kreisen um das Thema Kunst im engeren Sinn. „Ich bin sehr froh, Filme über Themen zu machen, die mich aufrichtig interessieren. Und mich nicht um Aufträge sorgen zu müssen – das ist ein großer Luxus." In der Region zu bleiben, sei eine wunderbare Entscheidung gewesen. „Viele Regisseure gibt es hier nicht – wenn man dann noch gut ist und sich bei einem Kunden beweist, kann man sehr gut vom Filmemachen leben", so Gudrun.

Dass sie für kurze Formate brennt (ihr längster Film ist eine Stunde lang), stellte sie während des Studiums fest. „Ich brauch's einfach bunt: viele Menschen, viele Sachen. Abwechslung hält mich auf Trab", fasst sie ihre Motivation zusammen. Kollegen, die jahrelang an einem Thema arbeiten und einen Kinofilm auf die Beine stellen, der durchgehend spannend ist, bewundert sie sehr. Doch sie besinnt sich ihrer Stärke, Menschen in relativ kurzen Formaten zu porträtieren – und wird dafür mit der Freiheit belohnt, „einfach machen zu dürfen."

Gudrun geht bei ihrer Arbeit ganz klassisch vor, will die Situation und ihre Protagonisten so wenig wie möglich in ihrer Natürlichkeit beeinflussen. Kamera aufstellen und sehen, was passiert – das ist ihre Devise. „Am liebsten wäre ich eine kleine, graue Maus in der Ecke des Raums", sagt sie und lacht. Oft sind ihre Interviewpartner erst einmal irritiert, dann öffnen sie sich. „Ein Protagonist hat einmal sein Kindheitstrauma vor der Kamera ausgepackt, ohne, dass ich danach gefragt hätte." Gudrun hat die Szene nicht in den Film aufgenommen, ist aber umso dankbarer, in ihrem Beruf diesen seltenen, wahren Momenten begegnen zu dürfen. Für die Zukunft wünscht sie sich, „immer wieder spannende, neue Leute kennenzulernen. Wenn es immer so weiter geht, ich immer neue Abenteuer erleben darf, bin ich froh."

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Autorin: Ana-Marija Bilandzija