Florian Cossen, Absolvent Regie / Szenischer Film
„Das Drehbuch muss mich kicken“
„Als Kind lebte ich fünf Jahre lang in Kanada und wollte gerne Polarforscher werden“, erzählt Florian Cossen amüsiert. „Zum Film bin ich dann erst relativ spät gekommen.“ Zusammen mit seinem besten Freund aus Montreal drehte er zwar schon in der Schulzeit kleinere Filme, „trotzdem hat es gedauert, bis ich gemerkt habe: Ah, das könnte auch mein Beruf sein!“ Anfangs arbeitete er als Regieassistent in Köln, machte Praktika und las Fachbücher zum Thema Film. Mehrfach bewarb er sich an deutschen Filmhochschulen und wurde mehrfach abgelehnt. „Eigentlich wollte ich immer unbedingt nach Berlin“, erzählt er lachend. „Dann bekam ich aus Ludwigsburg eine Zusage und habe ich mich sehr darüber gefreut.“
An der Filmakademie knüpfte er schnell Kontakte und Freundschaften zu anderen Studierenden. „Gemeinsam mit meinen Regie-Kommilitonen bildeten wir gewissermaßen die Gruppe der ‚Berlin-Gescheiterten’. Wir waren eine tolle Klasse. Von meinen Kommilitonen, beispielsweise Christian Schwochow und Burhan Qurbani, habe ich am allermeisten gelernt.“ In Ludwigsburg fühlte sich Cossen auf Anhieb wohl. „Dass alle Studenten an der Filmakademie aus verschiedenen Fachrichtungen kamen und so viele talentierte Leute unter ihnen waren, war super. Der eine kannte sich schon mit Kameraführung aus, der andere hat 3D-Figuren gebaut.“
Im Grundstudium, so Cossen, habe er es sehr genossen, über den Tellerrand zu gucken und viele Bereiche des Films selbst zu entdecken. „Die Arbeit mit einem Drehbuch hat mich zum Beispiel sehr interessiert. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich selbst kein Drehbuch schreiben, aber dennoch als Regisseur an der Drehbucharbeit beteiligt sein möchte.“
Im Urlaubsjahr, das Cossen während des Studiums einlegte, reiste er durch die Welt, drehte mit seinem besten Freund in Montreal einen Film und besuchte die Filmhochschule in Buenos Aires, Argentinien. Direkt nach seinem Diplom produzierten Jochen Laube und Fabian Maubach mit Cossen seinen ersten Langfilm DAS LIED IN MIR (2010). Mit im Team waren auch der Filmmusikkomponist Matthias Klein und die Drehbuchautorin (und zugleich Ehefrau von Florian Cossen) Elena von Saucken. DAS LIED IN MIR erhielt zahlreiche Preise und motivierte Cossen in seinem künstlerischen Schaffen. „Bis dahin hatte ich an der Filmakademie meiner Meinung nach ziemlich mittelmäßige Kurzfilme gemacht, da fehlt mir einfach das Gen für. Ich habe immer gehofft, dass das daran liegt, dass mir eher der Langfilm liegt. Zum Glück war es dann auch so.“
Mit Matthias Klein und Elena von Saucken hat er noch an vielen weiteren Produktionen gearbeitet. „Das ganz große Gros der Leute, mit denen ich heute noch zusammenarbeite, kenne ich schon aus der Zeit an der Filmakademie“, erzählt Cossen. Dies sei ein großer Pluspunkt der Filmakademie. „Man lernt so viele Leute kennen, bekommt die nötige Technik gestellt und kann an der Filmakademie wirklich eine ganze Nacht lang drehen, wenn man möchte.“ Dafür habe es zu seiner Zeit relativ wenige filmtheoretische Seminare gegeben. „Es gab keine Kurse in Ästhetik oder Theater, wie ich sie in Argentinien hatte.“ Auch die Konkurrenz unter den Studierenden sei extrem hart gewesen. „Ab dem dritten Jahr fährt jeder die Ellenbogen aus und versucht, sich voller Ehrgeiz durchzuboxen“, sagt er. „Es gibt halt nur einen BR-Geldtopf, und der Druck ist enorm. Ich habe dabei aber sehr viel gelernt, und diese ständige Konkurrenz war mit Sicherheit auch ganz gesund für uns alle. An der Filmakademie lernt man nicht nur fachliche Dinge, sondern auch seine Schwächen kennen.“
Zweifel habe es während des Studiums durchaus mal gegeben. „Ob man am Drehbuch arbeitet oder im Schnitt sitzt – man fragt sich immer wieder, ob man das überhaupt hinkriegen kann, ob man überhaupt gut genug ist. Aber nach einigen Tagen sah die Welt dann schon wieder ganz anders aus. Ich habe nie daran gedacht aufzuhören. Allerdings weiß ich nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich nach dem Grundstudium nicht in die Klasse der szenischen Regie aufgenommen worden wäre.“
Noch vor seinem Abschluss an der Filmakademie zog Florian Cossen nach München und pendelte von dort nach Ludwigsburg. „Obwohl ich immer nach Berlin wollte, hat es sich für mich ausgezahlt, stattdessen nach München zu ziehen“, sagt er. „Hier lebt es sich sehr angenehm, auch deshalb, weil man ein bisschen weg vom Radar ist. Man wird nicht ständig gefragt, was läuft und was nicht läuft. Aber wer weiß: Wenn die Zeit reif ist, ziehe ich vielleicht irgendwann doch noch nach Berlin.“
Im vergangenen Jahr hat Cossen einen Film für die ARD abgedreht, als Teil einer Trilogie, die die NSU-Morde thematisieren: Aus Täter-, Opfer- und Ermittlerperspektive. Cossen hat die Seite der Ermittler verfilmt. „Die Handlungen der Filme kreuzen sich auch, sind aber ansonsten komplett eigenständig und jeder Film hat ein anderes Team mit einem anderen Regisseur.“
Seine Inspiration sammelt er in Buchläden, Fotobänden oder auf Reisen mit der Familie. „Oft verbinden wir die Recherchen für neue Stoffe mit Reisen. In den Sommern 2012 und 2013 zum Beispiel bin ich mit meiner Familie auf Locationsuche durch Kanada gefahren.“
Um sich zu entspannen oder abzuschalten, hat Florian Cossen ein ganz einfaches, aber wirksames Rezept: „Ich schlafe sehr gerne. Im normalen Alltag hält sich das in Grenzen. Wenn ich dann mal den Kopf freikriegen möchte, schlafe ich einfach.“
Damit Cossen ein Projekt annimmt, muss ihn der Stoff vollends überzeugen. „Die Grundidee eines Projekts muss mich filmisch emotionalisieren. Ich achte darauf, ob ich ein Gefühl dafür bekomme, wie ich das filmisch umsetzen könnte. Das Drehbuch muss mich kicken.“
Autorin: Meike Katrin Stein