Christian Strang, Szenenbildner

„Wenn man’s macht, dann macht man’s richtig!“

Und das bedeutet, man weiht das heutige Albrecht Ade Studio, damals noch Studio 2, mit einem für damalige Verhältnisse äußerst üppigen Studiobau ein. So üppig, dass die Projekte danach erst mal eine Nummer kleiner werden mussten. Für damalige Verhältnisse.

DER BLAUE AFFE war dafür verantwortlich, Christian Strangs Diplom als Szenenbildner. Ein ganzes Varieté, gehalten im Stil der 1920er Jahre. Am legendären Schwarzen Freitag. Allein vier Monate gingen für die Umsetzung des Studiobaus drauf.

Und seither ist Christian den historischen Stoffen treu geblieben. Auch wenn er zu bedenken gibt: „Schon die 1980er Jahre sind heute bereits historisch, weil man nichts mehr originalgetreu vorfindet und somit alles zeitgemäß ausstatten muss. Epochen und deren prägendes Design wandeln sich permanent. Und heutzutage ist ein Stilwandel meist schon nach etwa 10 Jahren komplett vollzogen.“

Der Szenenbildner will gefordert werden. Ist man erst einmal Spezialist für ein Thema, wird man das so schnell nicht mehr los. Seine Vorteile hat das Gebiet der historischen Szenografie sowieso. Da ist natürlich der Reiz, sich in vergangene Jahrzehnte und Ereignisse hinein zu versetzen und diese im Filmset wieder aufleben zu lassen. So realistisch wie möglich. Und wenn es ums Budget geht, bedarf es in der Regel nicht vieler Worte, um überzeugend zu erklären, wofür man es braucht. Und manchmal auch etwas mehr davon als sonst üblich…

Mit seinen bislang elf Kino- und Fernsehproduktionen hat Christian schon einige Epochen durch. Vom 15. Jahrhundert (HENRI 4) bis zu den unterschiedlichsten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Dass eine Epoche reizvoller für ihn wäre als die andere, könne er aber nicht sagen.

Dabei hat es Christian eher zufällig nach Ludwigsburg verschlagen. Eigentlich stand ein Studium der bildenden Kunst ganz oben auf dem Plan. Doch als die Entscheidung näher rückte und er sich endgültig festlegen musste, entschied er sich kurzfristig um: gegen die Kunst und für die Architektur. Im Nachhinein ein Glücksfall: Das Architekturstudium bot die ideale Grundlage zur Planung von temporären Bühnenbauten.

Auch wenn man meinen sollte, für Architekten steht etwas Langlebiges im Vordergrund, so spezialisierte er sich auf Messe-, Event- und Ausstellungsbau. Dinge, „bei denen es darum geht, eine gute Show zu liefern. Und dann kommt’s auch wieder weg.“ Zwei Jahre planen, am Ende steht der Bau nur fünf Tage – doch Christian Strang schätzt die kreative Freiheit, die man bei solchen Entwürfen hat. Da kann auch schon Mal ein Dach schweben. Nachhaltig muss es ja nicht sein.

"Man sollte eigentlich vermuten, dass einem als Architekt das Herz blutet, wenn die Sachen nie Bestand haben, aber ich bin komischerweise jedes Mal aufs Neue recht froh, wenn der Abbau vonstatten gegangen und alles wieder weg ist.“ Tabula rasa also, um sich ohne Ballast und mit ganzer Kraft und frischen Ideen dem nächsten Projekt zu widmen.

Die Filmakademie entdeckte Christian eher zufällig für sich: Für einen Musikvideo-Workshop wurden Szenenbildner gesucht. Christian schnupperte rein – und blieb hängen. Für ihn keine große Umstellung. Stattdessen der Vorteil, das eigene Werk später langfristig noch im Film bewundern zu können. So bleibt zumindest etwas erhalten.

Ein Glück also, dass der Studienschwerpunkt Szenenbild an der Filmakademie gerade noch rechtzeitig zum Ende von Christians Architekturstudium auf den Weg gebracht wurde. Während der Workshops gab es ihn nämlich noch gar nicht.

Kein Wunder also, dass die Idee für den weiteren Werdegang erst so spät aufkam. Zwar wurde das Interesse am Konstruieren dem Sohn eines Maschinenbau-Ingenieurs gewissermaßen mit in die Wiege gelegt. Auch für Zeichnungen in dieser Richtung konnte er sich bereits als Kind begeistern. Doch zunächst drehten sich die beruflichen Zukunftsträume mehr um Industrie- oder Automobildesign.

Fragt man Christian nach Vorbildern, fallen ihm vor allem Dante Ferretti und Ken Adam ein. James-Bond-Filme mit Sets gigantischen Ausmaßes wie dem eines MOONRAKER zum Beispiel. Oder METROPOLIS von Fritz Lang. Angesprochen auf dieses Thema macht sich bei ihm denn auch ein wenig Wehmut breit, dass Filme und Bauten eines solchen Ausmaßes in Deutschland heutzutage, von ganz seltenen Ausnahmen vielleicht abgesehen, nahezu ausgeschlossen sind.

Nach Amerika würde es ihn trotzdem nicht unbedingt ziehen, denn als Szenenbildner einen Film in Deutschland den eigenen Ansprüchen entsprechend zu bebildern, sei schon Herausforderung genug. Zwar macht sich die zerklüftete und teils schwer kalkulierbare deutsche Filmförderkultur auch in seinem Verantwortungsbereich bemerkbar (Ländereffekte müssen bei der Teamzusammenstellung beachtet werden, Motive entsprechend der regionalen Förderzusagen ausgewählt werden, etc.), aber damit so umzugehen, dass es dem fertigen Film nicht negativ anzumerken ist, sei, so Christian, eben auch eine wertvolle berufliche Erfahrung. Oder, wie er augenzwinkernd hinzufügt, ein Zusatzkick, den es so wohl nur in Deutschland gibt.

Mittlerweile ist Christian selbst als Dozent im Fachbereich Szenenbild an der Filmakademie tätig, das eigene filmische Schaffen überwiegt aber weiterhin. Aber die Verbindung zu den Studierenden, zu sehen, was diese heute entwickeln, macht für ihn einen besonderen Reiz aus. So ermutigt er die Studierenden die Experimentiermöglichkeiten, die ihnen der vergleichsweise geschützte Raum der Hochschule bietet, auch ausgiebig zu nutzen. Gerade im Bereich des Genre-Films, der zu Christians Bedauern in Deutschland nur ein Nischendasein fristet.

Christian ist auch nach seinem Studium dem Schwabenland treu geblieben. Der Übergang vom Studium in die professionelle Welt lief gut, Anfragen gab und gibt es erfreulicherweise genug. Dabei macht sich das Netzwerk der Filmakademie bis heute sehr positiv bemerkbar: In drei von vier Produktionen arbeitet er mit Regisseuren zusammen, die ebenfalls an der Filmakademie ausgebildet wurden.

Was er heute machen würde, hätte es den Workshop damals nicht gegeben? Womöglich würde er in einem Stuttgarter Architekturbüro Messe-, Event- oder Ausstellungsbauten entwerfen oder ganz profan als freischaffender Architekt versuchen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Und was geht für ihn gar nicht? Weniger als das Bestmögliche aus den meist (zu) knappen Budgets zu machen, die ihm zur Verfügung stehen. Denn auch wenn es das Geld oft kaum hergibt: „Wenn man etwas macht, dann macht man es richtig!“ Und das heißt, dass ein jedes Set professionell patiniert wird und bei historischen Stoffen gefälligst genau die Steckdose an der Wand zu sehen sein muss, die ihrer Zeit entspricht. Oder eben gar keine.

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Autor: Peter Wedig