Boris Gromatzki, Absolvent Montage/Schnitt (2008)

"Im Schneideraum ist der Film ganz bei sich."

An der Montage kam der Editor Boris Gromatzki einfach nicht vorbei. Auch heute noch ist seine Faszination für die Suche nach dem perfekten Zusammenspiel von Bild, Ton, Musik und Sprache ungebrochen.

"Im Schneideraum ist der Film zuhause. Dort ist er ganz bei sich", antwortet Boris Gromatzki wohl überlegend auf die Frage, was ihn an der Montage von Anfang an begeisterte. Jeder Film ist eine neue Suche für ihn, bei der er das "Maximum aus dem Material herausholen möchte" und darum bemüht ist, dem Film die bestmögliche Form zu verleihen. Das, sagt er, macht nach wie vor die Faszination seiner Arbeit für ihn aus.

Raum der Faszination

Während eines Praktikums, das ihn eigentlich zur Fotografie bringen sollte, "stolperte" Boris am ersten Tag wortwörtlich in den Schneideraum hinein. Und wollte genau dort bleiben. Die Ausbildung zum Fotografen rückte schnell in den Hintergrund. "Da saß ein Editor in diesem dunklen Raum ohne Fenster und haute in die Tasten", erinnert er sich und schmunzelt. Lange Pausen begleiten seine Erzählungen. Wie in seiner Arbeit scheint er nach den richtigen Worten zu suchen, nach der richtigen Form, um die Faszination, die von Anfang an für die Montage vorhanden war, zu beschreiben. Beeindruckt war Boris in jedem Fall und wie magisch angezogen. "Ich habe ab dem ersten Tag immer wieder versucht, in dieses Zimmer zu kommen", sagt er und lacht. Es ist ein leises Lachen, unaufdringlich, wie auch seine Worte. Er begann eine Ausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton und ist seitdem in diesem dunklen Raum selbst zu Hause. "Ich sitze gerne wochenlang am Schneidetisch und tüftle", sagt er. Kurzweilige Formate wie Werbung seien weniger seine Sache. Er will sich Zeit nehmen für das Material und sich der Suche nach der bestmöglichen Form für den Film ganz hingeben.

Machen!

Viele Erfahrungen, die dem Wahl-Berliner noch heute bei seiner Arbeit als Editor zugute kommen, hat Boris während seiner Zeit an der Filmakademie mitgenommen. Weniger die Seminare brachten ihm den größten Lernerfolg, sondern vor allem die Fülle der Filme, die er während seines Studiums geschnitten hat. "Ich glaube, das ist auch das, wobei man am meisten lernt: beim Machen!", sagt er mit Nachdruck. Da das Geld knapp wurde und er dringend dazu verdienen musste, legte Boris nach einigen Jahren des Studierens und Machens ein Urlaubsjahr ein. Als Assistent seiner Dozentin Clara Fabry ging er nach München und lernte dort die Regisseurin Sherry Hormann kennen. Sie nahm ihn mit nach Berlin, und Boris arbeitete mit ihr am Piloten der Serie DER KRIMINALIST. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser", erinnert er sich. Besonders, da es sich um den ersten Film für's Fernsehen handelte, waren "Kraft und Durchhaltevermögen" gefragt, um die "Feuerprobe" zu bestehen.

Stagnation

Ein Film später: DUTSCHKE, unter der Regie von Stefan Krohmer, brachte Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis. Sein Diplom wollte Boris dennoch zu Ende bringen. "Und danach", sagt er so besonnen und ruhig wie die meiste Zeit während des Gesprächs, "stagnierte es." Einige Jahre kamen keine großen Jobs rein, und zur gleichen Zeit wurde seine Frau schwanger. "Das war schon dramatisch zu der Zeit", erinnert er sich und macht eine große Pause. "Ich war drauf und dran, alles hinzuschmeißen und nicht mehr zu schneiden." 

Boris bemüht sich um eine Festanstellung und schneidet einige Zeit In-House, kümmert sich aber hauptsächlich um technische Dinge, die dort anfallen. Es dauert eine Weile, aber dann kommt ein Auftrag, der alles Weitere ins Rollen bringt. Regisseur Uwe Janson sucht einen Editor für den Film DER MINISTER. Und Boris sitzt wieder im Schneideraum.

Balance-Akt

"Ich habe das große Glück, dass ich bis jetzt fast ausschließlich spannende Filme machen konnte", sagt er im Blick auf seine bisherige Filmografie. Und "dass mir die Menschen, mit denen ich arbeite, vertrauen und einen großen kreativen Spielraum überlassen." Er selbst geht sehr intuitiv an die Montage heran, lässt das Material auf sich wirken und analysiert erst später. 

So arbeitete Boris auch mit Regisseur Züli Aladag bei einem seiner jüngsten Filme, dem zweiten Teil der Trilogie MITTEN IN DEUTSCHLAND: NSU, die sich mit der NSU-Mordserie auseinandersetzt. DIE OPFER - VERGESST MICH NICHT basiert auf den Erinnerungen von Semiya Simsek, der Tochter des ersten Opfers Enver Simsek. Die Montage an dem Film hat den Editor selbst sehr berührt. Und war ein echter Balance-Akt. "Die richtige Dosierung an Emotionalität zu finden, die das Thema mit sich bringt, um nicht den Punkt zu überschreiten, an dem man es nicht mehr erträgt, war eine schwierige Aufgabe", erklärt er. Die er erfolgreich gelöst hat. “Bei der Premiere war ich selbst emotional noch einmal richtig überwältigt", erzählt er, und bei der Erinnerung an die Arbeit daran wird der sonst so besonnene Boris Gromatzki energisch. "Es ist toll, wenn mich ein Film dann noch einmal so berührt, obwohl ich ihn während des Schnittprozesses schon x-mal gesehen habe", sagt er.

Fremde Orte

Auch nach zehn Jahren ist jedes neue Projekt immer noch eine Herausforderung. "Es ist immer erst einmal so, als ob man an einen fremden Ort kommt, sich noch nicht auskennt und erst einmal orientieren muss", beschreibt er das Gefühl. "Dann dauert es einige Tage, bis man wieder Sicherheit hat.“

Boris lebt mit seiner Familie in Berlin, und derzeit mangelt es nicht an Aufträgen. "Ich bin zufrieden", sagt er. "So kann es gerne weitergehen."

ALUMNI-PROFIL

Autorin: Elena Preine