Bernd Lange, Absolvent Drehbuch

„Man merkt, wenn man anfängt Drehbuch zu studieren, dass man die Katze im Sack kauft und in Wahrheit keine Ahnung hat, ob man das kann oder nicht.“

Bernd Langes Entscheidung, an die Filmakademie zu gehen, war kein lang gehegter Wunsch. Obwohl ihm Ludwigsburg als gebürtiger Herrenberger vertraut war, fiel die Entscheidung, sich für Drehbuch zu bewerben, rein zufällig durch den Rat eines Freundes: "Ich war Mitte zwanzig und habe zuvor dies und das gemacht. Etwas Seriöses konnte ich sowieso nicht mehr anfangen."

Ob man für das Drehbuchschreiben geeignet sei, in der Lage, das Handwerk richtig anzuwenden, das zeige erst die Zeit, wie er rückblickend weiß. Lange nutzte die Studienzeit an der Filmakademie, um sich auszuprobieren, viel zu schreiben und vor allem auch, um im geschützten Rahmen zu scheitern; für ihn eine Erfahrung, die man als Filmstudent machen und vor allem auch zulassen sollte. „Man sollte sich nicht schönreden, man sei als Orson Welles geboren. Das habe ich noch nie erlebt, und bei Orson Welles war es dann letztendlich auch nicht so.“

Er selbst hat an der Filmakademie vor allem von seinen Dozenten und deren Berufserfahrung, allen voran Drehbuchautor Michael Gutmann und der ehemaligen Redakteurin Susan Schulte, profitiert. Den Gedanken zuzulassen, sich selbst als Autor zu begreifen, war für Lange damals ein elementarer Schritt. Als der Alumnus aber dann diese Entscheidung für sich traf, hat er auch verstanden, dass Drehbuchschreiben für ihn nur funktioniert, wenn er es wie eine richtige Arbeit betreibt. Ähnlich wie ein Steuerberater arbeite er, wie er selbst sagt, vier bis fünf Stunden konzentriert an jedem Morgen. Der Wunsch, das Drehbuchschreiben auch nach dem Studium hauptberuflich betreiben zu können, war relativ früh da. Er habe deshalb in sehr bescheidenen Verhältnissen gelebt, weil er nebenher nur so viel gearbeitet habe, um sein Überleben zu sichern, den Rest der Zeit habe er mit schreiben verbracht. „Ich wusste, wenn ich jetzt locker lasse, dass ich dann nie mehr ins Schreiben zurückkomme.“

Letztlich erreichte Bernd Lange sein Ziel, der mit seiner Abschlussarbeit zu Hans-Christians Schmids REQUIEM das Drehbuch lieferte. Der Kinofilm feierte 2006 im Wettbewerb der Berlinale seine Premiere. Während des Studiums versuchte sich Bernd Lange auch erfolgreich als Regisseur. Mit dem Ziel, 25.000 DM bei einem Drehbuchwettbewerb für einen Kurzfilm zu erhalten, bewarb sich Lange in der Hoffnung, seine finanziellen Sorgen mit einem Mal los zu sein. Zwar habe er den Wettbewerb gewonnen, jedoch war das Preisgeld für die Umsetzung des Filmes gedacht. Lange drehte den Film WEICHEI, der unter anderem den Prix Kieslowski für das beste europäische Kurzfilmdrehbuch gewann, und wurde daraufhin von einem Redakteur des ZDF/Das kleine Fernsehspiel auf sein nächstes Projekt angesprochen. Wenig später inszenierte er das Drehbuch RABENBRÜDER des Filmakademie-Alumnus Matthias Pacht als Fernsehfilm.

Nach der Fertigstellung des Films war Lange gerade Vater geworden und stellte nun fest, dass er sich zwischen Regie- und Drehbuch-Karriere entscheiden muss. Beides zu vereinen, erschien ihm auf lange Sicht als zu kräftezehrend. Lange entschied sich für das Drehbuchschreiben und sagt heute, dass er als Autor ebenso viele Möglichkeiten habe, mit Schauspielern bei Castings oder Leseproben am Text zu arbeiten. Allgemein sollten Autoren in mehr Bereiche Einsicht erhalten, die außerhalb der Bucharbeit liegen, fordert er. Er selbst sieht es als unverzichtbar an, sich auch in spätere Arbeitsschritte einbringen zu dürfen und schätzt daher eine enge Abstimmung mit Regisseuren.

Vielleicht erklärt dies auch die jahrelange Zusammenarbeit mit dem Regisseur Hans-Christian Schmid, der bisher bei drei Spielfilm-Projekten mit Lange u.a. als Co-Autor fungierte. Die beiden teilen ein gesundes Diskussionsklima, erklärt Lange ihre fruchtbare Partnerschaft, die sonst eher selten scheint im schnelllebigen Filmgeschäft. „Wir können hart miteinander ins Gericht gehen, ohne dass der andere beleidigt ist.“ Beide verbindet das Interesse an den gleichen Themen, die sich um Familie oder das Leben in Kleinstädten drehen. So fiktionalisiert etwa REQUIEM das Leben des Exorzismus-Opfers Anneliese Michel. Schmid war allerdings nicht von Anfang an als Regisseur für Bernd Langes Diplomstoff vorgesehen. Eigentlich hätte es der gemeinsame Debütfilm mit einem Kommilitonen aus dem Bereich Regie werden sollen. Über Umwege gelangte Langes Buch jedoch zum Produzenten Jakob Claussen, der Schmid als Regisseur vorschlug. Dies stürzte Lange in einen Konflikt: Sollte er die Wünsche seines Kommilitonen berücksichtigen oder nicht? Er hielt sich an den Rat seines Dozenten: „Wenn du jetzt den Schritt ins Berufsleben machst, geht es nicht mehr darum, wer neben wem im Bus sitzt.“

Mehr Selbstbewusstsein, das ist es auch, was Bernd Lange heute in seiner Eigenschaft als Dozent an der Filmakademie seinen Drehbuch-Studierenden predigt. Gepaart jedoch mit der nötigen Selbstkritik und dem steten Willen, sich zu verbessern. Lange selbst vergleicht jedes seiner Drehbücher mit dem fertigen Film, um festzustellen, was geklappt hat und was nicht. Im Moment wagt er sich erneut mit Hans-Christian Schmid auf ein für ihn neues Terrain: Gemeinsam arbeiten sie an einer achttteiligen Mini-Serie für die ARD. Er sehe das serielle Schreiben im Moment als Bereicherung seines Tätigkeitsfeldes, so Lange, da sie in diesem Fall in neunzig Minuten nicht hätten erzählen können, was ihnen wichtig gewesen sei.

Auf die Frage hin, was er tun würde, wenn ihm keine Ideen mehr kämen, antwortet er nonchalant, dass er dann eben was anderes machen würde. Ob er dann doch seinen Jugendtraum der Önologie in Form eines Weinguts verwirklichen würde, dazu äußert er sich nicht. Vielleicht auch, weil er sich nicht vorstellen kann, etwas anderes zu tun als zu schreiben.

Alumni-Profil

Autorin: Janett Lederer

Foto Bernd Lange: © Gerald von Foris