AUF EINEN STARKEN, SCHWARZEN KAFFEE MIT...MICHAEL SCHREITEL

Lieber Michael, du hast im Jahr 2004 deinen Abschluss an der Filmakademie gemacht. Wie hast du deine Studienzeit in Ludwigsburg empfunden?
Ich fand das super. Das war wie ein Internat dort. Bevor ich dort studiert habe, wollte ich eigentlich unbedingt nach Berlin. Ich selbst komme ja auch aus der Umgebung, aus Marbach am Neckar. Dort bin ich aufgewachsen. Und zwischen den Jahren 1994 und 1996 habe ich sogar im Scala-Kino in Ludwigsburg gearbeitet. Dort habe ich viele Filme gesehen, weil ich natürlich nach meiner Arbeit immer in die Vorstellung mit reingegangen bin. Und da gab es immer diese Typen, die den Vorführraum bedient haben. Die, die die Filmrolle eingelegt haben. Das waren immer so Bärtige und die hatten diese coole Stadtklamotten an. Und ja, das waren immer die Filmakademie-Studenten, die im Scala-Kino gejobbt haben. Durch die habe ich damals erst erfahren, dass es eine Filmakademie gibt.

Aber bevor du dich beworben hast, hast du eine Ausbildung zum Elektroniker gemacht. Wie kam es dazu?
Das habe ich gemacht, genau (lacht). Weil Mathe und Physik schon immer Fächer waren, die mich interessiert haben. Und dann habe ich, übrigens auch in Ludwigsburg, meine Ausbildung zum Elektroniker gemacht. Aber ich war damit total unglücklich. Ich hatte glaube ich meine Midlife-Crisis also schon mit 19 Jahren. Ich dachte damals: Das kann es doch nicht gewesen sein! Nebenher habe ich aber immer Skateboard-Videos gedreht mit Freunden. Ich selbst war beim Fahren immer auf den Rollschuhen dabei und hatte somit den großen Vorteil, dass meine Hände immer frei waren. Und ich war damit auch schneller als die anderen. Dann habe ich mir irgendwann gedacht, dass ich die alte Video 8-Kamera von meinem Vater ausleihen könnte. Und dann habe ich damit kleine Clips gedreht und die meinen Kumpels gezeigt. Aber ich habe damals nie daran gedacht, dass daraus ein Beruf wird.

Dann hast du dich an der Filmakademie beworben?
Erst habe ich mein Abi nachgeholt in Stuttgart an der Technischen Oberschule und zu der Zeit habe ich auch damit angefangen zu fotografieren. Zu dem Zeitpunkt wusste ich dann schon, dass da zumindest ein gewisses Grundtalent besteht. Dann musste ich aber noch meinen Zivi machen, war aber schon 22 Jahre alt. Ich dachte, mein Leben zieht an mir vorbei. In Ludwigshafen gab es im Sommer einen Volkshochschulkurs, den ein Student von der Filmakademie geleitet hat. Ich war dort und er hat zu mir gesagt: Komm doch nach Ludwigsburg. Damals war ich mit der Stadt eigentlich schon durch. Ich wollte nach Köln, Berlin oder Hamburg. Aber garantiert nicht mehr zurück ins Schwabenland (lacht). Trotzdem habe ich damals schon gewusst, dass die Filmakademie eine gute Adresse ist. Aber vor der Bewerbung habe ich noch einige Praktika gemacht. Zum Beispiel in einem Filmgeräteverleih, in dem ich die Filmkameras wirklich von der Pike auf kennenlernen konnte. Als Kameraassistent und Clapper-Loader habe ich auch viel für Werbefilme gearbeitet. Parallel aber immer meine eigenen kleinen Filmchen gedreht. Und mit einem von den Filmen habe ich mich dann an der Filmakademie beworben.

Das hat dann ja auch gleich geklappt. Und du kamst doch zurück ins Schwabenland.
Ich habe in meinem Heimatort mit Freunden den 24-Stunden-Film gedreht. Das war sehr praktisch. Gleichzeitig habe ich zu der Zeit aber noch eine Weile in Köln gewohnt und kannte dort auch Leute, die sich ebenfalls an der Filmakademie beworben haben. Und ein späterer Kommilitone von mir hat mich gleich angerufen, als er seine Zusage bekommen hat. Ich hatte da aber noch keinen Brief von der Filmakademie bekommen und es war klar: Die Zusagen kommen zuerst, dann kommen die Absagen! Ich habe dann eine oder zwei Wochen gewartet und irgendwann dort angerufen und gesagt, dass sie mir doch wenigstens eine Absage schicken sollen (lacht). Aber dann hat sich herausgestellt, dass die Filmakademie sich in der Postleitzahl vertan hat und der Brief deshalb wieder dorthin zurückging. Ja, und dann habe ich so erfahren, dass sie mich doch angenommen haben. Da bin ich vor Freude schier ausgerastet!

Du drehst neben Langfilmen auch Werbefilme. Was unterscheidet sich in deiner Arbeit bei den beiden Formaten?
Lustigerweise wird das öfter gefragt. Ich habe während des Studiums schon zwei Kommilitonen kennengelernt, mit denen ich Werbung an der Filmakademie gedreht habe. Die waren auch immer ziemlich erfolgreich. Ich wollte aber einfach immer Bilder gestalten, ob im Langfilm oder in der Werbung. Bei der Werbung hat man oft mehr Zeit für die Gestaltung, weil es um 30 Sekunden geht. Du kannst zum Teil besser arrangieren und leichter eine Welt aufbauen. Das ist im Langfilm, besonders wenn es ein Studentenfilm ist, manchmal schwierig. Aber du kannst im Langfilm wirklich Geschichten erzählen. Das ist mir schon sehr wichtig. Bei der Werbung geht es manchmal auch nur um Zustände oder um Momente.

Gibt es unter den vielen Projekten, an denen du gearbeitet hast, auch Filme, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind? Sogenannte Meilensteine?
Bei mir gab es einen großen Karrieresprung, wenn man so will. Ich habe mit Philipp Kadelbach Folgen der Serie UNSCHULDIG gedreht. Und dafür habe ich dann den Deutschen Kamerapreis bekommen. Wenig später ist dann der Kameramann für den Zweiteiler LACONIA abgesprungen. Das Projekt war damals gefühlt für mich viel zu groß, aber die Produktion und der Regisseur haben es mir zugetraut und ich durfte diesen historischen Film machen. Ich hatte vorher nie etwas Historisches gedreht und plötzlich ein 200-Mann-Team dabei. Wir waren sechzig Tage in Kapstadt, um dort zu drehen. Nach der Arbeit an dem Film wusste ich: Wenn man es nur will, schafft man es. Und wenn man dran glaubt und keine Panik kriegt. Dann wird man das Schiff schon irgendwie schaukeln.

Schön gesagt. Das heißt, du bist durch die vielen Dreharbeiten entspannter geworden?
Ich konnte früher vor einem ersten Drehtag immer nicht schlafen, ohne dass ich nachts davon geträumt habe, was alles noch zu tun ist. Jetzt kann ich sagen: Man wird gelassener. Ich war für Spielfilme in Norwegen in Schneestürmen, habe in Island gegen Nebelwände gedreht, oder mit der Handkamera auf einem U-Boot auf offenem Ozean. Ich habe mich mit Schweizer Braunbären rumgeärgert, die nicht vor die Kamera wollten. Wenn man sein Handwerk beherrscht, wird man freier und flexibler und am Ende haben wir es immer geschafft, unsere Visionen richtig einzufangen. Wenn man an Grenzen stößt, muss man manchmal einen U-Turn machen und dann entstehen tolle Sachen, an die man nicht gedacht hat. Filmemachen ist so eine schwierige Angelegenheit, es kann so viel schiefgehen. Da sind so viele eigene Charaktere und Künstler dabei und alle wollen das Beste aus dem Film machen. Film ist eine Kunstform, die wir in einem Kollektiv machen müssen. Und das als solches ist ja schon eine komplexe Angelegenheit. Aber eben auch spannend. Weil es ein Pulverfass ist. Und das Pulverfass muss man in die richtige Richtung steuern, dann wird es ein Feuerwerk.

Gibt es etwas, was du den Kamerastudenten, die heute an der Filmakademie studieren, weitergeben kannst?
Such dir deine Projekte nach der Geschichte aus! In erster Linie sollte man sich für ein Projekt entscheiden, weil man selbst zumindest glaubt, dass das ein guter Stoff ist. Man steckt nämlich so viel Lebensenergie in diese Arbeit, ganz automatisch, aufgrund der Passion dafür. Dann muss man auf seinen Bauch hören und sich immer fortbilden. Also: Schaut viele Filme, geht in Ausstellungen und bleibt immer neugierig. Und niemals sollte man denken, dass man jetzt weiß, wie Film geht. Das entwickelt sich immer weiter. Wie bei der Musik. Oder bei der Malerei. Es ist ein ständiger Prozess. In zwanzig Jahren werden wir ganz andere Sachen machen als jetzt.

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DAS INTERVIEW FÜHRTE: Elena Preine