AUF EINEN LATTE MACCHIATO MIT... WOLFRAM KAMPFFMEYER

Lieber Wolfram, woher kommt deine Leidenschaft für Animation und 3D-Figuren?
Meine Generation gehört ja noch nicht zu den „Digital Natives“, aber ich kam durch meinen Vater, der mit Computern arbeitete, schon relativ früh mit der Computerwelt in Kontakt. Die Walt-Disney-Filme haben mich immer schon begeistert und auch zum Computer entwickelte ich eine gewisse Affinität, habe mir 3D-Programme gekauft und damit „gebastelt“. Nach dem Abitur stand ich vor der Entscheidung, ob ich lieber Klavier oder Computeranimation studieren möchte. Da die Luft bei Pianisten aber sehr, sehr dünn ist, entschied ich mich für die Computeranimation und bereue es bis heute nicht.

Also habe ich nach dem Zivildienst zuerst zwei Jahre Praktikum bei SPANS UND PARTNER in Hamburg gemacht und wurde dort in 3D Modeling ausgebildet. Dort konnte ich viele wertvolle Kontakte knüpfen, über die ich noch heute Aufträge bekomme. Parallel zu meinem Praktikum habe ich kleinere Filme produziert und mich an der Filmakademie Baden-Württemberg beworben. Einmal wurde ich abgelehnt, im darauffolgenden Jahr hat es dann geklappt.
 

Wie ist dir die Zeit an der Filmakademie in Erinnerung geblieben?
Das Schönste an der Filmakademie war für mich das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Im Animationsinstitut fühlte ich mich sehr gut aufgehoben und auch der Umgang unter uns Kommilitonen war sehr freundschaftlich, es gab nie Konkurrenzdenken. In jeder WG, in der ich gewohnt habe, hat immer mindestens noch ein Student oder eine Studentin aus dem Bereich Animation gewohnt, beispielsweise habe ich zu Beginn des Studiums mit Sascha Geddert und Sonja Kumbarji zusammengewohnt. Da ich schon zwei Jahre Berufserfahrung mitbrachte, hatte ich im Animieren auch schon ein bisschen Routine entwickelt und konnte mich während meines Studiums voll auf das Filmemachen konzentrieren.

Der Zusammenhalt unter den Studenten und die Kontakte, die ich an der Filmakademie geknüpft habe, waren verantwortlich für das Heimweh, das ich direkt nach meinem Abschluss bekam. So war ich im darauffolgenden Jahr noch fast jeden Tag zum Mittagessen auf dem Campus und habe mich mit alten Freunden und Studienkollegen getroffen.
 

Schon während deines Studiums an der Filmakademie hast du damit begonnen, Papiermodelle – genannt Papercrafts – aus deinen Computeranimationen anzufertigen, mittlerweile ist PAPERWOLF eine international bekannte Marke, die die von dir entworfenen Modelle mit Anleitung zum Selbstbasteln verkauft. Wie kam es dazu?
Im Jahr 2009 habe ich einfach mal zum Spaß angefangen, Papercrafts zu bauen. Mit der entsprechenden Software lassen sich 3D-Modelle ganz leicht aufklappen und zeigen einem quasi den Grundriss des Modells. Damit habe ich gearbeitet und mir anschließend den Grundriss ausgedruckt und das Modell selbst zusammengebaut. 2010 habe ich dann zum ersten Mal einige meiner Modelle – verschiedene Tiere in verschiedenen Farben – auf der Plattform DaWanda zum Verkauf angeboten und die Resonanz war enorm. Als dann Ende 2014 auch Fotos meiner Figuren auf thisiscolossal.com und boredpanda.com gezeigt wurden, die monatliche Klicks in zweistelliger Millionenhöhe haben, kamen so viele Anfragen und Aufträge, dass ich den Shop für einige Zeit schließen musste, um mit der Produktion hinterher kommen zu können. Das war wahrscheinlich der schlimmste Dezember meines Lebens (lacht). 2015 haben dann Freunde von mir die PAPERWOLF PRODUCTIONS GBR gegründet, mit der wir meine Figurensätze verkaufen. Ich selbst bin nicht der Geschäftsführer, aber am Umsatz beteiligt und entwerfe die Modelle. Produktion und Verkauf übernimmt ein Angestellter, den Kundensupport übernehme ich selbst. In diesem Jahr haben wir noch einen weiteren Angestellten, extra für die Weihnachtszeit, den wir seit Sommer einlernen, damit er uns im Dezember helfen kann.

In der Regel verkaufen wir ja die „Bausätze“, also die Papierbögen mit Bastelanleitung, damit sich der Kunde seine Figur bauen kann, auf Anfrage auch die Vektordatei, damit der Kunde die Skalierung selbst vornehmen kann. Ich fertige aber auch Auftragsarbeiten an, beispielsweise habe ich im vergangenen Jahr für DIESEL einige Skulpturen von 1,50 Meter Größe entworfen, die dann aus dicker Pappe realisiert wurden. Auch für Mercedes und Citroën habe ich schon Figuren entworfen. Eine Shoppingmall in China hat einmal Figuren von mir genommen und auf eigene Initiative hin vergrößert und etwas deformiert nachgebaut, zur Premiere des Walt-Disney-Films BORN IN CHINA. Zunächst war ich etwas empört darüber, nicht gefragt oder informiert worden zu sein, aber da die Firma gleichzeitig auch viel Werbung für mich und mein künstlerisches Schaffen im Zusammenhang mit diesen Figuren machte, war es ein Geben und Nehmen.

Leider gibt es aber auch andere, die seit 2015 meine Idee aufgegriffen haben und jetzt als ihre verkaufen. Immer wieder bekomme ich mit, dass jemand plötzlich sehr ähnliche Papercrafts verkauft oder Bausätze zur Verfügung stellt, manchmal sogar in denselben Farben, die ich auch anbiete. Das ist teilweise schon unverschämt.

 

Arbeitest du zurzeit mehr an Papercrafts oder an Animationen?
Glücklicherweise kann ich beides in meinem Berufsalltag miteinander verbinden, denn ich möchte weder die Animation noch PAPERWOLF aufgeben. Jedes erste halbe Jahr habe ich einen Animationsauftrag von PLAYMOBIL. Die Animation der Charaktere für die PLAYMOBIL-Filme beschäftigt mich einige Monate lang und macht mir auch sehr viel Spaß. Andere Animationsjobs sind einfach Brot- und Butter-Geschäfte, die mir ein finanzielles Polster verschaffen, damit ich weiter Papercrafts entwerfen kann. Für PAPERWOLF mache ich absolut nur das, was ich gerne machen möchte. Wenn ich ein Erdferkel entwerfen möchte, tue ich genau das. Ein solches habe ich im Nachtgehege des Berliner Zoos damals gesehen und war von seinen Bewegungen so fasziniert, dass ich es nachgebaut habe.

Als Gastdozent unterrichte ich an der Hochschule der Medien in Stuttgart Animation und bin zurzeit außerdem mit der Fertigstellung meines zweiten Buches beschäftigt. Im August erschien mein erstes Buch PAPIERtier, in dem auf 48 Seiten vier meiner Figuren in etwas vereinfachter Form mit ausführlicher Bastelanleitung vorgestellt werden. Da es vor seiner Veröffentlichung bereits über 500 Mal vorbestellt wurde, haben wir schon bald darauf mit der Arbeit am zweiten Buch begonnen, das einige brandneu entworfene Figuren enthalten wird und im Frühjahr 2017 erscheinen soll.  

 

Wie sehen deine Pläne für die nächsten Jahre aus?
Da lasse ich mich überraschen. Es gibt Leute, die sich einen Businessplan wie aus dem Bilderbuch zurechtlegen und den dann Punkt für Punkt abarbeiten. Ich habe PAPERWOLF nie geplant, das war zum Glück ein kompletter Selbstläufer. Wenn dieser Trend irgendwann vorbei sein sollte, warten noch zehn weitere Ideen. Ich habe einen Kopf voller Ideen und einen Ordner voller Skizzen. Bisher fehlt mir nur die Zeit zur Umsetzung (lacht).

 

Womit verbringst du deine Freizeit?
Zuerst einmal schnappe ich mir meine zwei Kinder (3 und 1 Jahre alt) und balge mit denen herum, lese ihnen etwas vor oder wir gehen gemeinsam auf den Spielplatz. Manchmal sortiere ich Kieselsteine nach Farben oder lege Treibholz am Strand in Muster, Land Art interessiert mich sehr.

Außerdem lasse ich meine Drohne gerne fliegen. Über die eingebaute Kamera kann ich mir dann das Luftbild live auf meine VR-Brille übertragen lassen und die Umgebung aus der Vogelperspektive betrachten. Es ist einfach unglaublich faszinierend, die Welt von oben zu sehen.

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DAS INTERVIEW FÜHRTE: Meike Katrin Stein