AUF EINEN INGWERTEE MIT...ALAIN GSPONER

 

Du hast schon in deiner Jugend bei der Auswahlschau der Solothurner Filmtage mitgearbeitet. Kam da dein Interesse für Film auf?

In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, gab es das Kino „Freier Film“. Die Mitglieder des Kinos haben sich sehr stark für den Schweizer Film engagiert. Durch sie bin ich zu der Auswahlschau der Solothurner Filmtage gekommen, das war so etwas wie die Schweizer Filmschau. Dort wurden viele Kurzfilme gezeigt, die sonst nicht zu sehen sind oder Filme, die keinen Verleih hatten. Meine Eltern kommen gar nicht aus dem künstlerischen Bereich und so war das im Prinzip meine Filmbildung zu der Zeit. Und die Film-AG, die ich während meines Gymnasiums besucht habe. Ich muss ganz klar sagen, dass ich niemand bin, der schon in der Vorpubertät Filme machen wollte. Das war ein naturwissenschaftliches Gymnasium, auf dem ich war und weit weg von künstlerischen Dingen. Aber wir hatten eben einen Kunstlehrer, der diese Film-AG geleitet hat. Er hat mein visuelles, grafisches Talent entdeckt und gefördert und mich auch dazu gebracht, in Richtung Bewegtbild zu gehen, was ich vorher gar nicht kannte.

Du warst sehr jung, als du begonnen hast, an der Filmakademie zu studieren. Wie hast du deine Studienzeit empfunden?

Ich fand, es war eine sehr harte Zeit. Wir waren der erste große Jahrgang, also wir waren mehr Studenten als die Jahre zuvor. Es war ein ziemlich harter Konkurrenzkampf. Ich habe die Schule damals herausgesucht, um selber herauszufinden, was ich will und auch, um zu experimentieren. Das habe ich auch immer gemacht, aber trotzdem immer den Druck gespürt, größere Filme machen zu müssen, statt individuellere und speziellere Filme. Die anderen Studenten waren am Anfang auch sehr viel professioneller als ich, die haben viele Praktika gemacht, waren schon viel am Set. Das war eine Ausgangssituation, die ich so einfach nicht hatte. Das muss man ganz klar sagen. Das Netzwerk, das man dort hatte, war aber wirklich gut. Vor allem in den letzten Jahren, in denen wir immer mehr zusammengearbeitet haben. Die Leute, die an meinem Diplomfilm mitgearbeitet haben, waren ja dann auch bei meinem Debütfilm dieselben.

Du hast mit LILA, LILA und DER LETZTE WEYNFELDT zwei Bücher des Autors Martin Suter verfilmt. Wie kamst du dazu und wie verpflichtet hast du dich den Romanen gegenüber gefühlt?

Die Rechte für LILA, LILA zu bekommen, war wirklich hart. Wir sind extra nach Ibiza gereist und haben ihn dort gebeten, uns die Rechte zu geben. Ich habe mich ihm gegenüber schon sehr verpflichtet gefühlt, auch aus Respekt vor ihm persönlich. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass Adaption etwas anderes ist als eine Literaturverfilmung. Und sobald man in den Arbeitsprozess hineingeht und es zu seinem eigenen Projekt macht, muss man sich von dem ursprünglichen Buch entfernen. Das kann ich sehr gut. Es ist wirklich so, dass ich am Ende nicht sagen kann, was im Buch steht und was ich im Film anders gemacht habe. Ich vermische das sehr und bin in meinem Kopf und meiner Fantasie schon sehr weit weg von dem Roman. Das Buch dient als Grundlage, der Prozess fängt erst danach an.

Mit HEIDI und DAS KLEINE GESPENST hast du zwei Kinderfilme gemacht. Interessiert dich das Genre besonders?

HEIDI ist nicht wirklich ein hundertprozentiger Kinderfilm, auch nicht in der Erzählung. HEIDI war für mich eher eine klassische Literaturverfilmung, bei der ich den Roman sehr ernst genommen habe. DAS KLEINE GESPENST hingegen war etwas vollkommen anderes. Das war auch eine technische Voraussetzung, die mich sehr gereizt hat. Also einen Hauptcharakter zu haben, der nicht real ist. Ich wusste ganz genau, wer das Zielpublikum ist und es war reizvoll, „bigger than life“ zu sein. Das ist also ein Film, bei dem ich ganz klar sagen kann, dass es ein Kinderfilm ist. HEIDI ist eigentlich ein ganz klares Sozialdrama.

Wie gehst du an die Inszenierung deiner Filme ran? Wie bereitest du dich vor?

Die erste Recherche ist die Drehbucharbeit, also dass man das Rückgrat einer Figur erforscht. Warum sie wie handelt und warum sie etwas tut. Und dann frage ich mich, ob ich das mit meinem Erfahrungsschatz nachvollziehen kann oder wo ich hingehen muss, um dafür zu recherchieren. Und dann gibt es natürlich die ästhetischen Entscheidungen. Wie viel Raum lässt man? Wie nah geht man ran? Ich beschäftige mich bei historischen Stoffen auch gerne mit Bildern von Malern, die zu dieser Zeit gemalt haben, um zu verstehen, was sie interessiert hat. Ich habe auch immer eine Probephase mit den Schauspielern, in der ich schon einiges ausprobiere. Bei den zwei Familienfilmen, die ich gemacht habe, habe ich stark mit Familienaufstellungen gearbeitet. Das geht bei anderen Stoffen weniger. Ich probiere immer viel aus und das ist auch bei jedem Film anders. Bei DAS KLEINE GESPENST ging es eher darum, eine Figur zu schaffen, die „bigger than life“ ist und trotzdem nicht an Wahrhaftigkeit verliert.  

Du gehst also an jeden Film anders heran?

Was ich nicht habe, ist eine richtige Handschrift. Ich brauche das auch, mich immer wieder neu zu erfinden. In der Erzählweise wiederholen sich während des Prozesses eines Films aber dann doch gewisse Dinge, das ist mir oft gar nicht bewusst. Man macht manches einfach, weil man schon weiß, wie es funktioniert. Wenn ich das dann sehe, denke ich manchmal: Da warst nicht mutig genug! Und dann schaue ich, dass ich wieder frisch herangehe an das nächste Projekt.

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DAS INTERVIEW FÜHRTE: Elena Preine

Foto Alain Gsponer: © Marcus Höhn