AUF EINEN CAPPUCCINO MIT... KATHARINA WIBMER

Liebe Katharina, du bist als Künstlerin in den Bereichen Video, Musik und Theater tätig. Warum gerade diese drei?

Von Anfang an haben mich alle musisch-künstlerischen Bereiche gleichermaßen interessiert, da wollte ich mich nicht auf einen festlegen. Ich habe immer schon gerne gestaltet und im Figurentheater dann für mich ein „Allround-Kunstwerk“ entdeckt, in dem ich mit verschiedensten Künsten eine eigene kleine Welt erschaffen kann. Während meines Studiums im Studiengang Figurentheater an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart habe ich dann aber gemerkt, dass ich nicht so der komödiantische Typ bin, der die Figuren darstellt, sondern dass ich mich mit der Geige oder in Videoperformances wohler fühle als in einer Theaterdarbietung, in der ich live agieren muss.

Wie bist du auf die Filmakademie Baden-Württemberg gekommen?

Erste Experimente mit Animationstechniken und Videoperformances habe ich schon während meines Figurentheaterstudiums gemacht und es war ein lustiger Zufall, dass die Filmakademie genau dann eröffnet wurde, als ich in Stuttgart mein Diplom gemacht hatte. Mein Freundes- und berufliches Netzwerk lagen schon seit einiger Zeit im Raum Stuttgart, daher war für mich der Standort Ludwigsburg optimal. An der Filmakademie lernte ich technisches Knowhow rund ums Filmemachen und dank Jochen Kuhns Aufgeschlossenheit durfte ich auch Projekte mit Theater- und Videoinstallationen verwirklichen. Ansonsten habe ich mich immer darum bemüht, für meine Filme Kameraequipment auszuleihen, das sonst keiner haben wollte.

Wieso das?

Eine Videoinstallation beginne ich niemals mit einem Drehbuch, sondern entwickle sie aus dem Tun heraus. Wenn vorher schon alles geplant ist, reizt mich die Umsetzung nicht mehr so. (lacht) Daher arbeite ich in der Videokunst am liebsten alleine und nehme mir die Zeit, verschiedene Dinge auszuprobieren. Somit war es praktisch, wenn kein Student nach mir schon in der Warteliste für die Kamera-Ausleihe stand und ich die Möglichkeit hatte zu experimentieren. Sobald man im Team arbeitet, zerbricht diese Spontaneität, die ich einzeln entwickeln kann. Wenn ich ein Projekt alleine mache, gibt es nur eine Grenze: meine eigene Kraft.

Deine aktuelle Videoinstallation DIE BIBLIOSKOPIN wird am 21. September 2016 in der Stadtbibliothek Stuttgart eröffnet. Was ist darin zu sehen?

Es ist eine Auftragsarbeit, die ich direkt für die Stadtbibliothek Stuttgart geschaffen habe und die dort in der „Galerie b“ als Videoloops auf sechzehn Monitoren präsentiert wird. Die Stadtbibliothek ist ja ein sehr ungewöhnlicher, beachtlicher öffentlicher Raum, der stark frequentiert und sehr anregend ist. Mit meiner Videoperformance wollte ich die Besonderheit dieser Architektur hervorheben. Die Treppen dort wirken fast wie ein Labyrinth und das Gebäude überrascht den Besucher immer wieder. Damit spiele ich in DIE BIBLIOSKOPIN und treibe es auf die Spitze: Ich zeige eine Person – mein Alter Ego Franzi –, die sich in verschiedenen Ecken der Bibliothek bewegt, Bücher durchblättert oder zu lesen versucht. In jedem Loop aber spiele ich gleichzeitig mit Perspektiven und Erwartungshaltungen, sozusagen mit kalkulierten Irrtümern. Die Schwerkraft wirkt oft anders als vermutet, weil ich beim Dreh meist die Kamera gekippt habe. Plötzlich ist der Blickwinkel und dadurch die Raumsituation ganz neu. Ein Videoloop läuft auch aus der Sicht eines Buches ab, das durch die Bibliothek gefahren wird. Da die Loops aber nicht die gleiche Länge haben, werden auf den sechzehn Monitoren stets neue Kombinationen von Bildern und Einstellungen zu sehen sein. Man könnte als Besucher also stundenlang diese Videoinstallation betrachten und immer wieder neue Konstellationen entdecken.

Was waren besondere Herausforderungen oder Zweifel, die dir auf deinem bisherigen Werdegang begegnet sind?

Grenzwertige Situationen, in denen man zum Beispiel enorm unter Druck steht und das Gefühl hat, dass nichts mehr geht, gibt es bei jedem Projekt. Während die Videokunst ein sehr hartes Geschäft ist und der Weg zu einer fertigen Installation eine lange Suche erfordert, ist die Musik ein bisschen leichter, sie wirkt unmittelbarer. Somit bildet die Musik einen guten Gegenpol zur Videokunst und hilft mir, Abstand zu gewinnen, wenn es nötig ist. Ein paar Jahre lang legte ich in der Videokunst bewusst eine Pause ein, weil ich, nachdem ich mit meinen Videos einige Preise bekommen hatte, mich zu sehr unter Druck gesetzt fühlte. Ich habe sogar das Angebot einer Einzelausstellung, die ich machen sollte, abgesagt. Andere Belange hatten damals Priorität, nämlich meine junge Familie mit zwei Kindern, und ich wollte mich nicht verbiegen. Alle Projekte, die ich mache, müssen Herzensangelegenheiten sein.

Wie sind deine Pläne für die nächsten Jahre?

Mit der BIBLIOSKOPIN habe ich wieder „Blut geleckt“ und möchte gerne weitere Videoinstallationen kreieren. Zunächst aber nehme ich an einem Laboratorium des Materialtheaters Stuttgart teil. Mit dem Motto „Kino im Kopf“ bringen da insgesamt zehn Schauspieler, Musiker und Regisseure ihre Geschichten mit und man untersucht gemeinsam, wie sich diese Geschichten umsetzen lassen. Dieser künstlerische Austausch ist sehr inspirierend und bereichernd für das eigene Arbeiten. Dann werde ich mich wieder der Videokunst widmen und die Welt aus meiner leicht ironischen, mitunter auch skurrilen Sichtweise zeigen. Auf jeden Fall möchte ich die Zuschauer zum Nachdenken und Schmunzeln bringen.

Link zur galerie b

Alumni-Profil

DAS INTERVIEW FÜHRTE: Meike Katrin Stein

Foto Katharina Wibmer: ©  Luigi Consalvo