AUF EINEN „SCHNACK“ PER LIVE-SCHALTE NACH HAMBURG MIT... MIA SPENGLER

Absolventin Regie / Szenischer Film (2016)

 

Liebe Mia, dein Diplomfilm BACK FOR GOOD lief als Eröffnungsfilm der Berlinale 2017 in der Kategorie Perspektive Deutsches Kino. Wie hast du selbst die Premiere dort erlebt?

Meine größte Angst war, dass die Leute nicht lachen. Ich fürchtete, sie würden den Film überhaupt nicht amüsant finden. Aber dann haben sie total viel gelacht und mir fiel ein Stein vom Herzen. Trotzdem konnte ich den Moment noch nicht voll genießen und habe immer geprüft, ob der Sound und das Grading stimmen – das war die reinste Tortur. (lacht) Irgendwann hat dann Rebecca Schröder, die ihr Diplom in Filmproduktion gemacht hat und neben mir saß, meine Anspannung gespürt. „Chill dich!“, waren ihre Worte und sie haben sofort gewirkt. (lacht) Rebecca ist eine ganz tolle Produzentin und ich hoffe, dass ich mit ihr noch mindestens 100.000 Filme machen kann.

Insgesamt haben wir auf der Berlinale sehr positives Feedback und tolle Publikumsreaktionen bekommen, bei manchen Screenings auch Standing Ovations mit einem Applaus, der nicht mehr enden wollte. Das war ein super schönes Erlebnis.

Wann hast du bei dir die Leidenschaft fürs Filmemachen entdeckt?

Ich bin auf Umwegen zum Film gekommen. Natürlich mochte ich Filme schon immer, wollte aber nach der Schule Musikerin werden. Nach dem Abitur bin ich nach China gegangen und dort mit meiner Band MIYA regelmäßig aufgetreten. Erst über meinen damaligen Freund, der Regisseur war, bekam ich dann Einblicke in die Filmbranche und war von der Idee, selbst als Regisseurin Filme zu drehen, total fasziniert. Also zog ich nach Berlin und fing an, für die Filmproduktionsfirma von Hans Weingartner als Assistentin zu arbeiten. Hans ist ein Verrückter, aber er hat mich in all den Jahren auch wahnsinnig gut unterstützt. Als seine persönliche Assistentin durfte ich überall mit hin, – nach Cannes, auf die Berlinale – und war in allen Finanzierungsbesprechungen zugegen. Mit meinen ersten Kurzfilmen habe ich mich dann an der Filmakademie Baden-Württemberg beworben, fuhr zur Aufnahmeprüfung und erhielt einige Wochen später eine Zusage.

Wie hast du dein Studium an der Filmakademie erlebt?

Das war eine wahnsinnig intensive und prägende Zeit. Es gibt wenige Ausbildungen, die dich so prägen können wie die an der Filmakademie. Man bekommt die Arbeitsmoral dort manchmal regelrecht eingeprügelt. Mehrmals stand ich in Ludwigsburg sonntags vorm Supermarkt und habe mich gewundert, warum er denn bitte geschlossen hat – ich hatte das Gefühl für die Wochentage völlig verloren. Dass man einerseits in seinem Schaffen an der Filmakademie auf sich gestellt ist, gleichzeitig aber die Möglichkeit hat, Teams zu finden und mit tollen Leuten zusammenzuarbeiten, hat mich sehr beeindruckt. Auch wenn das Erleben des enormen Konkurrenzdrucks und der Ellenbogenmentalität, die der Kreativbranche ja auch zu eigen ist, für mich anfangs eine schockierende Erfahrung war. Von der Regisseurin und Dozentin Claudia Prietzel habe ich unglaublich viel Unterstützung und Zuspruch bekommen.

Immer wieder bin ich an meine Leistungsgrenzen gegangen und habe sie überwunden. Dadurch habe ich gelernt, meinen Arbeitsalltag voll durchzuorganisieren. Bis heute habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal ein ganzes Wochenende lang nichts tue. Aber es wird schon besser. Ich habe den Sonntag wiedereingeführt. (lacht)

Welche Herausforderungen oder Zweifel in deinem bisherigen Werdegang haben dich besonders geprägt?

Definitiv die Produktion von BACK FOR GOOD. Es zehrt an einem, wenn man drei Jahre lang am Diplomfilm arbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden. Wenn ich kein Geld habe, inspiriert mich das nicht, sondern es zieht mich runter. Ich hatte keine Zeit, um viel nebenher zu jobben. Wenn man nach einem anstrengenden Drehtag wahnsinnig erschöpft nach Hause kommt und dann nur Dosenfutter hat, ist das schon sehr hart. Ich habe meine Eltern mehrmals angeschnorrt, mein Selbstwertgefühl war am Limit. Nach dem Dreh habe ich mein Auto verkauft, um es „zu essen“.

Und wie sind nun deine Aussichten?

Jetzt darf ich mich tatsächlich entscheiden, welche Projekte ich als Nächstes annehme. Darüber bin ich so dankbar, dass ich es kaum in Worte fassen kann, und weiß es nach der langen Durststrecke umso mehr zu schätzen. Nach BACK FOR GOOD durfte ich direkt mein Spielfilmdebüt LEG DICH NICHT MIT KLARA AN für Sat.1 drehen, der am 14. März 2017 in der Primetime lief. Über meine künftigen Projekte kann ich allerdings noch nichts verraten. Nur so viel: Mein nächstes Projekt hat ganz viel mit Musik und Tanz zu tun. Wichtig ist mir auch, dass ich weiterhin mit an den Stoffen schreiben kann – ich sehe mich als Regisseurin und Drehbuchautorin und das soll auch so bleiben. Es ist ein Riesen-Privileg, sich die Projekte aussuchen zu können und ich bin sehr froh, so ins Berufsleben starten zu dürfen.

Wie schaltest du ab, um den Kopf mal freizukriegen?

Hier in Hamburg habe ich den Großteil meiner Schulzeit verbracht und daher viele Freunde, die nicht im Filmgeschäft tätig sind. Wenn wir uns treffen, geht es nicht um Projekte, sondern um einen schönen und lustigen Abend, das liebe ich.

Außerdem gehe ich einmal pro Tag schwimmen, was mir super gut tut. Beim Schwimmen kann man sein Handy nicht mitnehmen und muss im wahrsten Sinne des Wortes „abschalten“.  
 

DAS INTERVIEW FÜHRTE: Meike Katrin Stein