Ann-Carolin Biesenbach, Absolventin Montage/Schnitt

Eine neugierige Frau

Viele Fragen hatte Ann-Carolin Biesenbach, als sie an der Filmakademie anfing zu studieren. Bereits gefundene Antworten gibt sie heute an Studierende weiter. Allen anderen geht sie mit weiteren Projekten auf die Spur.

Frisur zum Film

Ihre Frisur brachte die damals 17-jährige Ann-Carolin Biesenbach erstmals zum Film. Sie hatte genau den Haarschnitt, den eine Produktionsfirma für die Nebenrolle in einem Musikvideo suchte. Um zehn Uhr sollte bei dem Dreh ihr Einsatz sein, es wurde aber doch elf Uhr abends. Viel Zeit, in der sie sich das Geschehen um sich herum anschauen konnte. „Ich habe einfach gefragt, ob ich helfen kann“, erinnert sie sich. Ein Angebot für ein einjähriges Praktikum in der Produktionsfirma sprang dabei heraus. Dort zog es Biesenbach immer weiter in Richtung Montage. „Ich habe es innerhalb kürzester Zeit nicht mehr aus dem Schneideraum geschafft, weil ich es so super fand“, lacht sie. Durch eine tolle Lehrerin um viele Erfahrungen reicher, wartete ein Ausbildungsvertrag zur Mediengestalterin Bild und Ton bei einer Postproduktionsfirma auf sie. Kurzformate lernte sie dort kennen und zum ersten Mal auch Kurzfilme. „Dann hab ich gemerkt: Da gibt‘s noch mehr. Und dass ich noch Fragen habe. Dass ich ganz viele Fragen habe.“

Begegnungen an der Filmakademie

Auf der Suche nach Antworten stieß sie auf die Filmakademie. Die Bewerbung dort empfindet sie rückblickend als eine ihrer besten Entscheidungen. „Es war mein Weg. Für mich war er so gut, wie er war, mit allen Hürden, Vollkatastrophen und tollen Momenten. Es war mein Weg, und deswegen war er gut“, sagt sie mit fester Stimme. Viele Leute hat sie während ihres Studiums kennengelernt, und heute ist Biesenbach für jede Begegnung dankbar. Mit den Studierenden bildete sich eine tolle Truppe, die sich gegenseitig förderte und unterstützte. Und die Montage-Dozenten Clara Fabry-Gasser und Raimund Barthelmes sorgten für Weiterentwicklung auf vielen Ebenen. Besonders die Auseinandersetzungen mit ihnen bewertet sie als wichtige Meilensteine. „Weil da jemand stand, der gesagt hat: Ich erwarte mehr von dir. Du bist zu mehr fähig“, sagt sie. Der geschützte Rahmen, in dem die Editorin ihre Erfahrungen machen konnte, ist ihr erst im Nachhinein wirklich bewusst geworden. Wie bei jedem Fall oder Scheitern doch noch einige Matten unter einem lagen, die es in der Marktrealität nicht gibt. Sie lacht, als sie davon erzählt. Aufgestanden ist sie und weitergemacht hat sie jedoch mit oder ohne Matte.

München

Drei Jahre Studium an der Filmakademie statteten die damalige Studentin mit allerhand Antworten aus, die sie auf ihre Fragen bereits gefunden hatte. Und mit allerhand Praxiserfahrung im Bereich der Montage. Unter anderem die beiden Spielfilme FUTSCHICATO und BLINDFLUG entstanden in dieser Zeit. Sie liefen erfolgreich auf diversen Festivals wie der Berlinale oder dem Max Ophüls Preis. Biesenbach wollte aber noch mehr wissen. Daher bewarb sie sich für eine Schnittassistenz in München, lebte in einem Zimmer mit Dusche, „die nur kalt konnte.“ Das routinierte Arbeiten an einem TV-Film gefiel ihr gut, obwohl sie vorher schon Spielfilme an der Filmakademie geschnitten hatte. Damals war ihr noch nicht klar, dass sie in der bayerischen Landeshauptstadt noch einige Zeit verbringen würde.

Vierzehn Monate lang dauerte schließlich der Schnitt an dem Diplomfilm MEIN ERLÖSER LEBT, bevor es für sie nach dem Diplomjahr-Abstecher in Ludwigsburg wieder zurück nach München ging. „Ich hab mein Diplom mitgenommen, hab alles auf Null gesetzt und losgelegt“, sagt sie. In kurzer Zeit arbeitete Biesenbach viel, und innerhalb weniger Monate war sie bei einer Produktionsfirma im festen Stamm der Editoren angekommen. „Es gab eigentlich keine Zeit, in der ich keine Jobs hatte“, sagt sie. Dies ist auch ihrem unermüdlichen Ehrgeiz und ihrer Zuverlässigkeit zu verdanken.

Antworten weitergeben

Nachdem sie in unterschiedlichen Bereichen für den „richtigen Schnitt“ sorgte, trudelte ein Angebot für die Assistenz des Studiengangs Werbung an der Hochschule für Film und Fernsehen in München in ihr Leben. Mit dem Bereich der Werbung hatte Biesenbach bereits Erfahrungen gesammelt, die nur wieder „hervorgekramt werden mussten.“ Besonders die Auseinandersetzung mit den Studierenden empfand sie als herausfordernd und spannend. Parallel zeichnete sie für weitere Spielfilmprojekte verantwortlich, wie etwa UNS TRENNT DAS LEBEN, der auf dem Filmfest München zu sehen war. Die Lehre ist Biesenbach weiterhin wichtig. So hält sie mit viel Engagement seit zehn Jahren ein Seminar an der Filmakademie im Bereich Montage. Aus den anfänglichen elf Seiten, die sie den Studierenden an die Hand gab, sind inzwischen 37 Seiten geworden. Hilfestellungen für Studierende, die noch nie im Schnitt assistiert haben, finden sich dort. Und sie will den Übergang von Kurz- zu Langformaten erleichtern, der zwischen dem zweiten und dritten Jahr ansteht. Die Dinge, die Ann-Carolin Biesenbach lehrt, sind aus dem Alltag gegriffen. Es sind die Dinge, die sie selbst in der Praxis erlebt.

Neue Projekte

An der HFF München lernte die Editorin unter anderem den Regisseur Lennart Ruff kennen. Eine Zusammenarbeit begann, die mit dem Studenten-Oscar in Gold in der Kategorie „Foreign Language Film“ in Los Angeles für den Film NOCEBO ihren bisherigen Höhepunkt fand. In dem Actionthriller geht es um eine fehlgeschlagene Medikamentenstudie, bei der ein Patient stirbt. Ein junger Mann flüchtet, um Hilfe zu holen, doch keiner möchte ihm glauben, da er an Schizophrenie leidet. Der Film hat Ann-Carolin Biesenbach wieder einmal gezeigt, dass „Schnitt das ist, was ich machen will, weil es einfach nichts Schöneres gibt, als einen Film im Schneideraum aus dem vorhandenen Material herauszuarbeiten.“

Zuletzt arbeitete die Wahl-Münchnerin an der Seite des Editors Alex Marquez an dem internationalen Filmprojekt SNOWDEN und für den Film DIE WILDEN KERLE 6.

Aktuell führt sie das amerikanisch-britische SciFi-Epos THE TITAN wieder mit dem Regisseur Lennart Ruff zusammen. Außerdem warten noch ein Kinofilm, die Montage für einen Dokumentarfilm, ein TV-Projekt sowie die Arbeit an einer Serie auf die Editorin. „Ich mag den Wechsel und die Herausforderung“, sagt Biesenbach. „Und“, fügt sie hinzu, „mir macht das stetige Lernen, da jedes neue Projekt so viel Neues bringt und verlangt, einfach immense Freude.“

Alumni-Profil

Autorin: Elena Preine

Foto Ann-Carolin Biesenbach: © Andreas Tobias