ANDREAS BOTSCHKA; ABSOLVENT REGIE/WERBEFILM (1995)
Andreas Botschka war der erste immatrikulierte Studierende der Filmakademie. Im Gründungsjahr der Filmakademie ging es für den heute 50-jährigen los, nach einem Jahr Studium Generale spezialisierte er sich auf Produktion. Sein Diplom machte er mit dem Werbefilm AUCH HELDEN BRAUCHEN GUMMIS – GIB AIDS KEINE CHANCE. Mit einer dreiviertel Million D-Mark als Budget kein Leichtgewicht, sogar Roger Moore sollte mitspielen.
Was ist aus dem Film im Nachhinein geworden?
Wir haben den Film an die BZfgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) verkauft. Er lief in 3.000 Kinos in Deutschland.
Warum hast du dich damals für die Filmakademie entschieden?
Die Frage ist wohl eher, warum sich die Filmakademie für mich entschieden hat, denn wir sprechen von einer der besten Ausbildungsstätten Europas. Ich bin stolz, dort studiert haben zu dürfen.
Ich habe mich an der Filmakademie beworben, weil ich von Nico Hofmann gehört hatte, dass in Baden-Württemberg ein ambitioniertes Filmakademie-Projekt aus dem Boden gestampft wurde, mit Förder- und Landeskassengeldern. Mit einem völlig anderen Konzept als die nach dem Prinzip der Autorenfilme arbeitenden Institute in Berlin und besonders München, die den Autorenfilm mit der „Königsklasse Regie“ so sehr verehrt haben. Dieses neue Konzept fand ich überaus spannend, das nach dem in den USA üblichen arbeitsteiligen Prinzip aufgebaut war, wo vor allem auch dem Producer eine entscheidende Bedeutung zukommt. Also habe ich einfach mal meine Mappe mit Arbeitsbeispielen etc. abgeschickt. Aus rund 800 Bewerbungen wurde ich dann als einer von ca. 30 Studierenden im ersten Jahrgang angenommen.
Wie lief dein erster Tag an der Filmakademie ab?
Nachdem ich meinen positiven Bescheid erhalten hatte, bin ich zur Immatrikulation nach Ludwigsburg gefahren. Dafür hatte ich mir extra einen Tag Urlaub genommen, weil ich einen Job als Kreativer in einer Agentur hatte. Und dann sagte mir damals die Sekretärin, dass sie für die Immatrikulation noch gar keinen Stempel hätte. Der war zwar bestellt, aber noch nicht eingetroffen. Also hat man mir einen „Wisch“ mit der vorläufigen Matrikelnummer 00001 ausgestellt. Ich war somit tatsächlich der erste, der sich jemals an dieser Schule eingeschrieben hat.
Wie war die Stimmung an dieser ja noch total unbedeutenden Schule?
Das war eine Goldgräberstimmung. Das erste Jahr des Studiums fand in einer leeren Fabrikhalle statt, in der nur Stehwände aus Holz waren, die man variabel gestalten konnte. Die einzelnen Klassen haben dort in dieser Aufbruchsstimmung ganz abenteuerlich wie trockene Schwämme das Wissen eingesaugt. Die gesamte Bauphase auf dem Mathildenareal bis zum Umzug haben wir natürlich auch mitbekommen. Aber der Charme dieses ersten Jahres, als ein Jahrgang auf nur drei Parzellen aufgeteilt war, das war schon eine sehr, sehr spannende Erfahrung.
Es gab damals ja kaum Leute an der Filmakademie, die bei den Filmen hätten helfen können. War das ein Problem?
Nein, das war überhaupt nicht problematisch, weil man sich aufgeteilt hat. Jeder hat beim anderen irgendwelche Jobs übernommen. Du hast einen Film produziert, beim nächsten hast du Kamera-Assistenz, beim dritten Aufnahmeleitung gemacht. Jeder musste alles machen, damit wir das überhaupt gewuppt kriegen. Das brachte natürlich auch ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl, einen On-Campus-Spirit mit sich, weil wir rund um die Uhr gearbeitet haben und uns noch nachts über einer Tiefkühlpizza Drehbuchwendungen überlegt und diese dann teilweise schon am nächsten Tag bei Übungen umgesetzt haben – nach dem Motto: „Ihr habt nur 48 Stunden Zeit, inklusive Schnitt und Nachbearbeitung.“
Standort Ludwigsburg – Vorteil oder Nachteil?
Weder noch, Ludwigsburg vor den Toren Stuttgarts ist klein genug, um sich auf das Studium konzentrieren zu können und groß genug, auch wegen der Nähe zu Stuttgart, um abends Kultur und Subkultur zu tanken, einfach das pralle Leben als Nährboden für Geschichten. Zu der Zeit um 1991 war in Stuttgart allerdings auch noch mehr los: Zapata, Tier, Marcia Haydee… und der Stern der Fantastischen Vier ging auch gerade erst auf.
Was ist dir aus Ludwigsburg besonders im Gedächtnis geblieben?
Wie wir nachts mit Privatautos auf einen Ludwigsburger Acker gefahren sind, wo wir zwei Wachtürme im Maßstab 1:10 gebaut hatten, die wir dann in die Luft gejagt haben. Wir haben das Ganze schön in Highspeed mit 300fps mit einer alten Arri 3C Kamera gedreht. Die Szene landete dann schließlich in einem Werbespot, der wiederum in einem Film von Nico Hofmann verwendet wurde.
Danach wurde die Kamera sofort in den VW-Bus gepackt und wir haben uns mit den Autos in verschiedene Richtungen verteilt. Das war quick and dirty, eben eine Piratennummer.
Highlights waren auch die Besuche von Werner Herzog, den ich während seiner Seminare ein paar Tage betreuen durfte. Ebenso eine Woche Unterricht mit Michael Ballhaus. Als Michael Verhoeven da war, hatte er einmal seine Frau Senta Berger mitgebracht, wir grillten mit unserer Klasse gemeinsam auf der Neckarwiese.
Mit Dominique Horwitz als Gast in unserer WG verbinde ich sehr nette Gespräche.
Mein persönlicher Klassiker ist ein Übungsfilm einer Kommilitonin, bei dem ich einen Masochisten spielte, der, an ein Andreaskreuz gefesselt, in die Fänge einer Domina und einer Heilsarmistin geriet.
Ansonsten waren natürlich alle Projekte toll, die sich direkt auf dem Nährboden der Filmakademie entwickelt haben.
Dein wichtigster Tipp für Neuanfänger an der Filmakademie?
Seid hungrig und saugt alles auf, es ist ein Studium, von dem Tausende nur träumen können. Seid nicht arrogant, denn draußen wartet niemand auf euch.
Was wird deine nächste Station sein?
Schwer zu sagen. Film ist meine Passion und Profession, zum Ausgleich liebe ich segeln. Schon immer habe ich meine Akkus damit wieder aufgeladen. Daher baute ich nebenher 2 Firmen auf, die nicht nur weltweit Segel- und Motoryachten verchartern, sondern auch Marken unter ihrem Dach beherbergen, die sich mit Mitsegeltörns sowie Trainings und Events für DAX-notierte Unternehmen und Konzerne befassen.
Und verläuft dein Weg so, wie du ihn dir ausgemalt hast – oder kam alles ganz anders?
Ich denke, der Weg verläuft schön abwechslungsreich, es bleibt spannend. Film & Sail hält mich auf Trab, so dass ich auch jetzt 50 Stunden Wochenarbeitszeit Minimum leisten muss. Aber ich ziehe mich gerade aus dem operativen Geschäft etwas raus und möchte wieder mehr produzieren und suche ein neues Tätigkeitsfeld. Ich bin es gewohnt, bis zu 30 Werbespots im Jahr zu verantworten, verschachtelte Timings zu realisieren, die Agenturen bzw. werbetreibende Markenartikler in-time und in-budget happy machen. Das heißt aber leider auch, dass nicht immer der bessere Film on air geht, sondern einfach nur z.B. der Schnitt, der für den Kunden am besten funktioniert.
Siehst du einen Druck unter den Studierenden, Preise für ihre Filme zu gewinnen – und wenn ja, wie denkst du darüber?
Anerkennung ist ein wichtiger Motor für Menschen. Ich finde es gut, dass es viele Nachwuchspreise gibt. Wichtig ist aber, dass ein guter Diplomfilm auch für gut erachtet wird, wenn er nicht zusätzliche Anerkennung erfährt.
Wen würdest du als dein Vorbild bezeichnen, und warum?
Meine damaligen Dozenten Bastian Clevé, Nico Hofmann und Volker Schlegel. Weil sie uns inhaltlich Rebellen sein ließen und uns haben Geschichten erzählen lassen – und das immer professionell vom ersten Semester an. Und natürlich Bernd Eichinger...
Was wäre dein Traumprojekt?
Ein Psychothriller mit Martin Scorsese oder David Fincher mit Robert De Niro, Al Pacino, Kevin Spacey und Klaus Kinski in den Hauptrollen.
Was glaubst du: Wie hätte dein Weg ohne die Filmakademie ausgesehen?
Ich wäre Kreativer in einer mittelständischen oder Network-Werbeagentur geblieben.
Das Interview führte Peter Wedig.