Tobias Haase, Absolvent Werbefilm (Regie)

„Ich konnte eigentlich immer ganz gut verkaufen, wenn ich von etwas überzeugt war.“

Fragt man Tobias Haase nach der Übergabe seines Diploms an der Filmakademie, schwankt er zwischen den Jahren 2013 und 2014. Er könne sich schlichtweg nicht mehr erinnern. „Im Diplomjahr hat sich alles überschlagen“, wie Tobias nun fast zwei Jahre später rückblickend über diese Zeit sagt. Der 1981 geborene Dresdener, der 2008 sein Studium im Fach Regie/Werbefilm an der Filmakademie begann, ist vor allem bekannt für seinen provokanten Diplomspot: Der junge Adolf Hitler wird von einem Mercedes überfahren, der Slogan „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen“ wirbt für den Collision Prevention Assist des Automobilkonzerns. Tobias realisierte den Film als sogenannten Spec Spot, also eine Werbung, hinter der kein realer Auftraggeber steht; eine übliche Vorgehensweise unter den Werbefilm-Studierenden. Die Idee zu dem Spot wurde gesät von einem jungen Kreativen während eines Seminars bei Jung von Matt und ließ Tobias fortan nicht mehr los. Drei Monate später entschied er sich, die Idee umzusetzen, der späteren Konsequenzen, der positiven wie negativen, durchaus bewusst. Denn als der Spot schließlich veröffentlicht wurde, entwickelte er sich schnell zum viralen Hit, bis sich wenig später auch Mercedes Benz meldete. Der Automobil-Konzern setzte eine einstweilige Verfügung gegen den Spot durch. Doch schließlich einigten sich beide Parteien auf einen Kompromiss. Der Spot dürfe zwar gezeigt werden, jedoch nur mit der entsprechenden Kennzeichnung, dass sich die Firma von dem Werk distanziere. Geschadet hat dies Tobias Haase nicht, ganz im Gegenteil. Kurz darauf meldete sich Audi bei dem jungen Werberegisseur und forderte von Tobias eine Werbung im ähnlichen Stil, die einige Wochen später in L.A. gedreht wurde. „Es begann eine Zeit wie im Rausch“, sagt Tobias rückblickend über die Monate nach dem Mercedes-Spot, welcher ihm als Sprungbett in die Werbebranche diente.

Seine Affinität zur Werbung entdeckte Tobias, als er, nach dem Abitur und diversen Praktika bei Film und Theater in Berlin, dann als Werbetechniker arbeitete. Hier kam er zum ersten Mal mit dem „Kunden als Objekt“ in Kontakt. Er merkte schnell, dass er ein Verkaufstalent besaß, wie er selbst sagt. „Ich konnte eigentlich immer ganz gut verkaufen, wenn ich von etwas überzeugt war.“ Zum Werbefilm kam er, indem er seine Vorerfahrung im Filmbereich mit dem Verkaufsaspekt verknüpfte. „Irgendwann war da bei mir der Gedanke, wenn die Kunden Filme haben wollen, kann ich die liefern.“ Dieser Gedanke reifte und wurde 2008 konkret, als Tobias sein Studium in der Abteilung Werbefilm an der Filmakademie begann. Hier kam der erste große Erfolg mit seinem Drittjahresfilm B.O.A.T.S. Fast ein dreiviertel Jahr Arbeit steckte in dem Spec für eine Biermarke, die jedoch auch belohnt wurde: Tobias wurde Zweiter beim Young Director Award in Cannes, eine Veranstaltung, die als „Eichmaß“ für junge Werberegisseure gilt.

Die Zeit an der Filmakademie schätzte Tobias vor allem aufgrund der Möglichkeiten, die sie jungen Filmemachern biete, denn hier könne man sich in einem geschützten Raum ausprobieren. Anders als auf dem freien Markt, wo es primär um ́s Geld gehe. „Jeder ist gut Freund mit dir, wenn das Geld stimmt und redet dir nach dem Mund, wenn alles funktioniert.“ Außerdem sei an der Filmakademie der Vernetzungsaspekt relativ groß; noch heute arbeitet er mit Freunden aus Studienzeiten. Probleme hatte Tobias lediglich mit der Anwesenheitspflicht. Zwar lobt er seine Abteilung und die Dozenten, jedoch fand er es damals absurd, nicht selbst entscheiden zu können, was ihn an Veranstaltungen interessiert. Rückblickend würde Tobias dennoch immer wieder zurückgehen an die Filmakademie, auch wenn der Standort Ludwigsburg für ihn persönlich nicht immer optimal war. Damals wie heute gilt für Tobias, dass er viel reisen muss, um seinen „Input“ zu bekommen. Letzten Sommer beispielsweise lagerte er seine Sachen ein und zog los nach Spanien, wo er einige Monate verbrachte. Denn arbeiten könne er überall, und er schätzt sich glücklich, dass er sich nicht an Bürozeiten halten muss. „Es passiert immer was in meinem Kopf, und irgendwann muss es raus.“ Und dann könne er auch pausenlos arbeiten, beschreibt er seine Herangehensweise. Wie es nun beruflich weitergeht, darüber macht sich Tobias gerade Gedanken. Die anderthalb Jahre nach der Verbreitung des Spots nahm er wie im Rausch war. Er bekam viele Aufträge und drehte viel. Jetzt ist er erst mal in Berlin angekommen und überlegt, was er gerne machen würde. Er erklärt, dass er als Werberegisseur eher ein Handwerker sei, und er nun damit beginne, sich wieder danach zu sehnen, wie im Studium selbst zu entwickeln, was später gedreht wird. Denn noch sei die Branche zum größten Teil so gestrickt, dass Regisseure von einer Werbeagentur lediglich als Ausführende gebucht werden. Allerdings gäbe es eine langsame Entwicklung in die Richtung, dass Kunden direkt Werberegisseure anfragen und nicht mehr den Zwischenschritt über Agenturen gehen. An diesem Punkt würde Tobias gerne anknüpfen, denn ihm ist es wichtig, auch bei der Konzeption dabei zu sein. „Meine Filme sollen nicht nur die Wirkung haben zu verkaufen“, sagt er selbstbewusst. Auch wenn er sich vorstellen kann, in Richtung Spielfilm und dokumentarische Formate zu gehen, der Werbung möchte er erst mal treu bleiben. Es müsse sich eben was ändern in dem System. Aber Tobias hat schon Ideen, getreu seiner Einstellung: „Wenn man nichts selber macht, dann passiert auch nichts.“

Alumni-Profil

Autorin: Janett Lederer

Foto: © Christoph Grigat