Susanne Rostosky, Absolventin Bildungs- und Wissenschaftsfilm

Freigezittert

Stille Wasser sind tief. Und wie. Susanne Rostosky ist freie Wissenschaftsjournalistin und Filmemacherin – und genau dieser Typ Gewässer. An der Filmakademie hat sie Bildungs- und Wissenschaftsfilm (heute: Fernsehjournalismus) studiert. Ihre wichtigste Lektion? Selbstvertrauen. „Ich war wirklich verdammt schüchtern. Zu merken, dass man diese Angst überwinden kann, hab` ich richtig als Befreiung empfunden.“

Ehrlich, bescheiden, sympathisch. Diesen Eindruck macht Susanne, als wir uns an einem Samstagnachmittag in Ludwigsburg treffen. Spätnachts hat sie eine SMS geschrieben: Sie sei spontan im Ländle. Wir könnten uns treffen. Als wir gemeinsam den Bahnhof in Richtung Ludwigsburger Innenstadt verlassen, ist noch nicht klar wohin. Susanne will nicht bestimmen. Erst Mal ein paar Meter weiter einen Kaffee zum Mitnehmen besorgen und dann weitersehen, so die Abmachung.

Susanne lebt in Berlin. Ihren spontanen Abstecher nach Ludwigsburg hat sie allerdings aus Dresden angetreten, wo sie gerade für die ZDF-Reihe DEUTSCHLAND VON OBEN gedreht hat. Schlichtungsversuche per Funkspruch seien diesmal auch Teil ihrer Arbeit gewesen, erzählt Susanne. Heute meistert sie selbst kritische Drehs souverän. Ihre ersten Regiejobs glichen dagegen einer Zitterpartie: „Am Anfang war´s für mich ganz schlimm, weil man ja was von den Leuten will. Man muss sie dazu bringen, dass sie sich Zeit nehmen, dass sie die Bewegung noch drei Mal machen und sie ausfragen. Bei meinen allerersten Drehs standen mir eine Woche vorher schon die Haare zu Berge, weil ich so eine Angst davor hatte.“

Susanne erzählt, während wir durch Ludwigsburg spazieren. So landen wir schließlich, nebst Kaffeebechern, auf dem Hof der Aka. „Das ist noch so drin. Den Weg laufen die Beine von alleine“, kommentiert Susanne. Und: „Ich mag die Akademie. Ich fand den intensiven Unterricht hier extrem gut. Das kannte ich so aus der Uni vorher nicht.“ Vor ihrem Studium an der Filmakademie hat Susanne Filmwissenschaft, Publizistik und Psychologie in Mainz studiert. Ihren Magister hatte sie 2007, nach nur drei Jahren Studium, in der Tasche: „Ich war deshalb so schnell, weil ich wusste, dass das noch nicht alles sein kann. Ich dachte, ich muss mich ranhalten und muss danach noch irgendwas Anderes studieren. Es hat mir Spaß gemacht, mich interessiert, aber es war mir auf die Dauer zu theoretisch und zu weit ab vom wirklichen Leben.“

Kreativ zu sein und Dinge zu gestalten ist Susannes Leidenschaft. Auf einem weißen Blatt alles entstehen lassen zu können, was einem in den Kopf kommt, fasziniert sie schon als Kind. Während ihrer Schulzeit geht Susanne in die Theatergruppe, hospitiert nach dem Abitur in der Regie am Staatstheater Braunschweig. Ihr erstes Studium, eigentlich eine Verlegenheitslösung: „Weil ich mich nicht wirklich getraut habe, etwas in dem gestalterischen Bereich zu machen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich dahin gemogelt hab.“ Trotzdem will sie ihr wissenschaftliches Studium heute nicht missen: „Ich bin im Rückblick froh, dass ich erst so eine komische Mischung studiert habe. Es hilft beim Recherchieren zu wissen, wie man wissenschaftlich arbeitet.“

Auf das Projektstudium Bildungs- und Wissenschaftsfilm macht sie ihr Freund aufmerksam. „Das hörte sich nach der richtigen Mischung an. Einerseits etwas Kreatives und andererseits auch etwas, wovon man leben kann.“ Susanne bewirbt sich, wird angenommen und tritt - nach knapp zwei Jahren Studium an der Filmakademie - in den Semesterferien ein Praktikum in einer Produktionsfirma in Dortmund an. Drei Wochen sind geplant. „Aber ich bin dann nahtlos dageblieben und nur noch zurückgependelt, um mein letztes Semesterprojekt zu machen.“ Weil sie an der ersten Staffel von DEUTSCHLAND VON OBEN mitarbeitet, schiebt Susanne ihren Diplomfilm erst Mal um ein Jahr auf. Als ihr Vater stirbt, gibt sie den Job in Dortmund auf und zieht nach Berlin. Nachdem Susanne sich sortiert hat, macht sie sich 2010 an ihren Diplomfilm FREMDE UNTER UNS. Der Film, eine Koproduktion mit 3sat, dreht sich um die Frage, ob auf anderen Planeten Leben möglich ist. „Ich wollte wissen: Was macht Leben eigentlich aus? Ist es wirklich so etwas Besonderes, wie wir denken, oder ist es etwas, das im Universum, in der Materie angelegt ist und öfter passieren kann.“ Weil das Budget klein ist und dem Film nach den ersten Drehs der rote Faden fehlt, entscheidet sich Susanne für den Schritt vor die Kamera. „Der Hauptgrund war eigentlich, dass wir uns keine Interviews mit den amerikanischen Wissenschaftlern leisten konnten. Wir haben das dann so gefilmt, dass ich vor dem Rechner saß und die Interviews über Skype geführt habe. Obwohl ich nicht so wahnsinnig scharf darauf bin vor der Kamera zu sein, war das aber unter gestalterischen Gesichtspunkten ganz interessant.“

Auf ihren ersten Film folgt das Angebot für das ZDF-Format TERRA X einen Film als Autorin und Regisseurin umzusetzen: SCHATZJAGD AN DER SEIDENSTRASSE wird 2013 ausgestrahlt. „Bei meinem Diplomfilm mussten wir improvisieren, was echt viel Spaß gemacht hat. Bei dem zweiten Film war das Budget im Vergleich dazu enorm.“ Inzwischen macht Susanne Erklärfilme für die deutsche Stiftung Verbraucherschutz, schreibt Drehbücher für die Reihe WISSEN VOR ACHT – MENSCH und arbeitet frei für verschiedene Produktionsfirmen. Warum sie früher so schüchtern war, kann sich Susanne rückblickend nicht erklären: „Ich mag Menschen und ich mag reden. Bei mir hat´s offensichtlich den Zwang gebraucht das auch zu machen.“ Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Mehr Unabhängigkeit, um Filme nach meinen eigenen Vorstellungen zu machen. Vielleicht eine eigene Firma, um das umzusetzen.“ Im Mittelpunkt zu stehen ist trotzdem nicht ihr Ding. Schade eigentlich.

Alumni-Profil

Autorin: Uta Schindler