Can Erdogan-Sus, Absolventin Filmmusik

Vom Studium der Filmmusik zur eigenen Musikschule

„Das Studium an der Filmakademie verbindet zwei Kunstarten, die ich beide sehr mag: Musik und Film. Bis zu meinem Filmmusikstudium hatte ich ja immer die Stücke anderer interpretiert, hier konnte ich selbst etwas Kreatives schaffen. Ich kam vom Klassischen, war noch unerfahren und alles war für mich total neu.“ Can Erdogan-Sus wuchs in der Türkei auf und lebte dort, bis sie einundzwanzig war. Mit elf Jahren begann sie, Klavier zu spielen. „Ab diesem Moment wollte ich nur noch das machen – ich wollte Pianistin werden.“

Zunächst absolvierte sie ein Klavierstudium in der Türkei und zog dann, interessiert an der klassischen Musik Europas, zum Klavierstudium nach Karlsruhe. Ihre Pläne, direkt nach dem Studium in Karlsruhe wieder zurück in die Türkei zu gehen, änderten sich, als ihr der Regisseur und Autor Tevfik Baser, ein Freund der Familie, von der Filmakademie erzählte. „Er war dort Dozent, lud mich ein und erklärte mir alles zum Studium an der Filmakademie.“ Da erwachte ihr Interesse an der Filmmusik. „Vorher hatte ich noch überhaupt keine Filmmusik komponiert, und dass ich an der Filmakademie angenommen wurde, hat mich sehr überrascht. Vor allem im ersten Jahr musste ich sehr viel komplett neu lernen, das war schon sehr hart.“

Das erste Jahr stellte ihren Entschluss, Filmmusik zu studieren, auf eine harte Probe. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich so richtig erfolglos gefühlt und erlebte den extremen Zeitdruck der Filmakademie. Wenn man unerfahren ist, so wie ich es war, muss man alles gleichzeitig neu lernen, was mich damals richtig fertiggemacht hat. In jedem Quartal hast du deine Abgaben, Seminare und Projekte, was bei mir anfangs nur mit Stress verbunden war.“ Ans Aufgeben dachte Can Erdogan-Sus aber nie, sondern beschloss, sich durchzubeißen. „Im zweiten Jahr kannte ich dann meine Grenzen und konnte somit die Herausforderungen des Studiums tatsächlich genießen. Das war ein sehr gutes Jahr, ich fühlte mich wie aufgeblüht. Als dann das dritte Jahr anbrach und die Seminare aufgehört hatten, war ich so im Rhythmus drin, dass ich gerne noch ein Jahr länger studiert hätte,“ erinnert sie sich.

In besonders guter Erinnerung hat Can ihr Diplomprojekt FANGO (Regie: Jean-Baptiste Chuat) aus dem Jahr 2006. „Für die Musik dazu machten wir zwei Bigband-Aufnahmen mit den Dozenten Joerg Reiter und Frank Sikora. Das war ein sehr schönes Projekt.“ Ab dem zweiten Jahr seien vonseiten der Filmakademie auch Musikaufnahmen in Bratislava und Potsdam-Babelsberg möglich gemacht worden, die sehr lehrreich gewesen seien. „Der Zeitdruck, den man an der Filmakademie hat, kann zwar heftig sein, bringt aber wirklich viel für das Berufsleben später. Man kennt seine Belastungsgrenzen schon und liegt dadurch quasi 1:0 vorne.“

Das berufliche Netzwerk, das Can Erdogan-Sus in Ludwigsburg aufgebaut hat, möchte sie nicht mehr missen. „Fast alle ersten beruflichen Kontakte machst du an der Filmakademie. Ich arbeite bis heute noch viel mit Akademie-Freunden zusammen. Daher habe ich mich entschieden, erstmal in Deutschland zu bleiben. Es gibt hier auch ein breiteres Angebot an Filmen als in der Türkei. Allerdings wusste ich schon während meiner Zeit an der ‚Aka’, dass ich nicht in Ludwigsburg bleiben, sondern nach Berlin ziehen möchte. Ich war schon lange Berlin-Fan, also bin ich kurz nach meinem Abschluss in die Hauptstadt gezogen.“

In Berlin ist Can heimisch geworden. Sie lebt dort mit ihrer Familie und hat zusammen mit einigen anderen Musikern die Musikschule Doremi Musikwerkstatt gegründet. „Ich habe in Deutschland richtig meine Wurzeln wachsen lassen. Aber mein Herz schlägt immer noch für mein Heimatland.“ Zwei Nachmittage pro Woche gibt sie Klavierunterricht, parallel dazu nimmt Can sowohl deutsche als auch türkische Filmmusik-Projekte an. „Wir Filmkomponisten haben ja den Luxus, dass wir von überall aus arbeiten können. Manchmal kommt es mir so vor, als wären der Klavierunterricht und die Komposition von Filmmusik zwei völlig verschiedene Leben. Aber sie tun einander sehr gut.“

Can Erdogan-Sus ist gerade aus ihrem Elternjahr zurück und hat ein neues Filmmusik-Projekt begonnen. Außerdem stehen Pläne für eine eigene CD an. „Ich möchte gerne ein Album mit Kompositionen aufnehmen, die unabhängig von Filmmusik entstanden sind, und habe dafür auch schon einige Soundideen im Kopf. Bisher ist die Idee vom eigenen Album aber erstmal ein Traum, ich weiß noch nicht, wann er sich realisieren lässt.“

An verschiedenen Filmmusiken gleichzeitig zu komponieren, ist für Can keine Option, da sie sich voll auf einen Film konzentrieren möchte. Daher muss dieses eine Projekt sie dann auch wirklich ansprechen. „Zuerst ist es mir wichtig, wie die Thematik des Films verarbeitet wird. Dafür schaue ich mir vor allem das Drehbuch an und spreche mit dem Regisseur, um herauszufinden, wie er das Buch umsetzen möchte.“ Ein weiteres Argument bei der Entscheidung, ein Projekt anzunehmen, sei natürlich, wieviel Zeit noch zur Fertigstellung bleibe. „Drittens sollte es eine Musikart sein, die mich irgendwie anspricht. Am besten ist es, wenn der Regisseur zwar schon eine grobe Vorstellung von der Musik hat, aber dennoch für meine Ideen und Layouts offen ist. Da spielen auch die Cutter eine große Rolle, denn sie bringen oft grandiose Ideen mit.“

Die Komposition einer Filmmusik könne manchmal so intensiv sein, dass eine richtige Hassliebe zu ihr entstehe, sagt Can. „Manchmal habe ich während eines Projekts schon gedacht ‚Das werde ich nie wieder machen.’ Aber dann hat man am Ende eines Projekts vielleicht eine große Einspielung, arbeitet mit Menschen, bekommt Feedback. Musiker spielen die Musik ein, die man selbst komponiert hat und dann hört man sie, wenn der Film auf der Leinwand gezeigt wird – und plötzlich ist man wieder vollständig versöhnt.“

Auch in ihrer Freizeit geht sie gerne ins Kino und liebt Filme wie MAGNOLIA, DER PROPHET und MATRIX. „Filme sind ‚Futter’ für mich, sowohl beruflich als auch privat. Schon als Kind mochte ich Filme sehr gerne. Und Musik sowieso. Somit hat sich mein Kindheitstraum mehr als erfüllt.“

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Autorin: Meike Katrin Stein