Ulrich Reuter, Absolvent Filmmusik

Filmmusikkomponist und -professor an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf

Experimentelle Klänge aus Berufswerkstatt und Hobbykeller

„Der eigenen Begeisterung folgen zu können, war für uns etwas ganz Besonderes. Wir hatten die Freiheit auszuprobieren“, erinnert sich Ulrich Reuter an sein Studium an der Filmakademie. Als er 1991 mit dem Studium der Filmmusik begann, gehörte er zum ersten Jahrgang an der Filmakademie überhaupt. „Wir hatten sehr viel selbst in der Hand, konnten unsere Vorstellungen realisieren und haben dort Tag und Nacht verbracht.“ Während er dies sagt, scheint er schmunzelnd in alte Erinnerungen einzutauchen und zu den Anfängen seiner Studienzeit zurückzukehren.

Nach dem Abitur studierte Ulrich Reuter zunächst Schulmusik (mit den Instrumentalfächern Klavier und Flöte) in Würzburg, doch schon bald war für ihn klar, dass er nicht Musiklehrer werden wollte. „Ich war mehr an filmischen Momenten und ihrer emotionalen Wirkung in Verbindung mit Musik interessiert als an reiner Musik. Diese Multistilistik zwischen Klassik, Rock und Jazz, die man im Film findet, faszinierte mich schon immer sehr, und ich wusste, dass ich mich da nicht auf eine Richtung beschränken wollte.“ Durch sein Schulmusikstudium erwarb er das nötige, breit gefächerte Wissen über Musik (Klavier, Flöte, Tonsatz, Gehörbildung etc.), das ihm den Berufsweg zum Komponisten ebnen sollte. Dies schien jedoch zunächst eher einem Wunschtraum zu entsprechen, denn lange Zeit war ein Filmmusikstudium nur in den USA möglich. Das änderte sich 1991, genau in dem Jahr, in dem Ulrich Reuter sein Examen in Würzburg machte: Die Filmakademie Baden-Württemberg wurde gegründet und er als einer der ersten Studierenden in den Studiengang Filmmusik und Sounddesign aufgenommen. „Es war toll, diese Gründerzeit mitzuerleben und den Geist von Aufbruch zu spüren, der an der Filmakademie herrschte“, erzählt er. „Wir konnten das Studium aktiv mitgestalten.“

Über interdisziplinäre Veranstaltungen wie Drehbuchseminare oder Vorlesungen zur Filmgeschichte entstanden erste Kontakte zu Studierenden aus den Bereichen Regie und Produktion, die schon sehr früh zu gemeinsamen Projekten führten und aus denen sich langjährige Freundschaften und Zusammenarbeiten bis über das Diplom hinaus entwickeln sollten. Vor allem mit Achim Bornhak und Nikolaus Kraemer arbeitete Ulrich Reuter viel zusammen. So komponierte er unter anderem die Musik zu dem Fernsehfilm PEST – DIE RÜCKKEHR, den Nikolaus Kraemer produzierte; ein Projekt, an das sich Ulrich Reuter gerne erinnert: „Dieser Film wollte mehr sein als nur Unterhaltung, er stellte einen gewissen Anspruch an sich selbst.“ Zudem war Reuters Musik dazu in einem seiner größeren Orchesterprojekte entstanden. „Gemeinsam ergaben Film und Musik ein stimmiges Ganzes.“

Nach seinem Abschluss an der Filmakademie war es der Regisseur, Produzent und Dozent Nico Hofmann, der Ulrich Reuter dabei half, „ein Netzwerk zu errichten.“ Durch Akademieproduktionen aufmerksam geworden, empfahl er ihn weiter, verhalf ihm damit zu ersten größeren Aufträgen und unterstützte somit Reuters Einstieg ins Filmgeschäft. Sein nächstes Projekt unmittelbar nach dem Studium - 14 TAGE LEBENSLÄNGLICH - gab ihm erstmals die Möglichkeit, von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Von da an folgten weitere Aufträge für Fernsehen und Kino.

Neben PEST – DIE RÜCKKEHR ist auch der Krimi DER TOTE IM SPREEWALD eine Produktion, an die Ulrich Reuter besonders gerne zurückdenkt. Dort konnte er in der Musik viel mit verfremdetem Gesang und verschiedenen klangmalerischen Elementen experimentieren. „Diese beiden Projekte zeigen zwei sehr unterschiedliche musikalische Richtungen, die mich ausmachen. Gleichzeitig stehen beide Filme für anspruchsvolle Produktionen und für die Erkenntnis, dass es so etwas auch im Fernsehen geben kann.“

Ob ein Film einen gewissen Anspruch an sich selbst stellt und mehr sein will als nur eine „zynische Produktvermarktung“, ist ein wichtiges Kriterium für Ulrich Reuter, wenn es darum geht, einen Auftrag anzunehmen. „Wenn ein Film mit Liebe und Ernsthaftigkeit gemacht ist und man darin noch die Freude am Filmemachen selbst erkennt, interessiert er mich. Außerdem muss man sich bei jedem Projekt fragen: Habe ich die Möglichkeit, Musik zu komponieren, in der ich mich selbst wiederfinde?“ Auf ein bestimmtes Filmgenre ist er dabei nicht festgelegt, im Gegenteil: „Ich bin so neugierig darauf, Neues kennenzulernen.“ Gut möglich, dass dies auch auf die „hohe Experimentierbereitschaft“ zurückzuführen ist, die er an der Filmakademie erfahren durfte.

Bis heute hat sich, so Reuter, diese hohe Experimentierbereitschaft an der Filmakademie erhalten. „Das Studium an der Filmakademie bietet Leuten, die sich selbst finden und verwirklichen wollen, die nötige Freiheit und fördert dabei auch den Spaß am Filmemachen an sich.“ Es seien oftmals völlig unterschiedliche Charaktere, die dort zusammenträfen und von denen jeder in der Struktur des Studiums und dem Umgang miteinander seinen Platz fände. Noch heute gefallen ihm „das ganze Campusleben, die leichte Improvisiertheit und vor allem die gute Energie“, die überall an der Filmakademie zu spüren ist.

Auch die Philosophie des Filmmusik-Departments befürwortet Reuter: Dass man bereits eine musikalische Vorbildung mitbringen müsse und dann diese Kenntnisse in Verbindung zur Arbeit am Film stellen könne, sei ein sehr gutes Konzept.

Manchmal habe er sich mehr Lehre und mehr Gastdozierende im Bereich der Filmmusik gewünscht, so Reuter. Doch gleichzeitig wirkt sich die Entdeckung der kreativen Freiheit, die er an der Filmakademie machen durfte, bis heute positiv auf seine Lehrtätigkeit an der Filmuniversität Babelsberg aus, „rückwirkend auf die Studierenden hier, denen ich diese Freiheit auch geben möchte.“

Seine freie Zeit und seinen Feierabend verbringt Ulrich Reuter gerne im Familienkreis mit seinen drei Söhnen, oder er spielt Badminton. Doch auch die Musik kommt nicht zu kurz, sie ist für ihn Hobby und Beruf gleichermaßen. „Meine Berufswerkstatt ist gleichzeitig mein Hobbykeller. Ich weiß nicht, ob das so gesund ist“, lacht er.

Alumni-Profil

Autorin: Meike Katrin Stein