Rüdiger Heinze, Absolvent Produktion

Hosenträger an kurzer Jeans-Short, kombiniert mit weißem Muskelshirt, schwarzer Sonnenbrille und einem Drehbuch unter dem Arm kommt Rüdiger Heinze mit einem verschmitzten Lächeln angelaufen - eine halbe Stunde zu spät, aber nicht schlimm, denn er wird mir gleich erzählen, dass er an einer Neuverfilmung der FEUERZANGENBOWLE arbeitet.

Heinze ist Produzent, der mit einem Regiestudium 1997 an der Akademie angefangen hat und nach einem Jahr, als erster Studierender überhaupt, in den Studiengang Produktion wechselte. Sein Dozent Laurens Straub ermutigt ihn dazu, kann er doch dadurch viel mehr stoffliche und dramaturgische Entscheidungen treffen. „Das, was ein Regisseur braucht, diese Versessenheit auf Details, hatte ich nicht. Ich mochte lieber das Große und Ganze; die kleinteilige Arbeit - und damals war Super 16 der absolute technische Fortschritt - hat mich eher abgeschreckt.“

Seinen Wunsch, in der Stoffentwicklung tätig zu sein, hat er mit seiner seit 2008 bestehenden Firma Zum Goldenen Lamm in Ludwigsburg verwirklicht. Während sich sein Partner, Stefan Sporbert, um die Verträge und Finanzierungen kümmert, ist Heinze für die Drehbücher und das Casting zuständig. Eine Partnerschaft, die funktioniert, ist doch Zum Goldenen Lamm laut Heinze mittlerweile die größte unabhängige Produktionsfirma Baden-Württembergs.   

Nachdem er zwölf Kilo verlor, weil er neben seiner Regie 1 direkt einen 30-Minüter produziert hatte, widmete er also seine Zeit ab dem zweiten Studienjahr ausschließlich der Filmproduktion. Für Heinze der entscheidende Schritt für seine endgültige Karrierelaufbahn nach vielen Jahren der Suche nach dem, was ihn wirklich antreibt.

Der 1971 im Osten in der Nähe von Riesa Geborene wuchs in einem proletarischen Elternhaus auf. „Da war ein Stahlwerk, in dem im Drei-Schicht-System gearbeitet wurde, und Häuser drum herum, sonst nichts. Ich habe auch nie Schnee gesehen.“ Nur drei der insgesamt 20 Schulkollegen besuchten die Oberstufe, Heinze gehörte zu den 17 Anderen, die eine Ausbildung absolvierten. So wurde er Feinmechaniker und trat seinen Dienst im Stahlwerk an. Nach dem Mauerfall und der Währungsunion 1990 kam die Einberufung zum Bundeswehrdienst; eine Zwangspause, in der er den Entschluss fasste, sich weiterzubilden. „Ich habe gemerkt, dass ich lieber mit dem Kopf als mit den Händen arbeite. Ich war schlichtweg intellektuell unterfordert, ich hatte keine Gesprächsthemen mit meinen Kollegen.“

Dies bedeutete keineswegs eine arrogante Abkehr von seinen Wurzeln, noch heute fühlt er sich mit seiner Heimat verbunden, mag „die einfachen Menschen, die sich durch den Alltag kämpfen und sich auf den Sommerurlaub freuen“. Er selbst kennt es, sich Filme anzuschauen und sie kritiklos hinzunehmen. Erst an der Filmakademie erlernte er den liberalen und vor allem kritischen Umgang seinen Kommilitonen und ihren Filmen gegenüber. „Ich komme aus einer Gesellschaft, wo man eher Ja sagt, bevor man kritisch ist. An der Filmakademie habe ich gelernt, aufmerksamer zu sein, sie hat mich regelrecht aufgerüttelt.“

Nachdem Heinze also sein Abitur nachgeholt hatte, folgten Praktika beim Ostdeutschen Rundfunk und bei der Filmart Potsdam. „Ich wollte irgendwas in der Medienbranche machen“, meinte Heinze und hat sich als Kameraassistent sowie in der Montage ausprobiert. Im Schnittraum hat er dann auch ein Prospekt der Filmakademie gefunden. „Ich hab mir die Bewerbungsanforderungen angeschaut, fand das geil und habe mit meiner Firma einen Deal ausgehandelt.“ Er bekommt das Equipment für seinen Bewerbungsfilm von der Firma gestellt, wenn er ein Vierteljahr länger bleibt als geplant. Mit einem Lachen erzählt er: „In meinem Einzelgespräch hat sich Prof. Jochen Kuhn (Leiter des Fachbereiches Filmgestaltung an der Filmakademie) in mich verliebt, wir haben uns direkt gut verstanden, und da wusste ich, ich habe einen guten Film gemacht.“

Obgleich als „Kommerzakademie“ verschrien, bot die Filmakademie Heinze die nötige Struktur, um sich auszuprobieren. „Wir sind hier gezwungen, unsere Filme zu machen, haben Anwesenheitspflicht und gleichzeitig alle Gewerke vor Ort sowie eine enorme Ausrüstung.“ Das für ihn lehrreichste Seminar war das über Creative Producing. Durch das hohe Niveau der Stoffbesprechungen hat er gelernt, Potenzial in Drehbüchern zu erkennen. Somit und auf Grund seiner Erfahrungen als freier Drehbuchautor nach seinem Diplom, beispielweise für die Serie VERRÜCKT NACH CLARA (2006), ist er immer tief im Schaffensprozess drin. „Ich kenne alle Gewerke und die gegenseitigen Ängste. Ich weiß, wovon ich rede und habe dadurch eine breite Brust“, so Heinze.

Den Startschuss zu diesem Selbstvertrauen lieferte PARKOUR. Nach seiner Debütfilmberatung saß der Regisseur Marc Rensing traurig vor einem Glas Bier, denn das Projekt drohte zu scheitern. Heinze saß neben ihm, mit dem Angebot, ihm das Exposé zu schreiben, wenn er dann auch den Film produzieren dürfe. Gesagt, getan – nach einer gemeinsamen Angeltour wusste Heinze, was der Regisseur wollte. Das Ergebnis: die Zusage vom SWR und ein Jahr Zeit, das Drehbuch fertigzustellen. Parallel dazu bekam Heinze ein Angebot für das Projekt DIE ZWEI LEBEN DES DANIEL SHORE von Michael Dreher. Beide Filme wurden 2009 auf den Hofer Filmtagen uraufgeführt. Zwei Projekte, zwei bestehende Finanzierungen und der Beginn seiner Selbständigkeit als Produzent.

„Um in die Branche zu starten, brauchst du erstes Vertrauen von den Sendern, von Förderern. Es macht keinen Sinn, einfach eine Firma zu gründen, bring erst Mal ein Projekt an den Start. Ein Drehbuch nicht drehreif zu bekommen, raubt dir Energie und Vertrauen in dich selbst“, so Heinze. 

Das Angeln hilft ihm dabei, sich abzuschotten, um über Figuren und Stoffe nachzudenken, aber auch „um die schönen Momente zu genießen, wenn die Sonne untergeht und sich die Bäume im Wasser spiegeln.“ Ein Motiv aus der Romantik, zurückgeholt in die Welt eines Produzenten, der von sich sagt, er habe einen Traumjob.

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Autorin: Ann-Katrin Boberg