EIN BESUCH IM GASTHAUS AM NECKAR: IN DER „KRONE ALT-HOHENECK“ BEI ... PASCAL FETZER

Lieber Pascal, du hast an der Filmakademie studiert, als Student der Dokumentarfilmregie erfolgreiche Filme gemacht – dann hast du kurz vor deinem Diplom damit aufgehört und betreibst nun das Gasthaus KRONE in Alt-Hoheneck. Wie kamst du zunächst zum Film?

Zunächst habe ich in Heidelberg Ethnologie studiert und kam dort mit ethnografischen Filmen des französischen Regisseurs Jean Rouch in Kontakt. Mich haben schon immer Menschen an sich interessiert, jeder einzelne und seine Geschichte. Also wollte ich Dokumentarfilme machen und dabei die Menschen näher kennenlernen. Nicht umsonst hat ein Dozent mal zu uns gesagt: „Wir Dokumentarfilmer sind alle Menschenfresser.“

Da ich Ludwigsburger bin, kannte ich die Filmakademie und habe dort erstmal ein Praktikum gemacht, durfte bei einem Diplom-Serienprojekt als Produktionsassistent und bei einem Diplomfilm als Set-Aufnahmeleiter mithelfen. Für die Bewerbung habe ich mir dann einen Kamerastudenten geschnappt und bin mit ihm nach Schottland geflogen, wo ich über meinen Zivildienst ein Behindertenheim kennengelernt hatte. Über diesen Ort habe ich dann meinen Bewerbungsfilm für die Filmakademie gedreht und erhielt eine Zusage.

Wie hast du dein Studium an der Filmakademie erlebt?

Das Grundstudium gefiel mir schon mal sehr gut und die darin enthaltenen Drehbuchkurse haben mein Feuer fürs Schreiben, das ich damals schon in mir trug, noch weiter entfacht. Bis heute schreibe ich gerne Texte.

Toll war an der Filmakademie auch ihr praktischer Lehransatz. Man konnte viel selbst machen und von anderen Filmemachern lernen. Allerdings habe ich theoretische, fundierte Grundlagen im Unterricht etwas vermisst und auch nie das Gefühl einer „Filmwerkstatt“ gehabt, die ja eigentlich oft angestrebt wird. Dass man wirklich alle Gewerke wie in einer richtigen Werkstatt kennenlernen und Stück für Stück miterleben kann, hätte im Stundenplan anders integriert werden sollen. Ein bisschen habe ich mich auch wie in einem Haifischbecken gefühlt. Trotz der Tatsache, dass wir alle am Anfang des Studiums standen, ging es schon früh darum, wer die meisten Preise gewinnen konnte.

Super war die Betreuung im Dokumentarfilmstudium. Wir hatten hervorragende Dozenten, die uns nicht nur fachlich, sondern auch menschlich immer unterstützt haben. Sie hatten immer Verständnis und ein offenes Ohr, wenn man mit Problemen oder einer Krise zu ihnen kam.

Dein Drittjahresfilm JEDER TAG EIN JAHR über eine herzkranke Frau erhielt viel positives Feedback und mediale Aufmerksamkeit, wurde sogar vom SWR gekauft. Woher kam dein Entschluss, das Filmstudium abzubrechen?

Mit JEDER TAG EIN JAHR stießen wir auf sehr viel positive Resonanz und auch für mich persönlich war die Produktion ein einzigartiges Erlebnis. Der Dreh war sehr intensiv und sowohl für die betroffene Familie als auch für mich ging er an die emotionalen Grenzen. Es gab viel Wirbel um den Film und der SWR hat ihn dann leicht gekürzt sogar um 20:15 Uhr ausgestrahlt. Danach habe ich über mehrere Monate an meinem Diplomfilm gearbeitet. Mein Vorhaben war, einen medienkritischen Film zu machen. Damals war gerade der Amoklauf in Winnenden passiert und mir waren Journalisten aufgefallen, die im Fernsehen davorstanden und berichteten, als wären sie gerade auf einem Fest. Über diese mediale Berichterstattung war ich empört und beschloss, Journalisten im Zuge meines Diplomfilms bei ihrer Arbeit zu begleiten. Ich hatte auch schon die Zusage eines RTL-Teams, dass ich sie begleiten dürfe und der SWR war bereits interessiert an einer weiteren Zusammenarbeit. Alle Zeichen standen gut. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, hieß es, dieses Thema sei „zu heiß für einen Studenten“ und alle Türen fielen wieder zu: Die Protagonisten sprangen ab und auch die Finanzierung durch den SWR wurde abgelehnt. Ein neuer Ansatz für meinen Diplomfilm führte mich zu einer Demonstration gegen STUTTGART 21, um dort zu recherchieren, als ich plötzlich krank wurde. Der ganze Stress vorher und einige familiäre Rückschläge führten dazu, dass ich drei Monate krank geschrieben werden musste.

Danach hatte ich ein paar sehr hilfreiche und unterstützende Gespräche mit Thomas Schadt, der mir zu einem „leichteren“ Thema riet, um mich selbst geistig etwas zu entlasten. Ich hatte kurz zuvor eine Band kennengelernt, die eine Tour durch Amerika plante, und beschloss, sie für meinen Diplomfilm sechs Wochen lang filmisch zu begleiten. Leider war ich zu dem Zeitpunkt gesundheitlich noch nicht wieder ganz auf der Höhe und der Dreh in den USA – sechs Wochen lang Couchsurfing – hat mich wieder ans Limit gebracht. Da habe ich definitiv gemerkt, dass Dokumentarfilmregie nicht das Richtige für mich ist. Mein Ausgangspunkt ist immer die Leidenschaft für Menschen gewesen, nicht das Ganze drum herum. Sechs Jahre lang an einem Film zu arbeiten, lange nachdem man diese Menschen getroffen hat, ist nichts für mich und ich merkte, dass meine Wertschätzung für das filmische Endprodukt nicht groß genug war, um das auf mich zu nehmen. Als wir nach Ludwigsburg zurückkamen, hatten wir 115 Stunden Filmmaterial und ich war völlig erledigt. Kurze Zeit später zog ich in eine neue Wohnung in Ludwigsburg, direkt über dem Gasthaus KRONE in Hoheneck. Ich hatte zwar noch das Ziel, den Film über die Band fertig zu schneiden, glaubte aber nicht mehr wirklich daran. Zu dieser Zeit lernte ich die Kneipe kennen. So mitten in der Natur gelegen, direkt neben dem Antiquariat, erschien sie mir wie die „Sleeping Beauty“. Allerdings lief sie nicht besonders gut und auch die Stimmung des Personals war schlecht. Eines Tages dachte ich „Hey, da könnte man doch viel mehr draus machen.“ Mein Schwager kommt aus der Gastronomie und wir unterhielten uns viel darüber. Irgendwie wurden unsere Visionen immer größer und wir haben dem Vermieter der KRONE ein Konzept vorgelegt. Der vorherige Pächter sprang nach seinem Probejahr dort direkt wieder ab und schwupp! – war ich Wirt und alle Dämme waren gebrochen. Am 12. April 2014 haben wir eröffnet.

Was hast du aus deiner Zeit an der Filmakademie gelernt?

Auf jeden Fall habe ich durch mein Studium an der Aka ein gutes Stück an Medienkompetenz bekommen, die als Wirt ebenso von Vorteil ist. Egal, ob es um die Gestaltung von Flyern oder um die generelle Öffentlichkeitsarbeit unseres Gasthauses geht. Die Filmakademie schult einen ja auf ganz vielen Ebenen. Auch persönlich bin ich gereift. Es ist ja Teil der Idee, dass man als Filmakademie-Student an seine Belastungsgrenzen kommt. Das war eine wichtige Erfahrung für mich.

Würdest du sagen, du hast deinen Traumberuf gefunden?

Gastgeber zu sein, ist etwas, was mir sehr große Freude macht und mich ausfüllt. Es läuft richtig gut und wir haben Gäste ohne Ende, das ist sehr schön. Auch Thomas Schadt war hier zu Gast und meinte zu mir: „Man merkt, dass du dein Ding gefunden hast.“ Er hat mich all die Jahre sehr gut unterstützt und immer wieder aufgebaut, das rechne ich ihm hoch an.

Die KRONE ist mittlerweile der Lebensmittelpunkt unserer ganzen Familie und alle helfen mit. Natürlich ist auch viel Bürokratie in meinem Job enthalten, aber auch viele Dinge, die einfach Spaß machen. Zum Beispiel organisieren wir immer mehr Konzerte und Veranstaltungen in unserem Kulturkeller, der FETZEREI. Wir bieten ein buntes Programm, von Hörspielpräsentationen bis hin zu Musik aller Genres. Viele Musiker, die in nächster Zeit zu uns kommen, sind echte „Hochkaräter“. Mein Ziel ist es, dieses Kulturprogramm weiter auszubauen. Ich brauche immer Entwicklung, erfinde mich gerne immer wieder neu. Und die Möglichkeiten für die KRONE und die FETZEREI sind noch lange nicht ausgereizt.

DAS INTERVIEW FÜHRTE: Meike Katrin Stein