EIN BESUCH IM ATELIER VON...DANIEL OLIVER BACHMANN, ABSOLVENT DREHBUCH (1998)

Lieber Daniel, wie bist du zum Schreiben gekommen?
Zunächst habe ich Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre in München und Pforzheim studiert und konnte mich an der Hochschule Pforzheim auf den Bereich Werbung spezialisieren. Anschließend habe ich in Deutschland und England einige Jahre als Werbetexter gearbeitet, u.a. für GREENPEACE und PORSCHE. Gelernt habe ich dabei auch, dass man, wenn man als Werbetexter Karriere machen will, viele Preise gewinnen muss, und das ist mir zum Glück gelungen. (lacht) Im Lauf der Zeit habe ich gemerkt, dass die Welt der Werbung doch sehr artifiziell ist und mir das Texten von Werbung nicht ausreicht. Also bin ich an die Filmakademie gekommen, um Drehbuch zu studieren.

Wie hast du dein Drehbuchstudium an der Filmakademie erlebt?
Das Lehrangebot war noch rar, es war alles erst im Aufbau. Das Positive daran war, dass Professor Ade uns Studenten die Möglichkeit gegeben hat, unser Studium frei zu gestalten. Ich habe alles Mögliche ausprobiert und auch einige Leute als Gastdozenten an die Filmakademie geholt. Bei Patrick Süskind waren wir leider nicht erfolgreich, aber dafür konnten wir andere begabte Autoren wie Keith Cunningham davon überzeugen, an der Filmakademie zu unterrichten.

Als ich an die Filmakademie kam, hatte ich vorher schon Geld mit dem Schreiben verdient und wusste, wie der Alltag eines Autors aussieht. Im Drehbuchstudium der Filmakademie lernten wir zwar, wie man Drehbücher schreibt, wurden aber nicht auf den Berufsalltag vorbereitet oder darauf, als Autor unternehmerisch zu denken.

Zum Knüpfen von Kontakten war der Akademie-Campus natürlich ideal. Da habe ich zum Beispiel Michael Stelzer kennengelernt, der damals Regie studierte – Michael ist ein super kreativer Kopf und die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert. Ich habe Drehbücher für ihn geschrieben. Michael konnte schon damals sehr gut in Bildern denken, somit haben wir uns super ergänzt.

Du führst neben deiner Tätigkeit als Autor auch in einigen Filmen die Regie. Was fasziniert dich an dem Beruf des Regisseurs?
Im Alter von fünfzehn Jahren habe ich begonnen, für die Zeitung zu schreiben und wurde dann beispielsweise zum Hasenzuchtverein des Ortes geschickt. Mein Chefredakteur wollte einen Bericht zum Thema haben, aber mich interessierte viel mehr: Warum züchten erwachsene Männer Häschen? Ich hatte also Fragen, die ich mit meinen fiktionalen Texten, die ich damals schon schrieb, nicht beantworten konnte. Und daran hat sich nichts geändert: Ich drehe Dokumentarfilme und führe Regie, um diese Fragen zu beantworten. Meine Bedingung dabei war immer, dass ich im Ausland gedreht wollte, denn ich bin ein Weltenbummler und will etwas von der Welt sehen. So entstand auch mein erster Dokumentarfilm, DIE WÜSTENAPOTHEKE, weil sich herumgesprochen hatte, dass ich mich in Afrika auskenne.
 

Wie entscheidest du, welche Projekte du annimmst und welche nicht?
Da bin ich wählerisch. Wenn du ein Buch oder einen Film machst, ist da immer auch ein Buch oder ein Film, das oder den man nicht machen kann. Das Thema muss neu sein für mich, ich möchte etwas lernen. Bei meinem letzten Filmprojekt AMOK IN WINNENDEN – DAS LEBEN DANACH hat meine Frau Beate Rygiert die Regie geführt und ich habe als Dramaturg gearbeitet. Ich bin auch häufig als Ghostwriter im Filmbereich tätig, helfe anderen Drehbuchautoren, ohne dafür Credits zu nehmen.

Ein Projekt, das mich besonders berührt hat, war die Arbeit zu meinem Buch ICH WOLLTE LEBEN WIE DIE GÖTTER, ein Porträt über Ibraimo Alberto. Seine Geschichte ist so bewegend und vielschichtig – der hat ein Leben, das reicht für drei. (lacht) Als ich von seiner Geschichte erfuhr, stand ich zunächst vor der Frage: Buch oder Film? Aber mit einem Buch kann ich sehr viel tiefer eintauchen, viel mehr erzählen. Ich fuhr mit Ibraimo Alberto nach Mosambik und habe ihn bei seiner Aufarbeitung seiner Sklaven-Vergangenheit begleitet. Das war ein Projekt, wie ich es liebe: Ein Abenteuer in einem fernen Land, verbunden mit einem spannenden Buch.
 

Welchen Herausforderungen oder Problemen hattest du dich in deinem Werdegang zu stellen?
Das Schwierige an dem Beruf eines Autors, vor allem, wenn man Biografien schreibt, ist, dass man keine Distanz zu den Ereignissen und Menschen hat, über die man erzählt – sonst könnte man deren Lebensgeschichte ja nicht erlebbar machen. Bei meinem Buch DIE SCHÜLER VON WINNENDEN gingen mir die Ereignisse und die Gespräche mit den überlebenden Kindern so nahe, dass ich krank geworden bin. Also ging ich an die Clownschule in Mainz und machte dort vier Jahre lang eine Ausbildung zum Clown. Das hat mir gut getan, denn als Clown – beispielsweise als Gestaltenwandler – kann man verschiedene Blickwinkel auf eine Sache einnehmen und dadurch lernen, mit einer Situation besser umzugehen.
 

Gab es auch mal finanzielle Engpässe?
Nein, die gab es nie. Ich lebe seit 35 Jahren vom Schreiben und kam nie in finanzielle Schwierigkeiten. Allerdings muss jeder Autor auch ökonomisch denken lernen. Pro Jahr schaffe ich etwa zwei bis drei Bücher - da steht man auf „tönernen Füßen“, wenn eines davon nicht klappt. Um so wichtiger ist es, Autoren in der Ausbildung auf diese Situation vorzubereiten.
 

Was inspiriert dich, woher kommen deine Ideen beim Schreiben?
Sind die Ideen nicht schon alle da und man muss nur die Antennen ausfahren? (lacht) Meiner Meinung nach ist die Welt in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern größer geworden. Meine Inspiration kommt aus meiner Neugier – ich bin neugierig auf die Welt. Ich reise viel und liebe die Freiheit, das zu tun, was ich tun möchte. Mit jeder Frage, die beantwortet wird, habe ich zwei neue Fragen. Auch aus der Musik heraus kommen bei mir Ideen. Das Musikmachen ist mir neben dem Schreiben das Wichtigste. Schreibblockaden gibt es bei mir nicht. Man kann immer etwas schreiben. Mein Rat an alle Autoren, die vom Schreiben leben wollen: Wer etwas verkaufen möchte, muss auch etwas geschrieben haben.

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DAS INTERVIEW FÜHRTE: Meike Katrin Stein