DAVID SPAETH, Absolvent Dokumentarfilm

Es klingt wie eine gute Drehbuchidee:

Als Jugendlicher arbeitet David Spaeth als Filmvorführer in Stuttgart, wo er u.a. für das Zusammenkleben von Film-Akten der 35mm-Filmkopien verantwortlich ist. Eines Tages klebt Spaeth versehentlich die falschen Akte zusammen. Das Ergebnis war verblüffend, denn der Film ergab plötzlich auf eine neue Art Sinn. „Das fand ich faszinierend, was so eine kleine Änderung, also einfach zwei Schnitte, für eine riesige Auswirkung auf den Film hat. Und in dieser Filmvorführzeit, als ich noch das letzte Glied in der Kette war, habe ich gedacht, das ist spannend damit mehr zu machen.“ So wurde der „Unfall“ zu Spaeths erstem kreativem Eingriff. Das Medium Film lässt ihn seitdem nicht mehr los.

David Spaeth arbeitet in seinen Dokumentarfilmen mit viel Sensibilität und Intuition an einem Thema. „Ich glaube, es geht darum, erst ein Mal Stimmungen im Raum wahrzunehmen, um sie dann in einem nächsten Schritt widerzuspiegeln und daraus etwas Neues, Eigenes zu machen. Ich kann ja nur das widerspiegeln, was ich vorher erfahren habe. Und das ist meines Erachtens immer das Reizvolle am Dokumentarfilm. Dass man nie das wiedergibt, was aus einem selbst gewachsen ist, sondern das, was man in irgendeiner Form beobachtet und wahrgenommen hat.“

Zuletzt hatte ich das bei einem Film über die Band La Brass Banda. Das war für mich eine völlig neue Erfahrung – ich bin ein Familienvater, die sind eine Band! Je mehr Zeit ich mit denen verbrachte, desto mehr faszinierte mich deren direkte, ungefilterte Energie. Der nächste Schritt war dann der Versuch, diese Energie in einen Film zu packen. 

Unsicherheiten bewusst zuzulassen ist bei David Spaeth eine Grundhaltung geworden, vor allem was sein dokumentarisches Arbeiten betrifft. Das rührt nicht nur aus der Erkenntnis, dass Dokumentarfilme schwer planbar sind, sondern dass sie das bis zu einem gewissen Grad auch sein müssen. Spaeth hat mit den Jahren die Erfahrung gemacht, dass es sich immer lohnt, angstfrei und mit einem offenen Blick ins Ungewisse zu gehen.

„Wenn man von Anfang an ergebnisorientiert den Weg wählt, dann kann der nicht besonders spektakulär sein. Dann funktioniert er vielleicht. Aber die Art, wie er funktioniert, ist für einen selbst nicht neu, weil man schon zu Beginn in der Lage war soweit zu denken. Und damit ist es auch nicht so interessant. Ich mag es, wenn im Prozess neue Gedanken entstehen. Und das beinhaltet, dass man Umwege nehmen muss. Das kann auch der Umweg über die totale Ratlosigkeit sein“

Thomas Schadt, der zu dem Zeitpunkt noch Dozent für Dokumentarfilm war, hat Spaeth schon damals geprägt. „Bei der Betreuung der Filme hatte er immer das tiefe Vertrauen, dass uns zündende Ideen rechtzeitig kommen, auch wenn noch wenig darauf hingedeutet hat. Diese Zuversicht habe ich dankbar übernommen, und sie hilft mir heute bei der Arbeit an jedem neuen Projekt.“

Die verschiedenen Modelle und Lebensentwürfe als Filmemacher, welche die Studierenden durch die Dozenten kennenlernten, waren für David sehr aufschlussreich. „Jeder sucht sich ja sein eigenes Modell. Und bei dieser Modellsuche fand ich es eine große Hilfe, schon an der Filmakademie verschiedene Skizzen oder Lebensformen anzutreffen.“

Aber auch seine Kommilitonen von damals haben ihn stark geprägt und sind bis heute seine Vorbilder. „Das Schöne ist, dass ich immer noch unheimlich viel mit Leuten von früher arbeite. Diese Vertrautheit ermöglicht es ganz viele Gedankenschritte zu teilen. Dadurch ist man beim Schaffensprozess selten einsam. Auch das schätze ich an der Filmakademie sehr: dass sie das Netz gebaut hat, in dem ich mich immer noch bewege und das mir das Arbeiten spannend gestaltet.“

Eine der intensivsten Erfahrungen an der Filmakademie war der Dreh zu seinem Diplomfilm THE STORYTELLING MAN – SPURENSUCHE MIT HENNING MANKELL, für den er insgesamt ein halbes Jahr in Mosambik verbrachte. Eine aufregende Zeit, die ihn und seinen damaligen Kameramann Pascal Schmit zusammenschweißte. „Durch die Arbeit an der Akademie fällt es uns immer noch sehr leicht zusammenzuarbeiten. Der Film hat weiter den Horizont geöffnet und Lust drauf gemacht, auch nach der Akademie in diesem Metier weiter zu arbeiten.“                                                

2004, ein Jahr vor dem Abschluss, wurde David Spaeth dann Vater und zog entgegen seinen Plänen nicht nach Berlin, sondern zu seiner Frau nach München. Nun galt es Geld zu verdienen. Aus der Ruhe hat ihn das nicht gebracht. Sein Antrieb ist vor allem die große Lust Filme zu machen und der stetige Genuss, den er aus jeder Phase des Projektes mit sich nimmt. Er schätzt die Freiheit, das zu tun, was ihm wichtig ist, auch wenn es ab und zu deswegen anstrengend wird.

„Ich glaube, dass man durch die Akademie ganz gut auf den Umgang mit Freiheit vorbereitet war. Also auch auf diese totalen Herausforderungen und Unsicherheiten, die damit einhergehen. Das ist eine Erkenntnis, die bleibt: dass Freiheit auch ein Stück Rastlosigkeit oder Flexibilität verlangt. Das eigene Modell immer wieder anzupassen. Zum Glück sehne ich mich nur sehr selten nach einem starren Gerüst.“

Ob es ihn vielleicht doch ein Mal zum Spielfilm verschlägt, möchte David Spaeth von der Filmidee abhängig machen. Bis jetzt hat sich noch kein passendes Thema angeboten. Ohnehin sind es eher die Grenzgebiete zwischen Dokumentarfilm und Fiktion, die ihn faszinieren.

David Spaeth lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München. Neben der Herstellung eigener Dokumentarfilme doziert er heute selbst an der Filmakademie Baden-Württemberg und betreut dort seit 2010 den Kurs Filmgestaltung 2 im Grundstudium.

Autorin: Caroline Reucker

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