Cyrill Boss & Philipp Stennert, Absolventen Dokumentarfilm und Szenischer Film

„Wir versuchen immer, uns nicht in eine Schublade stecken zu lassen!“

Cyrill Boss und Philipp Stennert kamen beide 1998 an die Filmakademie, um Regie zu studieren.
„Philipp und ich saßen während meines ersten Regiefilms, bei dem er die Kamera führte, im ‚Blauen Engel’ und haben uns aufgeführt wie Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Wir haben Schauspielerinnen gecastet und uns wahnsinnig wichtig gefühlt“, erzählt Cyrill lachend. Schon während der ersten beiden Studienjahre schrieben die beiden eine Unmenge an Exposés gemeinsam und überzeugten mehrere Produzenten, diese zu lesen. „Wir wollten unbedingt in der Filmbranche Fuß fassen!“
Parallel zu ihrem Studium zeichneten Philipp und Cyrill als Autoren z.B. für die Ruhrpott-Serie WAS NICHT PASST WIRD PASSEND GEMACHT verantwortlich.

Schon als Kinder verspürten sie nicht nur den wahnsinnigen Drang, Filme zu gucken, sondern auch, sie sich auszudenken. Bei Cyrill, der nur selten fernsehen durfte, ging das so weit, dass er sich die Kurzbeschreibungen in der Fernsehzeitschrift seiner Oma durchlas und am nächsten Tag in der Schule den eigens dazu erdachten Film erzählte. Bis seine Lehrerin zuhause anrief und sagte, dass es ja wohl nicht angehe, dass ein Siebenjähriger nachts TARANTULA schaue. Philipp wollte eine Zeit lang Schauspieler werden, denn: „In einem Film mit Harrison Ford war er für mich automatisch auch der Typ, der diesen Film gemacht haben musste.“ Dass es ihm dabei weniger um das Schauspielen als eher um das Filmemachen ging, wurde Philipp relativ schnell bewusst.

Beide haben die Zeit an der Filmakademie in zweigeteilter Erinnerung. Anfangs war es unglaublich spannend für sie, in einem großen Pool von Menschen zu sein, die alle dieselbe Leidenschaft teilten. Man inspirierte sich gegenseitig, feierte gemeinsam und probierte sich im Unterricht spannender Dozenten wie Jochen Kuhn oder Tom Toelle aus. „Tom hat uns zum Beispiel die Angst vor dem Inszenieren genommen und gesagt, dass wir ganz praktisch an die Sachen herangehen müssen. Vorher war Schauspielerinszenierung immer etwas sehr Abstraktes. Das hat er entknotet.“

Die Erfahrung, dramaturgisch an Stoffe heranzugehen und sich mit einem gewissen Handwerk einer Geschichte zu nähern, empfanden beide als unglaublich lehrreich. „Das war eine richtige innere Revolution. Mein Verständnis für Film hat sich da grundlegend geändert, vor allem dank Oliver Schütte und Jürgen Egger“, erinnert sich Philipp.
Ab dem 3. Jahr erhöhte sich der Druck dann. Man fühlte sich von der Akademie auch nicht immer verstanden. „Im Nachhinein glaube ich aber fast, dass das wie ein notwendiger Loslösungsprozess von den Eltern war. Man musste anecken, um seinen eigenen Weg zu finden.“, erzählt Cyrill.

Als sie nach der Filmhochschule immer mehr Aufträge als Autoren bekamen, fingen sie auf die gleiche Weise wie bei den Exposés an, Produzenten davon zu überzeugen, sie inszenieren zu lassen – u.a. den Gründer der Rat Pack Filmproduktion, Christian Becker, der gerade ein Casting für eine Serie plante. „Wir haben dann gesagt, lass uns das Casting inszenieren, kostet euch ja nichts.“ -„Genau! Aber eigentlich war es ein Testballon für uns als Regie-Duo.“ Dank Christian Becker und anderer mutiger Produzenten arbeiteten sie sich ins Regiefach vor. Entgegen der Vermutung, dass zwei Regisseure für Schauspieler irritierend sein könnten, haben Philipp und Cyrill die Erfahrung gemacht, dass viele diese Arbeitsweise schätzen, da immer jemand als Ansprechpartner für sie da ist.

Für Produktionsfirmen bedeutet das Regie-Duo oft auch einen finanziellen Vorteil. Bei ihrem letzten Film DIE DASSLERS – einem Zweiteiler für die ARD über die Brüder Adi und Rudi Dassler, Gründer der Firmen Adidas und Puma – haben sie sich immer wieder aufgeteilt, so dass zum Beispiel einer am Set Szenen mit den Schauspielern erarbeitete, während der andere sich um Sportaufnahmen, Details von Läufen oder sonstige visuelle Specials kümmerte. Hauptsächlich sind Cyrill Boss und Philipp Stennert jedoch gemeinsam am Set, immer mit einer zweiten Kamera, welche die zwei dann abwechselnd führen.

Natürlich bleiben auch Diskussionen nicht aus, doch sind diese mit wachsendem Alter immer mehr im Sinne der Sache – und finden vor den Dreharbeiten statt, wie Philipp erklärt. „Indem wir selber schreiben oder Stoffe von Autoren übernehmen und diese weiter entwickeln, erarbeiten wir uns eine gemeinsame Vision.“ Cyrill ergänzt: „Außerdem hatten wir schon immer ähnliche Interessen, was Stoffe angeht. Und zu zweit kann man Leute auch besser überzeugen. Wenn der eine müde wird, redet einfach der andere weiter!“

Beiden ist es sehr wichtig, jedes Projekt mit Herzblut anzugehen. Was in der Vergangenheit dazu führte, dass sie erst die Experten für Comedy waren, danach für Actionkomödie, dann für Kinderfilm und schließlich zu Thrillerspezialisten auserkoren wurden. „Das ist auch ein sehr deutsches Phänomen, man will die Leute unter einer bestimmten Rubrik einordnen. Wir versuchen aber immer, uns nicht in eine Schublade stecken zu lassen, denn gerade die Vielfalt an Genres ist es ja auch, die uns als Filmemacher reizt“, beschreibt Cyrill Boss ihren Werdegang.

Wenn es um das Regieführen geht, ist Ehrlichkeit ebenfalls ein entscheidender Punkt. „Am Anfang steht ein sehr intensives Gefühl, das einen inspiriert, einen Film zu drehen. Wenn man den Film gut gemacht hat, dann werden die meisten der Zuschauer im Kinosaal mit genau diesem Gefühl nach Hause gehen!“
„Ich finde, das geht sogar soweit, dass gute Regie manchmal bedeuten kann, scheinbare Fehler zuzulassen, wenn sie die Emotionen besser vermitteln!“, rundet Cyrill Boss den Gedanken seines Freundes Philipp Stennert ab.

Alumni-Profil Cyrill Boss
Alumni-Profil Philipp Stennert

Autorin: Katja Ginnow