Conny Fauser, Absolventin Animation

Die Monstermacherin

„Our internet ist down. Wir müssen über Handy miteinander telefonieren.“ Und schon düst Conny Fauser mit ihrem Elektroauto zum nächstgelegenen Parkplatz, um überhaupt genug Netz für das Interviewgespräch zu haben. Die schwäbische Pfarrerstochter aus Eningen ist Digital Compositor bei der von George Lucas gegründeten Effektschmiede Industrial Light and Magic (kurz ILM) und aktuell im Prozess, formell Amerikanerin zu werden. Und gerade hat sie STAR WARS - DAS ERWACHEN DER MACHT (2015) beendet. 

Sie war 28 Jahre alt, als sie mit einer Gruppe von Filmakademie-Absolventen 1995 für die Visual Effects zu INDEPENDENCE DAY (1996) in die Staaten ging – ein, wie sie beschreibt, „Zen Driving“-Ereignis. Jeder Mensch erlebe Wendungen, die alles Bisherige auf den Kopf stellen und dem Leben eine neue Richtung geben.

Bei Conny Fauser gab es zwei herausragende Wendungen. Nach dem Abitur bewarb sie sich an der Kunstakademie in Stuttgart und widmete sich dem Grafikdesign. Als sie dann 1990 nach ihrem Vordiplom an die Filmakademie wechselte, war ihr Weg in die digitale Welt der Kunst geebnet - nicht zuletzt durch Professor Albrecht Ade, der ihr Dozent an der Kunstakademie war und sie mit weiteren Studierenden an die Filmakademie holte. Nach dem Studium in Ludwigsburg baute sie sich in München ein Leben auf und arbeitete bei Pro 7 an der Fernsehgrafik. Der zweite entscheidende Moment ereignete sich an Volker Engels Geburtstag. Fauser war mit ihm seit der Kunstakademie befreundet. Später hatte Engel eine Professur für Spezialeffekte an der Filmakademie inne und Kontakt zu Roland Emmerich, der ihn fragte, ob er nicht die Visual Effects für seinen Film machen möchte. Als Engel Fauser das an seinem Geburtstag erzählte, reichte ein Seufzer ihrerseits: „Ach, da würd ich auch gerne mitgehen“, und schon war sie Teil der Arbeitsgruppe. Der Rest ist Geschichte.

Fauser ist heute „Die Monstermacherin“, wie die Zeitschrift „Brigitte“ 2007 schrieb und dadurch ein bisschen Hollywood-Flair in die deutschen Haushalte brachte. Fauser hat Profil – eines, das sich die 48-jährige über Jahre erarbeitet hat.

Heute zählt die Filmakademie zu den international führenden Filmhochschulen. In ihren Anfängen dagegen musste sie sich zunächst regional und national etablieren. Auch waren die Aufgabenbereiche der Animation noch nicht so ausgeprägt. Fauser wollte sich an der Filmakademie weiterentwickeln und kreativ werden im Bereich der digitalen Medien - was alles beinhaltete, angefangen bei CGI, Soft Image bis hin zu Compositing und Color Grading. Die Struktur der Filmakademie war klein und unkonventionell. Es gab keine Projektordner und damit enorm viel Freiheit. Das Besondere damals: Das Animationsinstitut hatte einen „Henry“ - ein sehr teures Compositing System für Werbung - welches nur Fauser bedienen konnte, aufgrund ihrer Praktikumserfahrung beim SDR. Dadurch wurde sie zur „teuersten Studentin“, witzelte Prof. Ade damals.

Dieses Gefühl von Aufbrechen und etwas Neues vorantreiben gibt Fauser die Energie, die sie für ihre Arbeit braucht. Und in der Tat war sie an der Filmakademie, wie auch bei Emmerichs Firmengründung „Centropolis Entertainment“, von Anfang an mit dabei und konnte Strukturen aufbauen oder verändern.

Allerdings musste Fauser lernen, sich durchzubeißen. In Los Angeles musste sie bei der Computer Film Company (kurz CFC) wieder bei Null anfangen. „Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, um mir das Programm schnellstmöglich zu erschließen.“ Pablo Helman, mittlerweile Supervisor bei ILM, hat ihr in jener Zeit viel geholfen.

Roland Emmerich arbeitete gerne mit ihr. Durch seine Firma konnte Fauser nach INDEPENDENCE DAY in den Staaten bleiben und an weiteren Blockbustern wie GODZILLA (1998) arbeiten. Nach dem Verkauf und letztendlichen Bankrott der Firma im Jahr 2003 wechselte Fauser zu Yu&Co Company, wo sie an dem Titeldesign zu MATCHSTICK MEN von Ridley Scott und HULK von Ang Lee arbeitete.

Nur einmal ist Fauser für ein halbes Jahr zurück nach Deutschland gegangen und war Digital Colorist für (T)RAUMSCHIFF SURPRISE (2004), bevor sie bei ILM anfing. Es war Helman, der der Recruiting-Abteilung bei ILM ihren Namen zukommen ließ. Angekommen in San Francisco, musste sie nochmals von vorne anfangen. Ihr erster Job war STAR WARS – DIE RACHE DER SITH (2005). Wieder gab es eine hauseigene Software, wieder musste sie ihr Können unter enorm strengen Supervisors beweisen. Das Feedback beim ersten Daily Screening: „Looks great, but Anakin hasn´t gone to the dark side yet.“ Versehentlich hatte Fauser Anakin Skywalker, dem späteren Darth Vader, ein rotes anstelle eines blauen Lichtschwertes gegeben. Doch der erste Druck fiel bald ab, und Fauser hat sich in den folgenden Jahren höhere Positionen erarbeitet. So war sie bei LUCY (2014) von Luc Besson für das Look Development zuständig. Die einzige Anweisung: Sie soll Licht kotzen. „Just go crazy, Conny!“ Nur musste sie erst mal überlegen, wie so etwas überhaupt aussieht. „Vorstellungen zu visualisieren, das ist dein Stempel, und da fängt für mich die Kunst an“, so Fauser.

Seit ILM von Disney 2012 übernommen wurde, ist die Arbeit nochmals härter geworden. Jährlich gibt es ein Ranking, niemand kann sich auf seinen vergangenen Verdiensten ausruhen. Für Fauser ein Grund mehr, sich reinzubeißen und nicht mehr loszulassen, bis es perfekt ist. Dabei hat sie ihren Humor nicht verloren. „Überdrehte Regisseure kann ich nicht ernst nehmen.“ Und so baute sie vor einem Daily Screening in eine Einstellung Fenster ein, die explodieren. Explodiert ist auch der Regisseur, sie fand es witzig.

Conny Fauser hat Ambitionen und ist geradezu obsessiv, wenn es um ihre Projekte geht. Gleichzeitig musste sie lernen, nein zu sagen: „Man will ja auch leben.“ Ihre Sehnsucht nach der Natur stillt sie durch Wanderungen oder Fahrradtouren mit ihrer Familie. Nicht selten wird sie gerade dort neu inspiriert. So unterbricht Fauser beispielsweise freudig schreiend unser Gespräch, weil ein Hirsch ganz nah an ihr auf dem verlassenen Parkplatz vorbeirennt. Es gibt aber auch makabre Momente. „Wenn ich irgendwo eine Explosion sehe, wie beispielsweise beim 11. September, denke ich oft: Wow, wie toll das aussieht, und schäme mich dann, aber die Gedanken kommen einfach.“ Es sind Referenzen, die Fauser für ihre Arbeit nutzt, denn je weniger ihre Arbeit auf der Leinwand zu sehen ist, desto besser macht sie ihren Job.

Aus einem Jahr wurde eine ganze Zukunft. Jeden Tag fährt sie über die Golden Gate Bridge zu ihrer Arbeit, und es kann vorkommen, dass sie dabei fast einen Unfall baut - fasziniert von der Reflexion der Wassertropfen auf ihrer Windschutzscheibe, die sie analysiert und in ihr Compositor-Gedächtnis einspeichert. Der ganz normale Wahnsinn im Leben einer Deutschen in der Traumfabrik Hollywood.   

Alumni-Profil

Autorin: Ann-Katrin Boberg

Foto: Conny Fauser mit Special Effects-Pionier Ray Harryhausen