CLAUDIA GARDE, ABSOLVENTIN REGIE / SZENISCHER FILM

 „Das Leben selbst ist mein Vorbild, vielleicht sogar mein größtes!“

„Ohne die Filmakademie...“, Claudia Garde lacht und überlegt, „...würde ich jetzt wahrscheinlich in Südfrankreich Theaterworkshops geben, als viertklassige Schauspielerin, die immer noch nicht begriffen hat, dass der Zug abgefahren ist.“ Etwas ernster fügt sie hinzu: „Ohne die Filmakademie wäre ich nicht Regisseurin geworden, das ist ziemlich klar!“

Bereits nach dem Abitur begann sie damit, Material über die verschiedenen Filmhochschulen zu sammeln, doch irgendwie erschien dieser Weg nicht gangbar. Bis sie sich schließlich doch gemeinsam mit ihrer Cousine Christiane Balthasar in Ludwigsburg für Drehbuch bewarb. „Die Filmakademie hörte sich so an wie eine Einladung an alle Leute mit Talent und Willen, etwas zu erzählen!“

Für Claudia Garde war diese Zeit ein totaler kreativer Aufbruch. 1993 existierte die Schule erst seit 2 Jahren. „Alle waren noch vom Pioniergeist beseelt. Wir hatten relativ junge Dozenten, die teilweise nicht unbedingt ausgebildete Pädagogen waren. Da gab es auch Reibereien, aber es war eben sehr nah an einem gemeinsamen Schaffensprozess, gar nicht verschult. Try and error.“ Zu den Dozenten gehörten Filmemacher wie Laurens Straub, der sie aufrüttelte mit seiner Art, Filme zu sehen, der den Studierenden den Kopf öffnete und sie motivierte, sich von festen Formen zu lösen und alles auszuprobieren. Und der die Frage stellte: Warum glaubt ihr denn, dass ihr einem großen Publikum etwas zu erzählen hättet?

Claudia Garde erinnert sich, wie besonders es für sie damals war, dass es einen Raum gab, in dem überall Computer standen, wo sie schreiben durften. Und wie sie immer heimlich versuchten, Sofas ins Gebäude zu schleusen, der damalige Leiter der Akademie, Prof. Albrecht Ade, ihnen jedoch jedes Mal wieder auf die Schliche kam und die Couches so schnell sie gekommen auch schon wieder verschwunden waren.

Vor allem Tom Toelle verdankt sie es, dass sich die Dozenten des Hauptstudiums ihren Zeitjahresfilm ansahen und sie in die Regieklasse wechseln konnte. Für Claudia Garde war diese Freiheit, sich in den ersten beiden Jahren erst einmal ausprobieren zu können, ein Geschenk. Vorher hätte sie nie gewusst, dass ihr beim Regieführen ein ziemliches Spektrum an Mitteln zur Verfügung steht und dass andere dieses auch sehen. Zugleich ist sie sich bewusst, dass neben ihrem Talent auch Glück mitspielte, und es sicherlich auch einige Studierende gab, die heute in der Branche präsent sind, damals jedoch durch das Raster fielen.

Gardes Regieführung ist von einer intensiven Darstellerarbeit geprägt, was eng mit ihrem vorangegangenen Schauspielstudium in Paris zusammenhängt. „Ich glaube, wenn man sich die Offenheit bewahrt, kann man mit Schauspielern ganz weit gehen und auch sich selbst über gewisse Grenzen hinwegbringen. Es ist wie die Arbeit eines Psychologen und darüber hinaus.“

Es geht ihr aber gleichzeitig darum, äußere Räume zu schaffen, die ein Spiegel der zu erzählenden Geschichte sind. Dass jedes Bild die Übersetzung eines inneren Zustandes ist. „Wir haben eben nur 90 Minuten Zeit, und man kann in dieser Zeit nicht ein ganzes Leben erzählen, sondern nur die Illusion davon. Diese Suggestion von Echtzeit ist, glaube ich, die größte Kunst eines Regisseurs; dass man das Gefühl hat, eben doch ein ganzes Leben gesehen zu haben, obwohl man nur eineinhalb Stunden vor der Glotze oder der großen Leinwand gesessen hat.“

Claudia Garde lebt mit dem Kameramann Philip Peschlow und ihren 3 Kindern in Berlin Mitte. Mit ihrem ersten Sohn war sie schwanger, als sie gerade ihren Drittjahresfilm drehte. Sie erweckt den Eindruck, Beruf und Familie ziemlich mühelos unter einen Hut zu bekommen. „Eine Familie ist wie ein Filmset!“, sagt sie und lacht. Man müsse sich sehr organisieren. Schon an der Filmakademie hat sie sowohl durch ihre Eltern als auch ihr dortiges Netzwerk und die Dozenten viel Unterstützung erhalten.

Neben dem Spagat, den man manchmal hinlegen müsse, bringen einen Kinder auch immer wieder zur Realität zurück. Man schließe nicht so wirklich mit bestimmten Lebensphasen ab, sondern erlebe im Gegenteil viele Dinge mehrmals, wobei man natürlich auch die Unterschiede zwischen Pubertät in den 1980ern und Teenager sein in der heutigen Zeit mitbekomme. „Familie ist eine wichtige Zutat beim Filmemachen. Dass Menschen sich vermehren, wachsen, Gruppen bilden ist genau das, worüber wir jeden Tag erzählen. Und wie sollen wir über Dinge erzählen, die wir nicht selbst erfahren oder für die wir uns nicht interessieren?“

Claudia Garde ist Mitglied bei Pro Quote, einer Organisation, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen in Medienberufen einsetzt. Sie selbst hatte nie wirklich Probleme als Regisseurin. Es missfällt ihr jedoch, dass eine Frau, die ihren Standpunkt durchficht, schnell als hysterisch abgestempelt wird. Bei Männern würde das gleiche Verhalten mit Durchsetzungskraft betitelt.

Etikettierungen wie „Frauenfilm“ sieht sie als ähnlich schwierig an. „Frauengeschichten heißt ja nicht nur zu erzählen, wie ich Kinder großziehe oder Schwangerschaftsdepressionen bekomme oder mein Mann mich mit 50 verlässt. Die gesamte deutsche Gesellschaft, so fortschrittlich sie ist, agiert in meinen Augen lange noch nicht emanzipiert genug. Das fängt bei Gehältern an und hört beim Stammtischwitz auf. Ich glaube einfach, dass Vielfalt wiederum Vielfalt produziert!“

Als nächstes steht bei Claudia Garde neben zwei Produktionen, die sie fürs Fernsehen dreht, einem Kinoprojekt und dem Roman, an dem sie schreibt, vor allem eines an: Leben!

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Autorin: Katja Ginnow